Rassismus in der Schweizer „Weltwoche“: Weniger Leser? Mehr hetzen!
Die Schweizer „Weltwoche“ ist unter Chefredakteur Roger Köppel zum Kampfblatt verkommen. Zum aktuellen Titel hagelt es Anzeigen wegen Volksverhetzung.
Klaus Kamolz dachte erst, es sei ein schlechter Witz. Der österreichische Journalist schaute sich vergangene Woche irritiert das Titelbild der Schweizer Weltwoche an. Und staunte. Ein verschmutzter Junge hält eine Pistole und zielt direkt auf den Leser, darunter die Schlagzeile: „Die Roma kommen: Raubzüge in der Schweiz“. So etwas kann nur misslungene Satire sein, dachte Kamolz. Als ihm aber klar wurde, dass dies alles kein Spaß sei, ging er am Freitag auf eine Wiener Polizeiwache und erstattete Anzeige wegen Volksverhetzung. „Diese Pauschalverurteilung ist eine unglaubliche Schweinerei“, kritisiert Kamolz.
Er ist nicht der Einzige, der sich über das Titelbild des Magazins aufregt. In der Schweiz, in Österreich und in Deutschland sind Anzeigen gegen die Weltwoche eingegangen. „Die Verantwortlichen betätigen sich als geistige Brandstifter für Gewalt gegen Roma“, kritisiert Dirk Stegemann.
Der Berliner Initiator des Bündnisses „Rechtspopulismus stoppen“ hat ebenfalls am Freitag Strafanzeige gestellt, genau wie Michele Meyer aus Basel. „Es wird offen gegen eine Minderheit gehetzt. Gestern die Muslime, heute die Roma. Wer ist als Nächstes dran?“, fragt Meyer. Die in der Schweiz lebende Schriftstellerin Sibylle Berg bezeichnet das Magazin als „den neuen Stürmer“.
Meistdiskriminierte Gruppe in Europa
Philipp Gut, stellvertretender Chefredakteur der Weltwoche und Koautor des Textes, verteidigt sich: „Das Coverbild symbolisiert den Umstand, dass Roma-Banden ihre Kinder für kriminelle Zwecke missbrauchen.“ In der dazugehörigen Reportage mit dem Titel „Sie kommen, klauen und gehen“ ist dann pauschalisierend von „Kriminaltourismus“ die Rede, bei dem „mit großer Geschicklichkeit und hoher Effizienz Geld, Schmuck und andere Wertgegenstände“ gestohlen werden. Ärgerlich sei vor allem, dass über diese Probleme kaum gesprochen werde: „Die Roma genießen offensichtlich eine Art Minderheitenbonus“, kritisieren die Autoren.
Zu Unrecht: Denn die Roma gehören zu den meistdiskriminierten Gruppen in Europa, vor allem im Osten werden sie regelrecht gejagt. Erst am Wochenende, als der Internationale Tag der Roma gefeiert wurde, wurden bei romafeindlichen Ausschreitungen bei Belgrad mehrere Menschen verletzt.
„In der Presse kann man mittlerweile Sachen über Roma schreiben, die längst nicht mehr akzeptabel sind“, sagt Stephane Laederich, Sprecher der „Rroma Foundation“ in Zürich, und schiebt hinterher: „Wenn man das Wort Roma durch Juden ersetzen würde, dann würde sich niemand trauen, diese Artikel zu drucken.“ Die Stiftung prüft noch, ob sie Strafanzeige wegen des Bildes stellen wird. „Dieses Cover ist ein klarer Fall von Rassismus“, so Laederich.
Tatsächlich handelt es sich schon lange nicht mehr nur um streitbare Positionen, die Grenzen im Meinungskampf hat Chefredakteur Roger Köppel schon mehrfach überschritten. Diesmal aber ist Köppel auf dem schmalen Grat zwischen Populismus und Fremdenfeindlichkeit rechts abgebogen.
Als antifaschistische Zeitung gegründet
Der studierte Philosoph begann seine Karriere als Sportredakteur bei der Neuen Zürcher Zeitung, ab 2001 war er zum ersten Mal Chefredakteur der Weltwoche. 2004 folgte ein kurzes Deutschland-Intermezzo, Köppel ging als Chefredakteur zu Springers Welt. Ende 2006 folgte die Rückkehr zur Weltwoche, die er dabei gleich kaufte. Politisch agiert Köppel seither so hart wie nie zuvor.
Dabei wurde die Weltwoche 1933 als antifaschistische Zeitung gegründet, das Blatt war lange eine Bastion des linksliberalen Qualitätsjournalismus. Für Köppel untragbar: „Für mich war die Weltwoche da angelangt, wo sie nie hätte anlangen dürfen, nämlich im linksliberalen Mainstream.“
Deswegen stellt sein Blatt den Koran in eine Reihe mit Hitlers „Mein Kampf“, warnt vor einer „schleichenden Selbstabschaffung“ Europas und titelt „Schwarze in der Schweiz. Die dunkle Seite der Zuwanderung aus Afrika“. Köppel selbst sieht sich „als eine intellektuelle Müllabfuhr, die den Schutt wegräumen muss, damit man die Dinge wieder klar sieht“.
Doch seine mittlerweile vorhersehbaren Provokationen finden immer weniger Leser. Die Auflage der Weltwoche sank 2011 nach Zahlen der AG für Werbemedienforschung um 11 Prozent. Welche Schamlosigkeit wird er demnächst präsentieren? Welche Wahrheit nun verzerren?
Das aktuelle Foto jedenfalls wurde 2008 von dem italienischen Fotografen Livio Mancini im Kosovo aufgenommen. Das Kind auf dem Foto lebt mit seiner Familie auf einer giftigen Abfallhalde. Und spielt.
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