piwik no script img

Razzia in türkischen Provinzen35 Gülen-Anhänger festgenommen

Zwei Tage nach dem Wahlsieg von Präsident Erdogan ist die türkische Polizei im ganzen Land gegen Anhänger seines Widersachers Fethullah Gülen vorgegangen.

Ihm werden Ambitionen auf einen Umsturzversuch nachgesagt: Fethullah Gülen. Foto: dpa

Ankara/Diyarbakir afp/rtr | Bei einer Razzia in 18 türkischen Provinzen sind am Dienstag nach Medieninformationen mindestens 35 mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen festgenommen worden, dem Ambitionen auf einen Umsturzversuch nachgesagt werden. Die Nachrichtenagentur Dogan meldete eine Polizeirazzia in der westlichen Küstenstadt Izmir. Unter den Festgenommenen sind demnach hochrangige Verwaltungsbeamte und Polizisten.

Der in den USA lebende Gülen und seine Anhänger in der Türkei zählten lange zu den Unterstützern von Präsident Recep Tayyip Erdogan und dessen islamisch-konservativer Regierungspartei AKP. Nach einem Zerwürfnis im Jahr 2013 ließ Erdogan mit Massenversetzungen und Entlassungen vor allem im Justiz- und Polizeiapparat tausende Gülen-Anhänger aus staatlichen Institutionen entfernen. Dabei ging es vor allem um Korruptionsvorwürfe gegen Regierungsvertreter.

Gülen, der ein großes Netz an Schulen, Unternehmen und Hilfsorganisationen leitet, wies die Beschuldigungen stets zurück. Es gilt als wenig wahrscheinlich, dass die USA ihn an die Türkei ausliefern, obwohl inzwischen ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. Wegen versuchten Staatsstreichs soll daher ab dem 6. Januar in Abwesenheit gegen Gülen verhandelt werden.

Vize-Ministerpräsident Yalcin Akdogan bestritt am Dienstag im türkischen Nachrichtensender NTV Beeinträchtigungen der Pressefreiheit. „Es gibt keinen Druck auf Medien, niemand muss in diesem Land schweigen“, sagte Akdogan. Am Montag hatte die Polizei zwei leitende Mitarbeiter einer Zeitschrift festgenommen, die den Sieg der regierenden islamisch-konservativen AKP bei der Parlamentswahl am Sonntag auf der Titelseite als „Anfang des Bürgerkriegs in der Türkei“ bezeichnet hatte.

„Abweichungen“ vom Gesetz und „Beleidigungen“ seien nicht zulässig, sagte Akdogan. In den vergangenen Wochen waren die Behörden wiederholt gegen Erdogan-kritische Medien vorgegangen. So wurde vor laufender Kamera der Sitz eines Medienkonzerns gestürmt und die Kontrolle über zwei Fernsehsender übernommen. Die Polizei setzte dabei Tränengas und Wasserwerfer ein.

Ein Toter bei Zusammenstößen

Im Südosten der Türkei ist bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und militanten Kurden am Dienstag ein Mensch getötet worden. Der 22-Jährige sei in der Stadt Silvan in der überwiegend von Kurden bewohnten Region erschossen worden, sagten Vertreter der Sicherheitskräfte. Angehörige der Jugendorganisation der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK hätten Gräben ausgehoben, um die Polizei aus einigen Stadtvierteln fernzuhalten. In mehreren Stadtteilen sei eine Ausgangssperre verhängt worden, Hubschrauber seien im Einsatz. Es handelt sich um die ersten tödlichen Zusammenstöße seit der Parlamentswahl am Wochenende.

Die islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bei dem Urnengang die absolute Mehrheit zurückgewonnen. Erdogan hat angekündigt, weiterhin gegen die PKK vorzugehen. Am Montag bombardierte das türkische Militär nach eigenen Angaben Stellungen der PKK im Irak.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Erdogan hält sich selbst für den Staat. Wenn es nach der türkischen Verfassung ginge, dürfte er gar nicht mehr im Amt sein. Seine Kritiker muss er zurecht fürchten. Er ist zu einem kleinen Diktator mutiert, der zunehmend die Kontrolle verlieren wird - das erklärt seine Nervosität.