Reaktion auf den IS-Anschlag in Suruç: Solidarität auf deutschen Straßen
In vielen Städten demonstrieren Kurden. Einige sehen auch die Bundesregierung in der Verantwortung. Deutsche Linke halten sich zurück.
In Düsseldorf gingen über 600 Menschen auf die Straße, in Berlin war die Teilnehmerzahl ähnlich. Für Samstag planen kurdische Organisationen eine Großdemonstration in Nordrhein-Westfalen. „Seit Jahren unterstützt der türkische Staat unter der Führung von Erdoğan und vor den Augen seiner westlichen Verbündeten den terroristischen Faschismus des IS“, heißt es im Aufruf von YXK.
Am Montag war in einem Kulturzentrum in der türkischen Grenzstadt Suruç ein Sprengsatz explodiert. Dort hatten sich Mitglieder einer sozialistischen Jugendorganisation versammelt, die im benachbarten Kobani in Syrien Aufbauhilfe leisten wollten. 32 Menschen starben. Hinter dem Anschlag soll der „Islamische Staat“ stehen.
Während in den letzten Monaten in Deutschland die Solidaritätsbewegung für die kurdische Autonomieregion Rojava stetig wuchs, hielten sich deutsche Gruppen nun eher zurück. Außer der Interventionistischen Linken war die Präsenz nichtkurdischer Gruppen am Montag gering. In Berlin sprach die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen: „In Suruç ging die Saat des AKP-Regimes auf, das in den IS investiert.“ Die Bundesregierung wende sich nicht entschieden genug gegen diese Haltung der türkische Regierung
Für viele gilt: „Jetzt erst recht“
Welche Konsequenzen das Attentat für deutsche Rojava-UnterstützerInnen haben wird, ist nicht absehbar. Eine Sprecherin des Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen (NAV-DEM) sagte der taz, für viele Gruppen gelte: „Jetzt erst recht. Sonst hätten die Attentäter ihr Ziel ja erreicht.“ Allerdings sei die Stimmung in der Türkei derzeit „hochexplosiv“. „Wir schauen natürlich genau darauf, wie es da jetzt weiter abläuft.“ Eine Delegation aus Deutschland werde am Samstag nach Istanbul reisen. Auch dort soll es eine Großdemonstration gegen islamistischen Terror geben.
Sevim DaĞdelen, DIE LINKE
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kondolierte dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu: „Wir sind verbündet im Kampf gegen den Terrorismus.“ Bundespräsident Joachim Gauck nannte den Anschlag eine „barbarische Tat“, die „Ausdruck einer menschenverachtenden Überzeugung“ sei.
Der kurdische Rechtshilfefonds Azadi warf der Bundesregierung vor, mit ihrer Kurdenpolitik „letztendlich den blutigen Terror des IS und die Verfolgungsstrategie des türkischen Staats“ zu unterstützen. Ungeachtet aller politischen Veränderungen halte Berlin an einer „repressiven, undemokratischen und längst nicht mehr nachvollziehbaren“ Vorgehensweise gegen Kurden fest. Erst am 18. Juli ließ die Bundesanwaltschaft einen 50-jährige Kurden verhaften: Er soll als PKK-Kader den Deutschlandsektor „Mitte“ geleitet haben. Azadi sprach von „alltäglicher“ Politikarbeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen