Rassismus im Fußball: Lok steht leider noch auf dem rechten Gleis
Der rassistische Vorfall um den Schalker Christopher Antwi-Adjei ist keine große Sache? Moment! Doch, ist sie.
E s lief die 13. Minute im Spiel Lok Leipzig gegen Schalke 04, erste Runde DFB-Pokal, als Christopher Antwi-Adjei zum Einwurf schritt, kurz stutzte und sich dem Linienrichter zuwandte. Daraufhin unterbrach Schiedsrichter Max Burda die Partie und besprach sich mit den beiden Kapitänen: Christopher Antwi-Adjei war von den Rängen rassistisch beleidigt worden. Er selbst sagte hinterher: „Ich wollte aus der Geschichte nichts Großes machen, aber tolerieren wollte ich es auch nicht.“ Wer dann tatsächlich etwas Großes daraus machte, war das Leipziger Publikum: Für den Rest des Spiels wurde Christopher Antwi-Adjei bei jeder Ballberührung ausgepfiffen.
Wer auch keine große Sache daraus machen wollte, war Lok Leipzig selbst. Pressesprecher Carsten Machulle verfiel während eines Halbzeit-Interviews in die „Nix genaues weiß man nicht“- Masche: „Wir haben einen Mitarbeiter, der ist Rollstuhlfahrer, der sitzt genau oder fast an der Stelle, wo der Spieler gestanden hat. Der hat nichts gehört. Auch der Linienrichter, der ja bei dem Einwurf logischerweise in der Nähe steht, hat wohl auch nichts gehört.“
Es wäre zu einfach zu sagen, dass bei Lok Leipzig allgemein eine Kultur des Wegsehens herrscht. Es gibt sicher immer wieder Initiativen und auch engagierte Einzelpersonen, die sich gegen Nazis stellen. Bei Lok Leipzig aber haben sich rechtsextreme Kräfte derart in die Identität des Clubs gefräst, dass es schwierig wird, sich eine Kehrtwende vorstellen zu können. Das beginnt zu DDR-Zeiten: Seit dem Angriff auf Fans von Chemie Leipzig 1983 gilt Lok als der härtere, brutalere Club, und hat damit ein entsprechendes Klientel angezogen. Nach der Wende wurde der Schlachtruf „Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten“ zum Erkennungszeichen.
Lok Leipzig, das zwischenzeitlich VfB Leipzig geheißen hatte, ging 2004 bankrott und wurde von den Fans neu gegründet. Eines der Gründungsmitglieder war Nils Larisch, der auch das Leipziger NPD-Zentrum leitete. Ausgeschlossen wurde er erst 2007, durfte aber vor Heimspielen am Eingang Werbung für die NPD machen. Als 2006 Fans auf den Stadionrängen ein menschliches Hakenkreuz bildeten, sagte der damalige 1. Vorsitzende und Ex-Hool Steffen Kubald: „Die wollten das Präsidium ärgern. Und nur mit viel Fantasie ist da ein Hakenkreuz zu erkennen.“
Lange Liste
Die Liste der Skandale um rechtsextreme Interventionen bei Lok ist lang und ließe sich beliebig fortsetzen. 2018 entließ der Verein zwei Jugendtrainer, weil einer der beiden die B-Juniorenmannschaft für ein Foto dazu gebracht hatte, mit dem Hitlergruß zu posieren.
Innerhalb der Fanszene und auch innerhalb des Vereins gibt es zwar durchaus Bestrebungen, die Nazis loszuwerden, aber die Grundstimmung bleibt chauvinistisch und rassistisch. Noch viel deutlicher als die Beleidigung Christopher Anti-Adwejs zeigt sich das in den anschließenden Pfiffen gegen ihn. Schalke-Trainer Miron Muslic hat das im Anschluss ganz gut zusammengefasst: „Ich glaube, das ganze Stadion hatte ein Gefühl dafür, was passiert ist. Trotzdem pfeift das Stadion. Das ist dann keine Einzelperson. Das will ich klarstellen. Das ist das Allerletzte.“
Lok Leipzig hat immerhin nach der Partie ein kleines bisschen Rückgrat wiedergefunden und sich über die offiziellen Kanäle bei Christopher Anti-Adwej entschuldigt; allerdings auch da die Ausfahrt „bedauerlicher Einzelfall“ genommen: „Diese eine Stimme“, so heißt es im Statement, „hat einen Schatten auf einen sonst wundervollen Fußballnachmittag geworfen.“ Ganz so, als hätte es die vielen Pfiffe im Anschluss nicht gegeben. Das grenzt an Realitätsverleugnung. Und wer das Problem nicht erkennt, wird es auch nicht bekämpfen können – sofern er es überhaupt bekämpfen will.
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