Reaktionen auf die US-Wahl in Israel: Israel braucht Onkel Sam
Regierungschef Netanjahu hat Romney unterstützt. Die Siedlungen in den besetzten Gebieten will er weiter ausbauen. Konflikte mit Obama nimmt er dafür in Kauf.
JERUSALEM taz | Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dürfte der Wahlsieg Barack Obamas einige Probleme bereiten. Zwar beeilte er sich mit Gratulationen und betonte, dass „das strategische Bündnis zwischen Israel und den USA stärker als je zuvor“ sei. Doch das Verhältnis der beiden Regierungsoberhäupter ist getrübt.
Netanjahus in den vergangenen Wochen zur Schau gestellte Sympathie für Mitt Romney könnte den wiedergewählten Präsidenten dazu verleiten, dem Likud-Chef die Rechnung zu präsentieren, indem er sich umgekehrt in die israelischen Wahlen einzumischen versucht. Im Gazastreifen äußerte Hamas-Sprecher Sami Abu-Zuhri die Hoffnung, Obama werde seine Nahost-Politik überdenken und „von seiner einseitigen Unterstützung Israels ablassen“.
Genau einen Tag nach der Vereidigung Obamas für weitere vier Jahre als Präsident werden die Israelis am 22. Januar eine neue Regierung wählen. Gidi Grinstein, Chef des Tel Aviver Thinktanks Reut, rechnet fest damit, dass der Chef des Weißen Hauses „auf Drängen der Juden in den USA, die nicht mehr an Fortschritte unter einer Likud-Regierung glauben, versuchen wird, das Ergebnis zu beeinflussen“.
Regierung will Siedlungen ausbauen
Oppositionschefin Sheli Jechimowitsch (Arbeitspartei) glaubt hingegen nicht an ein Einmischen der USA. Gegenüber dem Rundfunksender „Stimme Israels“ erklärte sie, einer Einladung nach Washington würde sie „jederzeit gern nachkommen“.
Netanjahu signalisierte, dass er bereit ist, den Konflikt mit Obama einzugehen. Kurz vor dem Urnengang in den USA veröffentlichte seine Regierung Pläne für den Bau von 1.200 Wohnungen im besetzten Westjordanland. Doch ein Versuch des US-Präsidenten, sich in den israelischen Wahlkampf einzumischen, könnte allein deshalb kontraproduktiv ausfallen, weil die Mehrheit der Israelis seinen Gegner bevorzugen. Umfragen des Fernsehsenders Channel 2 zufolge genießt Romney die Sypathien von 50 Prozent der israelischen Bevölkerung, während Obama sich mit 26 Prozent begnügen muss.
Einig sind sich die israelischen Experten, dass im kommenden Frühjahr die Entscheidung über einen eventuellen Angriff auf die iranischen Atomanlagen fallen muss. Danni Jatom, ehemals Chef des Mossad, erklärte im staatlichen Fernsehen, dass es „für Obama leichter ist anzugreifen, denn er steckt drin“. Romney wäre hingegen nicht in der Lage gewesen, „binnen so kurzer Zeit im Amt eine solche Entscheidung zu treffen“. Nach Ansicht des ehemaligen Geheimdienstlers wird „Obama der Zweite“ in der Palästinenserfrage mehr Druck auf Israel ausüben, um am Ende die beiden Konfliktparteien „zu einer Reihe von Interimsvereinbarungen“ zu bewegen. Jatom warnte davor, das Weiße Haus mit dem Ausbau der Siedlungen zu erzürnen: „Wir brauchen Onkel Sam wegen Iran.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene