Reaktion auf Telekom-Spitzelaffäre: Schäuble gibt den Datenschützer
In der Telekom-Affäre strebt Innenminister Schäuble eine Selbstverpflichtung der Firmen zum Datenschutz an - und erwägt neue Gesetze.
BERLIN taz Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) entdeckt plötzlich den Datenschutz für sich: Am Montag bestellte er Vertreter der Telekommunikationsbranche zum Rapport, darunter Telekom-Chef René Obermann. Das Ziel: Die Branche solle sich zur Einhaltung des Datenschutzes selbst verpflichten - um Spitzelaffären wie bei der Deutschen Telekom künftig zu vermeiden.
Nach zwei Stunden standen die ersten Ergebnisse fest: Zunächst soll die Telekom den Fachverbänden Bitkom und dem Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten, kurz: VATM, ihre schon eingeleiteten Maßnahmen vorstellen. Anfang Juli sollen dann die Fachgremien der Verbände und Vertreter staatlicher Stellen wie der Bundesnetzagentur über weitere Schritte beraten.
Die Bundesregierung ließ zudem wissen, dass gesetzliche Neuregelungen als Konsequenz der Telekom-Affäre nicht in Frage kämen. Es müsse sorgfältig und ohne Hektik überlegt werden, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Dass sich die Telefonbranche kaum auf eine Selbstverpflichtung einlassen dürfte, zeigte schon die Teilnehmerliste: In Schäubles Ministerium kamen neben Telekomchef René Obermann nur der Branchenverband Bitkom und der VATM. Etliche Telefonfirmen, darunter Vodafone, Arcor, E-Plus, die spanische Telefonica und deren deutsche Tochter O2 hatten die Einladung ausgeschlagen.
Ein klares Zeichen dafür, dass sie die Überwachungsaffäre als Telekom-internes Problem betrachten. Deutliche Worte gab es allerdings auch vom Geschäftsführer des VATM, Jürgen Grützner. "Es gibt zertifizierte Sicherheitskonzepte, da gab es in zehn Jahren nie Probleme. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn bei der Telekom etwas schiefgeht", sagte Grützner vor dem Treffen. Nach Grützners Einschätzung hat die Telekom mit der illegalen Auswertung von Daten der gesamten Branche massiv geschadet. "Das Vertrauen ist erschüttert, darunter leiden auch Unternehmen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen."
Dass ausgerechnet Wolfgang Schäuble eine Datenschutz-Initiative startete, stieß in der Politik auf Kritik. SPD und Grüne verwiesen auf die zahlreichen sicherheitspolitischen Vorstöße Schäubles, wie die Vorratsdatenspeicherung oder die Onlinedurchsuchung. Besonders deutlich wurde der Datenschutzexperte der SPD-Fraktion, Jörg Tauss. Er warf Schäuble vor, alle Initiativen für einen besseren Datenschutz innerhalb der Koalition abgeblockt zu haben. "Mit seiner unsäglichen Parole, wer nichts zu verbergen habe, brauche auch vor Überwachung keine Sorge zu haben, hat er die Verlotterung des Datenschutzes eingeleitet", sagte Tauss.
Die Grünen forderten, das Parlament müsse sich mit der Spitzelaffäre befassen. Zu Schäubles Gesprächsrunde sagte der grüne Rechtsexperte Hans-Christian Ströbele der taz, es sei schon bemerkenswert, dass Unternehmen sich darauf verpflichten sollten, gesetzestreu zu handeln. Schäuble wolle sich mit der Einladung "vom Bock zum Gärtner machen".
Schließlich habe der Innenminister selbst jahrelang daran gearbeitet, den Datenschutz zu unterminieren. Für seine Forderung an Unternehmen, sich künftig freiwillig an Grenzen zu halten, dürfte er daher "nur ein mildes Lächeln erhalten".
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