Reaktionen auf Rücktritt aus DFB-Team: Die Türkei feiert Özil
Social Media und Politik sind sich selten einig. Doch mit Özil hat die türkische Regierung einen Unverdächtigen gefunden, der ihre Thesen stützt.
Die Tweets zu Özil waren am Sonntagabend der dominierende Twitter-Thread, alle wollten Özil Mut zusprechen oder ihn dabei unterstützen, den Deutschen endlich mal die Meinung gesagt zu haben. Selten waren sich soziale Medien und offizielle Meinung so einig wie im Fall Mesut Özil.
Für Ankara ist der miese Umgang des DFB und einiger deutscher Medien mit Mesut Özil eine Steilvorlage, nicht nur weil der Auslöser der ganzen Affäre ein Foto mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan war. So schrieb der frühere EU-Minister Ömer Celik begeistert: „Mit der Kritik von Mesut Özil ist den Deutschen von ganz unerwarteter Seite ein Spiegel vorgehalten worden, in dem der Rassismus und die Islamophobie der Gesellschaft kenntlich wird“. Mit Özil hat die türkische Regierung einen unverdächtigen Prominenten gefunden, der ihre These von der wachsenden Islamophobie, des wachsenden Rassismus in Deutschland als Kronzeuge unterstützt. Und zwar ohne gleichzeitig auf den Nationalismus und teilweisen Rassismus gegen Kurden in der Türkei hingewiesen zu werden.
So schrieb Justizminister Abdulhamid Gül: „Ich gratuliere Mesut Özil für das schönste Tor, das er mit dem Verlassen des deutschen Nationalteams gegen den Virus des Faschismus geschossen hat“. Der Sprecher des Präsidenten, Ibrahim Kalin freute sich darüber, dass Özil nach wie vor zu dem Treffen mit Erdogan steht und schrieb dann: „Welch eine traurige Angelegenheit für diejenigen, die behaupten, tolerant und multikulturell zu sein“.
Nur wenige kritisieren Özils Entscheidung
Nur ganz wenige türkische Twitter-Nutzer forderten Özil auf, sich nicht benutzen zu lassen. „Lass dich nicht für die Politik instrumentalisieren Mesut“, schrieb ein Mann, der sich als Fan von Özil ausgab. Einige weniger Kritiker halten Özil auch vor, er habe sich doch bislang nicht für die Türkei interessiert, warum er jetzt „angelaufen komme“. „Erst als es mit Özil bergab ging, kam er zu uns“.
Doch das sind Einzelmeinungen in einem Chor der Özil Unterstützer.
In den türkischen Zeitungen spielte die Causa Özil heute noch keine große Rolle, weil es für viele Print Medien am Sonntagabend bereits zu spät für ihre Montagsausgaben war. Lediglich Habertürk, ein Blatt, dass sich in anderen Fällen auch schon mal eine etwas abweichende Meinung von der Regierung leistete, schrieb in einem Kommentar: „Mesut hat getan was richtig ist und ich denke, Deutschland muss sich bei Mesut entschuldigen“.
Auch in Anlehnung an den NSU Prozess schrieb ein anderer Habertürk-Kollege, es sei der „rassistische Kopf“ der in Deutschland noch immer im Hintergrund agiere, der Mesut Özil zu seiner Rücktrittsentscheidung praktisch gezwungen habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers