Rauchverbot und E-Zigaretten: Man lutscht und lutscht
Das Rauchverbot ist ein Kotau vor der Schlechtigkeit. Mit der E-Kippe ist Nikotin zurück im Zimmer. Und dampfen klingt friedlicher als rauchen.
Das Rauchverbot ist eine Niederlage. Oh, da ist Überraschung auf dem Gesicht von Ihnen, Ihnen da in der ersten Reihe, ob dieser Sicht auf die Dinge? Sie hatten sich inzwischen daran gewöhnt, es als angenehm zu empfinden, im Restaurant das Wiener Schnitzel, den Szegediner Gulasch, das Zürcher Geschnetzelte zu genießen (man isst international), ohne sich dabei in einem Raucherabteil zweiter Klasse der Bundesbahn zu wähnen, wo Atmen eigentlich unmöglich war. Und dann wird gesagt, es sei eine Niederlage, dass es solch stinkende Höhlen nicht mehr gibt?
Aber ja, natürlich, so ist es: Das Rauchverbot ist eine Niederlage. Warum? Weil es ein Kotau ist vor der Achtlosigkeit. Kotau, der – ein Substantiv chinesischer Herkunft – den Dornseiff-Bedeutungsgruppen „Demut“ und „Kriecherei“ zugeordnet. (Was, Sie kennen Dornseiff nicht? Der hat die Wörter nach Bedeutungsgehalt unterteilt.) Aber vergessen Sie’s, man kann es auch pegidafähiger ausdrücken: Das Rauchverbot ist ein Bückling vor der Schlechtigkeit.
Im Ernst, wie konnte es kommen, dass diejenigen, die gegen die Raucher in Seminaren, in Büros, Restaurants und Redaktionsstuben aufbegehrten, den Nimbus von Spaßbremsen, Spielverderbern und uncoolen Kühen hatten? Rauchen war so was von Freiheit, Lässigkeit, „Was kostet die Welt“, egal, ob es allen, die nicht rauchten, den Atem verschlug, ob die, die nicht rauchten, den Lungenkrebs gerade mitinhalierten. Der Gestank in Klamotten, im Haar war dabei nur Petitesse. „Kissing a smoker is like licking an ashtray.“
Richtig, nach anfänglichem Stolpern nehm ich Fahrt auf.
Akzeptiert ist, wenn gefurzt, gerülpst und gespuckt wird – meistens können die Furzer, Rülpser und Spucker nichts dafür und ansteckend ist es wohl auch nicht, es sei denn, der Rotz wird einem ins Gesicht geschleudert. Jahrzehntelang versteckten sich die Raucher hinter diesem Nichts-dafür-Können, und ganz klar: Sie würden es weiter tun ohne das Rauchverbot. Zu denken, dass es nicht schön ist, den Nichtrauchern mit blauem Dunst die ausgeatmete Große-Welt-Attitüde überzubügeln, war zu schwer. Ein Gesetz musste her. Mit diesem wird die Achtlosigkeit amtlich und per Dekret entschuldigt. Und: Die Raucher sind jetzt Opfer. (Übrigens: Wenn ich von Männern spreche, meine ich auch Frauen.)
So beginnt Krieg
Mittlerweile planen Städte, New York, Köln, Malakka in Malaysia, das Rauchverbot auch auf Plätze, Spielplätze, und den ganzen öffentlichen Raum auszuweiten. Gut so. „Raucher ins Getto“ ist das Motto. Von alleine kommt kein rauchender Homo sapiens auf die Idee, sich mal umzugucken, wo er die Zigarette anzündet. Jetzt, wo in immer mehr Wohnungen nicht mehr geraucht werden darf, stehen sie in den Treppenhäusern. Das zieht schön in die Wohnungen der anderen. So beginnt Krieg.
Und da, diese Nachbarin, Sie kennen sie nicht? Diese Nachbarin raucht auf ihrem vorgesetzten Balkon. Der wölbt sich wie ein Bierbauch nach außen. Der innenliegende Balkon im Haus keine drei Meter daneben zieht sich als rachitische Brust in die Fassade hinein. Dummerweise ist das unserer. Wie es die Luftströmungslogik will, sind unser Balkon und die dahinter liegenden Zimmer damit Kamin und Aschenbecher für den Rauch der Nachbarin. „Könnte man nicht“, fragen wir die Nachbarin, „eine Klingel installieren, damit Sie uns vor jeder Zigarettenpause warnen und wir die Tür schließen können?“ (Wir lassen das Fremde nicht rein.)
„Quatsch mich nicht an“, sagt die Nachbarin. Und deren Tochter, die den Wortwechsel hört, mischt sich ein. „Eine Unverschämtheit, meiner Mutter das Rauchen zu verbieten! Meine Mutter kann rauchen, wann sie will. Drin geht nicht, da sind Kinder. Sie wollen meine Kinder vergiften.“ Da sind Sie baff, Sie da in der ersten Reihe, oder? Seither schaut die Nachbarin beim Rauchen nur geradeaus. Wir aber brüllen, sobald wir ihre Zigarette riechen, über die Balustrade: „Scheiße, die Olle raucht wieder.“ Nicht schön.
Ganze Landstriche vermint
Warum kommen Leute nicht auf die Idee, dass es normal ist, den Mitmenschen den Dreck nicht vor die Füße zu kippen? Und vom Dreck gibt es reichlich. Gerade wieder die Silvesterknaller. Warum sammeln die Knaller den Müll nicht ein? Sie, da vorne in der ersten Reihe, wissen Sie es? Sie schütteln den Kopf. Ich sag es Ihnen: Weil der, der im Krieg ist, seinen Schrott liegen lässt. Ganze Landstriche sind vermint.
Der Dreck ist immer der Dreck der anderen. Schon mal überlegt, warum sich kaum ein Autofahrer oder Vielflieger über den Dreck aus dem Auspuff Gedanken macht, sobald er am Steuer oder in der Business Class sitzt? Daheim vielleicht schon, aber nicht in Aktion. „Fasten your seatbelts.“ Klar, die Hersteller. Es sind immer die anderen. Schon mal überlegt, warum es für jeden Autofahrer klar ist, dass ihm auch ein Parkplatz zusteht? Schwupp, weg ist der Platz, auf dem man gehen, auf dem was wachsen könnte. Aber das geht jetzt zu weit, das ist outdoor.
Jetzt gibt es eine neue Entwicklung: Die Elektrozigarette macht dem Glimmstängel den Garaus. Die Elektrozigarette ist sehr, sehr cool. Fällt kaum auf. Sieht aus, als lutsche man an einem Kuli. Und? Schon gemerkt? Man lutscht im Seminar, im Büro, in der Redaktionsstube, im Restaurant. Über die gesundheitlichen Folgen weiß man nichts Genaues.
Über das, was da in die Luft vaporisiert, auch nicht. Das werden wir erst in ein paar Jahren erfahren. Rauchen heißt jetzt nur noch dampfen. Das klingt friedlicher. Dampfen – Verb, morphologisch abgeleitet von dämpfen – den Dornseiff-Bedeutungsgruppen „Mäßigung“, „Schweigen“ und „Demut“ zugeordnet. Demut? Dann passt es ja zum Kotau.
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