Rassismusvorwurf am Staatsballett Berlin: Weiße Schminke für Schwanensee
Eine schwarze Tänzerin erhebt Vorwürfe gegen das Staatsballett Berlin. Im Training sei sie mehrfach rassistisch beleidigt worden.
Das Staatsballett Berlin ist von Problemen gebeutelt. Im Januar hatte sich die neue Doppelspitze in der Intendanz, Johannes Öhman und Sasha Waltz, nach nur einer Spielzeit wieder zurückgezogen. Dann kam Corona, und wie alle Theaterensembles konnte auch diese große Ballettcompagnie nur wenige Aufführungen im Herbst zeigen. Jetzt muss das Staatsballett, von Christiane Theobald kommissarisch geleitet, sich mit Vorwürfen des Rassismus auseinandersetzen.
Die französische Tänzerin Chloé Lopes Gomes wirft dem Staatsballett vor, von einer Ballettmeisterin, deren Namen nicht genannt wird, mehrfach im Training mit rassistischen Bemerkungen kleingemacht worden zu sein und von dem Intendanten Johannes Öhman keinen genügenden Schutz erfahren zu haben. Chloé Lopez Gomes ist die erste und einzige schwarze Tänzerin in einem 90-köpfigen Ensemble, in dem 30 Nationen vertreten sind.
Zum Ende der nächsten Spielzeit, im Sommer 2021 läuft der Vertrag von Lopez Gomes aus. Dass er nicht verlängert wurde, sich keiner der Ballettmeister:innen für sie einsetzte, nahm sie zum Anlass, an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Spiegel berichtete in einem großen Artikel, in dem weitere Ensemblemitglieder die Vorfälle bestätigten.
Zu den rassistischen Kränkungen gehörte auch, dass sich Lopez Gomes für das romantische Ballett „Schwanensee“, in dem der weiße Schwan das Gute und der schwarze Schwan das Böse verkörpert, für die Teilnahme an den synchron tanzenden Reihen der Schwäne weiß schminken sollte. Das verlangte die Ballettmeisterin, Öhman widersprach, als er ging, brachte es die Trainerin erneut auf.
Schwarze Tänzer:innen sind selten im Ballett
Tänzer:innen aus Asien gibt es in vielen Ballettcompagnien in großer Zahl, schwarze Tänzer:innen im Ballett dagegen sind noch immer selten, selbst in den USA. In der Pariser Oper haben fünf Tänzer:innen zusammen im Herbst ein Manifest über die „Rassismusfrage an der Pariser Oper“ aufgesetzt und fordern einen Raum, mit ihren Erfahrungen von Rassismus gehört zu werden und einen anderen Umgang zu finden. Auch dort ging es um die Frage des Schminkens und um diffamierende Anrede.
Chloé Lopes Gomes begründet ihren Weg an die Öffentlichkeit in einem Arte-Beitrag auch mit der Bewegung Black Lives Matter und dem Gedanken, „dass kleine schwarze Mädchen, die klassische Tänzerin werden wollen, nicht denken sollen, dieses Metier sei für sie verboten.“
Interimsintendantin Christiane Theobald ist seit mehr als dreißig Jahren an der wechselvollen Geschichte der Berliner Ballette beteiligt. Sie will erst Anfang Oktober von den Vorwürfen erfahren haben und sei sehr erschrocken. In einem Brief an die Belegschaft schrieb sie, Rassismus werde nicht toleriert, ein Workshopprogramm ist in Arbeit.
In der Welt des Balletts spielen nicht zuletzt dessen Liebhaber eine große Rolle und die sind der Diversität gegenüber, zumindest was die Queerness angeht, sehr aufgeschlossen. Die New Yorker Compagnie Les Ballets Trockadero, in den 1960er Jahre von Amateuren gegründet, war ein Teil der amerikanischen Schwulenbewegung. Hier tanzten Männer mit Brustbehaarung im Dekolletee „Schwanensee“ auf Spitze.
Warum das hier anführen? Das Ballett entspricht seit Jahrzehnten nicht mehr seinem Klischee. Aber wenn in einer Institution wie dem Staatsballett auf der Ebene, wo die Körper trainiert werden, noch dieses Klischee spukt, in dem die Synchronität der Bewegung mit einer körperlichen Norm gleichgesetzt wird, dann hat sie ein Problem.
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