Rassismus in den USA: Die Enkel der Bewegung
Junge schwarze AktivistInnen mobilisieren gegen Polizeigewalt und Rassismus. Sie sind wütend und ihre Aktionsformen sind vielfältig.
NEW YORK taz | Zehn Wochen und drei Tage nachdem er den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown an einem Samstagnachmittag auf offener Straße in Ferguson erschossen hat, kann Polizist Darren Wilson auf seine Rehabilitierung hoffen: Sowohl die Grand Jury, die in Missouri hinter verschlossenen Türen tagt, als auch die ErmittlerInnen des Justizministeriums in Washington haben bislang nichts gefunden, was zu einer Anklage gegen den Todesschützen reichen würde.
Die ursprünglich für Mitte Oktober anvisierte Veröffentlichung ihrer Untersuchungsergebnisse haben sie allerdings auf die Zeit nach den Kongress- und Gouverneurswahlen am 4. November verschoben. Derweil werden die Jugendlichen, die seit dem 9. August täglich in Ferguson demonstrieren, immer wütender und politischer. Einer ihrer neuen Slogans lautet: „Das ganze verdammte System ist schuldig.“
Unmittelbar nach dem gewaltsamen Tod des 18-jährigen Michael Brown hatten DemonstrantInnen die letzten Worte und Gesten des Toten zu ihrem Schlachtruf gemacht: „Hands up. Don’t shoot“. Damit waren sie durch die Straßen rund um den Canfield Drive gezogen, wo die Leiche des von sechs Kugeln getroffenen Teenagers viereinhalb Stunden auf dem Asphalt lag, bevor die Polizei die Bergung erlaubte.
Sie veranstalten Sit-ins vor der örtlichen Polizei, die mit ausgemustertem Irakkriegsgerät gegen die DemonstrantInnen vorgegangen war. Sie unterbrechen ein Symphoniekonzert im benachbarten St. Louis mit einem „Requiem for Mike Brown“. Sie halten bei einem Football-Spiel der Rams das Transparent: „Black Lifes matter“ hoch. Und sie blockieren vorübergehend drei Zweigstellen von Walmart, nachdem eine andere Kammer in Ohio entschieden hat, dass ein Polizist, der einen jungen Schwarzen im Inneren eines Walmart in Dayton erschossen hat, nicht vor Gericht kommt.
„Das ist eine Rebellion“, stellt Osagyefo Uhuru Sekou in New York fest, „es ist das erste Mal seit 50 Jahren.“ Die AkteurInnen in Ferguson sind extrem jung, sie sind politische Neulinge und mehrheitlich schwarz. Die Bürgerrechtsbewegung der frühen 60er Jahre kennen sie allenfalls aus den Geschichtsbüchern.
Ziviler Ungehorsam funktioniert
Die Newcomer von Ferguson haben es geschafft, sämtliche nationalen Medien und die Prominenz unter den schwarzen BürgerrechtlerInnen aufzuwecken. Mehrfach haben sie nationale Protesttage gegen Polizeigewalt organisiert. Und diesen ganzen Monat über laufen ihre Aktionen zivilen Ungehorsams.
Zugleich haben die jungen AkteurInnen der neuen Bewegung ihre Einsamkeit erlebt. Trotzig halten sie dagegen, dass sie weitermachen werden: „Wir sind jung. Wir sind stark. Wir demonstrieren jeden Tag.“ Mehr als auf die traditionellen schwarzen Netzwerke – Kirchen und Bürgerrechtsgruppen – setzen sie auf ihre eigenen Mittel: Rap-Musik. Twitter und Facebook.
Auch von der Demokratischen Partei in Missouri fühlen sie sich im Stich gelassen. Der demokratische Gouverneur hatte Anfang August die Nationalgarde nach Ferguson geschickt. Ein demokratischer Jurist leitet die Ermittlungen. Demokratische LokalpolitikerInnen halten sich bedeckt. Schon rufen einzelne AktivistInnen auf, den Demokraten im November die Stimmen zu versagen. Die Mehrheit der AktivistInnen ignoriert den Wahlkampf. Viele haben sich auch nach Michael Browns Tod nicht in das Wählerregister eingetragen.
Die Grand Jury – die mit neun weißen und drei schwarzen Geschworenen besetzt ist – hat nach Recherchen der New York Times herausgefunden, dass der Polizist und der Teenager miteinander gerungen hatten, bevor der Polizist schoss. Damit ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Polizist Wilson, der gegenwärtig bei vollem Lohn zu Hause sitzt, straffrei ausgeht. Aus Angst vor der Wut, wenn die Grand Jury diese Entscheidung bekannt gibt, haben mehrere Walmart-Filialen in der Region den Verkauf von Munition eingestellt.
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