Rebellen im Kongo: Teilrückzug über die Baumgrenze
In der Demokratischen Republik Kongo sollen die M23-Rebellen ihre Kontrolle abgeben. Sie verschwinden von den Straßen und formieren sich dann neu.
Doch wohin wird der M23-Chef gehen? Noch bis vor wenigen Wochen kontrollierte seine Rebellenarmee weite Teile des ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, direkt an der Grenze zu Uganda und Ruanda. Er selbst lebte in einem Hotel in der kongolesischen Grenzstadt Bunagana, eine strategisch wichtige Position und nah am Grenzübergang nach Uganda.
Mittlerweile wurde dort unter einem Mandat der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), deren jüngstes Mitglied die Demokratische Republik Kongo seit einem Jahr ist, eine regionale Eingreiftruppe stationiert. Darunter sind kenianische, burundische, südsudanesische und seit Anfang April auch ugandische Soldaten.
Diese Regionaltruppe hat sich nun nach Nationalitäten getrennt in genau jenen Gebieten niedergelassen, die seit über ein Jahr unter M23-Kontrolle waren. Zuletzt waren Anfang April Ugandas Truppen über den von der M23 besetzten Grenzposten in Bunagana eingerückt. Nach einem Handschlag mit der M23-Führung wurde vereinbart, dass sich die Rebellen nun Stück für Stück zurückziehen und den EAC-Truppen das Gelände überlassen. Das EAC-Mandat sieht vor, dass sie einen Waffenstillstand überwachen sollen, während Kongos Regierung und die M23 am runden Tisch verhandeln – so weit die Theorie.
Kämpfer und EAC-Truppen melden lediglich Teilrückzug
Doch die Realität in Ostkongos Kriegsgebiet sieht anders aus. Obwohl M23-Präsident Bisimwa am Telefon eisern behauptet: „Wir haben fast unser ganzes Gebiet übergeben“, melden sowohl lokale Quellen aus dem Kongo als auch die EAC-Truppen selbst, dass es nur einen „Teilrückzug“ gegeben habe. Sprich: Die M23-Kämpfer haben sich, wie es der EAC-Plan vorsieht, aus den Dörfern, Städten und von den Straßensperren entlang der Hauptverkehrswege zurückgezogen. Doch sie verstecken sich nach wie vor hoch oben auf den Hügeln, in den nahe gelegenen Wäldern oder gar in ziviler Kleidung inmitten der lokalen Bevölkerung; jederzeit bereit, wieder loszuschlagen.
Und auch die Stationierung der ausländischen Truppen gestaltet sich nicht so einfach wie wohl erhofft. Überall dort, wo die M23 das Gelände räumt, kommen lokale Milizen aus ihren Verstecken gekrochen, um die Gegend unsicher zu machen. Es sind Männer in Zivil, meist ausgestattet mit Gartengeräten wie Macheten als Waffen. Für ugandische, kenianische oder burundische Soldaten, die sich vor Ort nicht auskennen, ist es kaum auszumachen, wer hier wer ist – und wer Freund oder Feind.
So kam es in den vergangenen Wochen mehrfach zu Scharmützeln zwischen den EAC-Soldaten und Milizen. Mitte April lieferten sich burundische Truppen in der Kleinstadt Sake, 25 Kilometer westlich der Millionenstadt Goma, Kämpfe mit lokalen Milizen. Kenianische Soldaten mussten zur selben Zeit in Kibumba gegen lokale Milizen vorgehen, einem Ort 15 Kilometer nördlich von Goma.
Von einer „kritischen Phase“ sprach EAC-Oberkommandierender Generalmajor Jeff Nyagah in seiner jüngsten Pressekonferenz und lobte die Feuerpause, die zwischen der M23 und Kongos Regierungsarmee seit einem Monat eingehalten werde. Er unterstrich, dass regionalen Streitkräfte „jeden Schritt im Auge behalten, den die M23 unternimmt“, und betonte: „Am wichtigsten ist der gute Wille und die Unterstützung durch die Regierung der Demokratischen Republik Kongo“, so Nyagah: „Wir legen bedeutende Schritte zurück in Richtung dieses Ziels.“
Die M23-Rebellen werden in die Vulkanberge verfrachtet
Die EAC-Staatschefs pochen darauf, dass Kongos Regierung mit der M23 verhandelt. Auch der M23-Präsident betont: „Ohne Verhandlungen wird es keinen stabilen Frieden geben.“ Doch Kongos Regierung lehnt vehement alle Gespräche mit den „Terroristen“ ab, wie sie die Rebellen bezeichnen.
Am Montag hielt Kongos General Constant Ndima, der für die Militäroperationen gegen die M23 und die Provinz Nord-Kivu zuständig ist, eine Parade ab. Er schwor seine Soldaten darauf ein, „mit allen Eventualitäten“ fertig zu werden. Für M23-Chef Bisimwa klingt dies eher, als würde die Armee sich für neue Kämpfe rüsten.
Als Rückzugspunkt bleiben den über tausend M23-Kämpfern nun nur noch die Vulkanberge im Dreiländereck, wo sie sich bis 2021 verschanzt hatten, bevor sie ihren Eroberungsfeldzug begannen. Kongos Regierung hatte verlangt, die gut trainierten Kämpfer in einer Militärbasis tief im Dschungel im Landesinneren unterzubringen, weit weg von jeglichen Grenzen.
Laut UN-Ermittlern unterstützt Ruandas Armee die M23 mit Ausrüstung und Soldaten. Jegliche Nachschubwege würden im Landesinneren unterbunden. Letztlich entschieden die EAC-Staatschefs aber, die M23 in die Vulkanberge zurückzuschicken. Um dort oben, jenseits der Baumgrenze, zu überleben, packt der M23-Chef nun seine warmen Klamotten ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin