Reaktionen auf Flüchtlingsgipfel: „Tropfen auf heißen Stein“
In Ländern und Kommunen fallen die Reaktionen auf die Beschlüsse des Flüchtlingsgipfels gemischt aus. Viele vermissen eine langfristige Lösung.
Die versprochene 1 Milliarde Euro zusätzlich wurde aber oft als zu gering bemängelt. Ministerpräsident*innen und Bürgermeister*innen kritisierten auch, dass es keine Einigung über ein dauerhaftes Finanzierungmodell gab. Komplett gegensätzlich waren derweil die Einschätzungen zu den beschlossenen Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik.
In den meisten Statements aus Ländern und Kommunen ging es ums Geld. SPD-Ministerpräsident*innen äußerten sich deutlich positiver als ihre Kolleg*innen von Union, Grünen und Linken. „Dass der Bund für dieses Jahr eine Milliarde zusätzlich zugesagt hat, ist ein wichtiges Signal und eine große Unterstützung, gerade auch für die Kommunen“, sagte etwa Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz. Ihr Partei- und Amtskollege aus Brandenburg, Dietmar Woidke, nannte die Ergebnisse einen „Zwischenschritt zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Deutschland“.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte dagegen, es müsse „ für alle Akteure endlich verlässlich und dauerhaft geklärt sein, wer welche Lasten trägt. Dies auszuverhandeln ist mit dem Bundeskanzler leider nicht gelungen.“ Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte die Milliarde Euro einen „Tropfen auf den heißen Stein“.
Vier Länder ließen ihre Kritik im Papier festhalten
Gemischt fielen auch die Reaktionen der Lokalpolitiker*innen aus. Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) nannte den Gipfel gegenüber der Rheinischen Post eine „ziemliche Enttäuschung“ und sagte weiter: „Wir brauchen Planungssicherheit. Die bekommen wir nur mit einer dauerhaften Regelung zur Finanzierung der Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten, die sich steigenden Zuzugszahlen anpasst.“ Der Bürgermeister von Wittenberge und Präsident des Städte- und Gemeindebunds, Oliver Hermann (parteilos) sagte dagegen: „Ich bin erst mal froh, dass sie sich überhaupt geeinigt haben.“
Seltener wurde am Donnerstag die geplante Verschärfung der Asylregeln angesprochen. Schon im Beschlusspapier hatten die CDU-geführten Landesregierungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern festhalten lassen, ihnen gingen die Verschärfung in der Flüchtlingspolitik nicht weit genug. „Es wäre notwendig gewesen, bei den Fragen von freiwilligen Aufnahmeprogrammen und der Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten weitergehende Beschlüsse zu fassen.“
Die Thüringer Landesregierung von Bodo Ramelow (Linke) ließ im Beschlusspapier ebenfalls Widerspruch festhalten, allerdings aus der entgegengesetzten Richtung: Es bedürfe fortschrittlicher Migrationspolitik „anstatt einer Reihe aufenthaltsrechtlicher Verschärfungen, der Verlagerung von Asylverfahren an die EU-Außengrenzen und weiterer Abschottungsmaßnahmen“.
Ähnliche Töne kamen am Donnerstag aus Schleswig-Holstein: Die dortige Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) sagte: „Die Scheinlösung, Asylverfahren an EU-Außengrenzen zu vollziehen, widerspricht dem deutschen Asylrecht und auch den europäischen Grundwerten. Im Übrigen entlastet dies die Kommunen nicht unmittelbar.“
Zahlreiche andere Landesregierungen duckten sich am Donnerstag bei dem Thema weg. Eine Sprecherin der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen bestritt gegenüber der taz zum Beispiel, dass es sich überhaupt um eine Verschärfung der Asylpolitik handele. „Im Kern geht es um eine konsequente Anwendung geltenden Rechts“, sagte sie. Andere Landesregierungen ignorierten Fragen der taz nach den menschenrechtlichen Konsequenzen der Bund-Länder-Beschlüsse gleich ganz.
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