Rassistischer Fragebogen in Rendsburg: Müll, Drogen, Migrationshintergrund
Rendsburg will wissen, wie sicher sich Bürger:innen fühlen. Zwischen Müll und Wracks als Problem tauchen „Menschen mit Migrationshintergrund“ auf.
Die Kreisstadt Rendsburg befragt ihre Bürger:innen, wie sicher sie sich fühlen. Eine der Fragen nennt neben Müll, leerstehenden Gebäuden oder „nichts tuenden Jugendlichen“ auch „zu viele Menschen mit Migrationshintergrund“ als „Problem“. Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein spricht von „demaskierender Fragestellung“. Aufgrund der taz-Anfrage solle die Formulierung geändert werden, teilt das Innenministerium mit.
„Mir ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen bei der Gestaltung unserer Stadt und der Verbesserung des Sicherheitsgefühls“, sagte Bürgermeisterin Janet Sönnichsen (parteilos) bei der Veröffentlichung des Fragebogens. Er wurde an 4.700 zufällig ausgewählte Personen geschickt und auf der Homepage der Stadt veröffentlicht, sodass alle Interessierten mitmachen können.
Rund 30.000 Menschen leben in Rendsburg, für Schleswig-Holstein mit seiner kleinteiligen Gemeindestruktur ist das eine größere Mittelstadt. Es gibt einen Hafen am Nord-Ostsee-Kanal, der Bauernverband und die Bibliothekszentrale haben ihre Sitze in der Stadt. Zu den größeren Arbeitgebern gehören die kriselnde Nobiskrüger Werft und das Diakonische Werk. Tourist:innen kommen, um sich die Schwebefähre unter der Kanalbrücke anzuschauen. Kulturinteressierte pilgern zur Nord-Art in der Nachbarstadt Büdelsdorf.
Doch es gibt Probleme, unter anderem in Mastbrook, einem Stadtteil mit überdurchschnittlich vielen „problembehafteten Familien mit Sozialhilfebezug“, wie es im Behördensprech eines städtebaulichen Berichts heißt. Ausgerechnet in Mastbrook schloss im Sommer 2023 ein Jugendtreff.
Probleme mit Jugendlichen
Im selben Jahr vermeldet die lokale Landeszeitung vermehrt Überfälle oder Prügeleien, an denen Jugendliche beteiligt waren. Insgesamt über 400 Taten, die Kindern, Jugendlichen oder Heranwachsenden zugeschrieben werden, verzeichnete die Rendsburger Polizei für 2023. Landesweit haben laut Polizeistatistik solche Taten zugenommen, Rendsburg liegt unter den Mittelstädten auf dem ersten Platz.
Die Jugendgewalt-Statistik ist nur ein Grund unter mehreren, mal zu „fragen, wo den Leuten der Schuh drückt“, sagt Rathaus-Sprecherin Dana Frohbös. Hinter der Umfrage zum Sicherheitsgefühl steht der Kommunale Präventionsrat der Stadt Rendsburg (KPR), einem Gremium, in dem Beschäftigte der Stadtverwaltung mit Vertreter:innen von Amtsgericht, Polizei, Schulen, Kitas, Jugendarbeit, Seniorenrat, Behindertenbeauftragten, Sport und Vereinen wie dem Weißen Ring zusammensitzen.
„Wir wollten nicht jedem Facebook-Post hinterherjagen oder Maßnahmen anfangen, weil es grade Fördermittel gibt, sondern eine Basis haben, auf der wir aufbauen können“, sagt Frohbös.
Verantwortungslose Meinungsmache
Der Fragebogen fragt unter anderem nach eigenen Erlebnissen: „Wurde Ihnen etwas gestohlen, wurde etwas beschädigt? Wie oft sehen Sie Streifenwagen?“ Neben den Fakten geht es um das Gefühl: „Schränken Sie Aktivitäten ein, weil Sie Angst haben? Haben Sie Bedenken, Opfer einer Straftat zu werden?“
Dann kommt jene Frage, die „zu viele Menschen mit Migrationshintergrund“ gemeinsam mit „Müll, Autowracks, Haustürgeschäften“ als „Problem“ beschreibt. Es werden mehrere Personengruppen benannt, darunter „sich langweilende Jugendliche“ und „Betrunkene“. Durch die Zusätze ist immerhin benannt, warum sie ein „Problem“ darstellen könnten. Bei den „Menschen mit Migrationshintergrund“ braucht es offenbar keinen weiteren Grund.
Die Art der Frage „bedient unverhohlen klassistische und rassistische Voreingenommenheiten und bietet Weltanschauerlichkeiten ein Forum“, sagt Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein. Eine Verwahrlosung im öffentlichen Raum indirekt mit migrantischen Bevölkerungsgruppen in Zusammenhang zu bringen, sei eine „verantwortungslose Meinungsmache“.
Fragebogen stammt aus einem Handbuch
Grundsätzlich hält es Stadtsprecherin Dana Frohbös für richtig, das Thema Migration anzuschneiden: „Rendsburg hat einen überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil, und wir merken, wie viele andere Kommunen auch, dass Kitas, Schulen und Wohnungsmarkt an ihre Grenzen stoßen.“ Darüber zu sprechen und die Bürger:innen dazu zu befragen, sei legitim. „Aber es stimmt, die konkrete Formulierung könnte missverständlich sein.“
Der Fragebogen ist nicht in Rendsburg selbst entstanden, sondern stammt aus einem Handbuch des Landespräventionsrates mit dem Titel „Kommune beugt vor“. „Wir haben gedacht, das ist ein bewährtes Mittel, mit dem wir arbeiten können“, sagt Frohbös.
Auch der Landespräventionsrat, der dem CDU-geführten Innenministerium untersteht, ist nicht allein für den Fragebogen verantwortlich, sagt ein Ministeriumssprecher: „Daran waren mehrere Bundesländer beteiligt.“ Klar sei: „Es war mitnichten die Intention, mit einer Formulierung Ressentiments zu fördern.“ Nun solle bei einer Redaktionssitzung der Länder darüber gesprochen werden, wie sich der Satz ändern ließe.
Martin Link vom Flüchtlingsrat hat da schon mal eine Idee: „Die Frage könnte lauten: Sehen Sie es als Problem an, dass in Rendsburg zu viele Menschen mit Migrationshintergrund von der Gesellschaft sozial ausgegrenzt und mit Alltagsrassismus konfrontiert sind?“
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