Reaktionen auf Corona in Bremen: Osterferien verdoppelt

Ab Montag bleiben Schulen und Kitas in Bremen wegen Corona geschlossen. Notfallpläne gibt es nur für einige Eltern, viele Fragen bleiben offen.

laudia Bernhard (r), Gesundheitssenatorin, und Judith Gal, geschäftsführende Oberärztin der Notfallaufnahme am Klinikum Bremen-Mitte, stehen vor der neu eingerichteten Corona Ambulanz.

Vor der Ambulanz: Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (r),mit Oberärztin Judith Gal Foto: dpa

BREMEN taz | Theaterabsagen und Geisterspiele waren nur Vorgeplänkel, jetzt ist der Corona-Ausnahmezustand in Bremen angekommen. Ab Montag fällt die Schule aus und Kitas haben geschlossen – wie auch in Niedersachsen und den meisten anderen deutschen Bundesländern. Die Osterferien beginnen damit zwei Wochen früher. Die Maßnahme soll vorerst bis zu deren Ende am 14. April gelten.

Fast 122.000 Kinder und Jugendliche in Bremen und Bremerhaven sind betroffen. Kinder erkranken nur selten schwer am Coronavirus. In Kindertagesstätten und Schulen werden Viren allerdings schnell weitergegeben – auch ohne Krankheitssymptome können Kinder so zu Überträgern werden.

Auf eine Schließung der Schulen eingerichtet hatte man sich in der Gesundheitsbehörde schon seit Donnerstagmittag, so Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD). Dass es nun so schnell geht, habe man da aber noch nicht vorhergesehen – der Sinneswandel liegt an der neuen Risikoeinschätzung des Robert Koch Instituts. Beim Treffen der Regierungschefs von Bund und Ländern am Donnerstag stimmten die Länder mehrheitlich für flächendeckende Schulschließungen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Eine Notversorgung soll es geben: Die Kinder von Mitarbeiter*innen der Polizei, der Feuerwehr und des Gesundheitsbereichs können am Montagmorgen ganz normal in ihre Klassen oder Kitas kommen, wenn ihre Eltern keine alternative Betreuung finden. Die system- und vor allem krisenwichtigen Berufe sollen durch die Schulschließungen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Ob die Kinder in ihren Gruppen bleiben oder ob eine andere Betreuungsform gefunden wird, werde sich zeigen, wenn der Bedarf feststeht.

Kinder nicht zur Oma

Auch für Beschäftigte der Ver- und Entsorgung soll eine Sonderregel gefunden werden – die wird aber wohl erst am Dienstag beschlossen, bis dahin gilt für sie das Gleiche, wie für andere Arbeitnehmer*innen.

Die Auswirkungen wird man im ganzen Berufsleben spüren: Die Bildungssenatorin rät streng davon ab, Kinder bei Großeltern betreuen zu lassen – schließlich gehören die häufig zur Risikogruppe. Privat eine Gruppenunterbringung zu organisieren, widerspricht dem Sinn der Maßnahme. So bleibt vielen berufstätigen Eltern nur, selbst zu Hause zu bleiben. Der Senat appelliert an Arbeitgeber*innen, Kulanz zu zeigen. Klare Vorgaben macht die Landesregierung aber nicht.

Die Bremer Unternehmensverbände und die Handelskammer empfahlen am Freitag in einer gemeinsamen Presseerklärung den Betrieben und Beschäftigten, „gemeinsam individuelle Lösungen zu finden“. Das könne mobiles Arbeiten von zu Hause, der Abbau von Überstunden oder eine Freistellung bedeuten. „In einer Ausnahmesituation wie dieser kann es keine Pauschalrezepte geben“, heißt es.

Die Stadtverwaltung selbst gibt betroffenen Arbeitnehmer*innen Sonderurlaub. Alle anderen müssen kommen. „Es wird wesentliche Einschränkungen in der Handlungsfähigkeit der Verwaltung geben“, betont Bürgermeister Andreas Bovenschulte.

Die Sorgen von Betrieben könne er gut nachvollziehen. „Diese Maßnahmen werden äußerst negative Auswirkungen auf Konjunktur und Wachstum haben“, so Bovenschulte, „aber der Schutz der Gesellschaft hat oberste Priorität.“ Als Hilfsmaßnahme für die Wirtschaft weitet der Bund das Kurzarbeitergeld aus, auch Überbrückungskredite soll es geben. Reichen werde das nicht, so Bovenschulte, welche weiteren Schreitte folgen, müsse sich noch zeigen.

Die Verantwortung des Einzelnen

Lehrer*innen sind nicht beurlaubt. Nicht nur, weil sie eventuell die Kinder der Gesundheitsmitarbeiter*innen betreuen (im Übrigen nicht: beschulen) müssen. Auf sie warten auch andere Aufgaben: Da Abschlussprüfungen auf mehr unterschiedliche Termine verteilt werden sollen, müssen mehr unterschiedliche Prüfungsaufgaben erstellt werden.

Unterdessen werden in Bremen weiterhin die meisten Veranstaltungen abgesagt. Events mit mehr als 1.000 Teilnehmenden sind ohnehin verboten, für alle mit mehr als 250 gilt die Allgemeinverfügung: Sie müssen angemeldet werden und besondere Auflagen erfüllen, etwa Zugang zu Waschbecken. Die Landesregierung appelliert an die Verantwortung des Einzelnen. „Jeder muss für sich entscheiden, was das eigene Risiko angeht, aber auch die Auswirkungen auf die Mitmenschen“, so Bovenschulte.

Viele Fragen bleiben vorerst offen – was passiert mit Kindern von Eltern, deren Arbeitgeber sie nicht über zwei Wochen freistellen (können)? Wie wird Bremen die Auswirkungen auf die Wirtschaft abfedern? Wird ein Besuchsverbot für Alten- und Pflegeheime ausgesprochen?

Dass es weitere Schritte gibt, ist wahrscheinlich, wie sie aussehen, das könne man in der dynamischen Situation noch nicht sagen, so der Bürgermeister. „Wir müssen die Dinge nach unseren Erfahrungen modifizieren. Wir können heute nicht alle Fragen klären.“

Bremen richtet sich auf mehr Corona-Fälle ein

Die Zahl der bestätigten Corona-Fälle lag Freitagmittag bei 42 – im Verhältnis zu seiner Größe ist Bremen damit überproportional betroffen, allerdings sind die meisten Erkrankten zuvor aus Risikogebieten eingereist.

Zwei Corona-Kranke sind im Krankenhaus – ihnen geht es laut Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard „verhältnismäßig gut“; die 40 anderen Infizierten seien weniger stark betroffen und lebten in häuslicher Quarantäne. Die Zahl der bestätigten Infektionen ist damit seit Donnerstag nicht gestiegen. Allerdings steht laut Bernhard auch noch „eine Welle von Testungen“ aus. „Wir richten uns auf steigende Zahlen ein.“

In Bremen stehen 350 Intensivbetten zur Verfügung. Schwerpunktmäßig sollen Corona-Infizierte in den Krankenhäusern Mitte und Ost versorgt werden. Geplante Operationen werden aktuell verschoben, um die Betten, Beatmungsmaschinen und auch das Personal für mögliche Corona-Fälle bereit zu halten.

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