Rassistische Kontrollen in Hamburg: Berufung wegen Racial Profiling

Die Hamburger Innenbehörde geht gegen ein Urteil wegen rassistischer Kontrollen vor. Der ursprüngliche Kläger erzielt einen Teilerfolg.

Ein Mülleimer mit der Aufschrift: "Rassistische Kontrollen stoppen"

Ein Mülleimer vor dem Oberverwaltungsgericht zeigt, wo rassistische Kontrollen hin gehören Foto: Katharina Schipkowski

Hamburg taz | Es war ein in Deutschland bis dahin einmaliger Erfolg, als das Verwaltungsgericht im November 2020 einem Schwarzen Menschen Recht gab, der wegen Racial Profilings gegen die Hamburger Innenbehörde geklagt hatte. Die Behörde wollte das so jedoch nicht stehen lassen und ging in Berufung. Am Mittwoch trafen sich der Kläger Barakat H. und die Ver­tre­te­r*in­nen der Innenbehörde also in der zweiten Instanz, am Oberverwaltungsgericht.

H. hatte vier Vorfälle angezeigt, in denen er in seinem Wohnviertel St. Pauli anlasslos von der Polizei kontrolliert worden war – wie es Schwarzen Menschen nahezu jeden Tag auf St. Pauli passiert. Das Gericht befand, dass in zwei der Situationen die Kontrollen rechtswidrig waren. Bei der dritten Situation hatte die Polizei das bereits selbst zugegeben, bei der vierten zog H. die Anzeige zurück.

Der Richter hielt in seinem Urteil fest, dass die Polizei auch an einem so klassifizierten „gefährlichen Ort“ nicht einfach so Pas­san­t*in­nen kontrollieren dürfe, es müssten zumindest gewisse Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr im Zusammenhang mit der kontrollierten Person vorliegen. Weil die Entscheidung mit dieser Begründung über den Einzelfall hinaus weise, große Bedeutung für die Hamburger Polizeipraxis hätte und das Polizeigesetz dementsprechend zukünftig anders, also viel enger, ausgelegt werden müsste, ließ das Gericht eine Berufung überhaupt zu. Dass Polizei und Innenbehörde die Gelegenheit wahrnehmen würden, kam wiederum nicht überraschend. Sie sind nicht gerade für eine aktive Fehlerkultur bekannt.

Die diskriminierende Praxis hat sich nicht verändert

Der Richter eröffnete das Verfahren, ohne den Sachverhalt erneut darzustellen – er ist ja allen Beteiligten bekannt, neue Beweise oder Umstände haben sich in der Zwischenzeit nicht ergeben. H. sagte gegenüber dem Richter, dass sich an der diskriminierenden Praxis noch immer nichts geändert habe. „Immer wieder kommt es vor, dass ich auf dem Weg nach Hause, zum Sport, vom Deutschkurs oder sogar vom Garten zum Haus kontrolliert werde“, sagte er. „Dabei habe ich nichts getan, sondern wohne einfach dort. Wie kann das sein?“, fragte er.

Die Ver­tre­te­r*in­nen der Polizei hatten schon in der ersten Instanz argumentiert, H. habe sich vor den Kontrollsituationen auffällig verhalten, als er die Beamten sah, indem er etwa seinen Schritt beschleunigt, sich ängstlich umgeguckt und an seiner Tasche herumgezippelt habe. Außerdem seien er und sein Freund, mit dem er auf dem Rückweg vom Sport und vom Supermarkt war, konspirativ eng aneinander gelaufen.

„Wir haben uns ganz normal unterhalten, während wir nebeneinander her liefen“, sagten dagegen H. und sein Freund Rasmus R. übereinstimmend aus. Dafür, den Schritt zu beschleunigen oder angesichts der Polizisten in Panik zu verfallen, habe es überhaupt keinen Grund gegeben, sagte R. Den Anblick der Polizei sei man auf St. Pauli schließlich gewohnt. H. habe lediglich die Schulter gewechselt, auf der er seine Tasche trug, als ihm die Supermarkteinkäufe und Sportsache auf der einen Seite zu schwer wurden.

Bis Redaktionsschluss war das Oberverwaltungsgericht noch nicht zu einem Urteil gekommen. Am späten Nachmittag erzielte H. aber einen weiteren Teilerfolg: Die Innenbehörde zog die Berufung bezüglich einer Kontrolle im April 2018 zurück. Damit ist jetzt offiziell anerkannt, dass die Kontrolle rechtswidrig war. Verhandelt wurde anschließend noch über die Situation, bei der H. mit R. auf dem Rückweg vom Sport gewesen war. H.s Anwalt, Carsten Gericke, sagte gegenüber der taz: „Ich erwarte, dass die Berufung auch in diesem Fall verworfen wird.“

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