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Räumungsklage gegen 84-jährigen BerlinerLasst den Mann(e) in Ruhe

Anastasia Zejneli
Kommentar von Anastasia Zejneli

In der Steinbergsiedlung in Tegel steht für Manfred Moslehner die Zwangsräumung bevor. Ein Fall, der zeigt, wie perfide Immobilienfirmen handeln.

Demonstration der Nachbarschaftsinitiative: Auch Manne (mit blauer Kappe) ist dabei Foto: Anastasia Zejneli

W enn Manfred „Manne“ Moslehner aus seiner Wohnung geworfen wird, dann bedeutet das sein Ende. Das weiß er, das wissen seine Nach­ba­r*in­nen und das weiß auch die private Investorengruppe, die ihn zwangsräumen will.

Der Fall in der Steinbergsiedlung in Tegel bestätigt, was wir alle längst wissen: Wenn es um Profit geht, ist das Einzelschicksal egal. Ist die Miete zu günstig, muss der alte Vertrag weg und ein*e neue Mie­te­r*in­ in die Wohnung rein.

Moslehner, 84 Jahre alt, grauer Bart, Brille, schlecht auf den Beinen, kämpft gemeinsam mit seinen Nach­ba­r*in­nen seit knapp zehn Jahren um friedvolle letzte Jahre in der Kleinhaussiedlung im Norden Berlins.

Denn wenn es nach dem Amtsgericht Weding geht, soll er in drei Monaten seinen Geburtsort verlassen haben. Es ist eine weitere Schleife in einem nicht endenden Prozess, der Moslehner psychisch und physisch zermürbt. Er fährt nicht mehr mit dem Rad zum Einkaufen, verschenkt seine CD-Sammlung an die Nachbar*innen. Muss so mit einem alten Mann umgegangen werden?

Hauptsache, das Geld stimmt

Für die Investoren zählt am Ende nur das Geld. Aus der Siedlung am Steinberg sollen die „Stonehill Gardens“ werden. Nach der Sanierung der Häuser sollen die Mieten um bis zu 300 Prozent steigen. Laut ihrer Website hätten sich die Gebäude in einem jahrelangen „Dornröschenschlaf“ befunden, aus dem sie das Unternehmen nun herausholen will. Ob sich die Jahre mit drohenden Kündigungen für die An­woh­ne­r*in­nen wie ein Märchen anfühlten?

Die meisten von ihnen sind in Rente, der Altersdurchschnitt liegt bei über 80 Jahren. Und trotzdem konnte das Unternehmen, das die Häuser 2010 von der einstmals landeseigenen, zu diesem Zeitpunkt aber längst an private Investoren verhökerten Wohnungsbaugesellschaft GSW übernahm, nicht warten.

Kündigung, Mahnung, Zwangsräumung: Das alles, um ein paar ältere Menschen in ihren letzten Lebensjahren aus der Wohnung werfen zu können. Bei einigen hat es bereits funktioniert: 20 der 38 Immobilien sind modernisiert und verkauft, ehemalige An­woh­ne­r*in­nen zogen aufgrund des Drucks aus oder verstarben.

Keine Alternativen für Moslehner

Moslehner in eine Wohnung in einen anderen Kiez umzusiedeln, so wie es die Investoren vorgeschlagen haben, hätte bedeutet, ihn aus seinem gewohnten Umfeld zu werfen, ohne die Nachbarschaftshilfe, die in den vergangenen Jahren nötig geworden war. Verständlich, dass er das Angebot abgelehnt hat.

Auch wenn es sich um Einzelschicksale handelt, lohnt es sich, auf die Missstände aufmerksam zu machen. So konnte zum Beispiel Geld für Moslehner gesammelt werden: Um während der geplanten Berufung gegen das Urteil in der Wohnung bleiben zu können, muss der 84-Jährige, der weniger als 1.000 Euro Rente im Monat hat, knapp 4.300 Euro hinterlegen. Eine Summe, die durch den solidarischen Spendentopf des Vereins Sanktionsfrei gedeckt werden soll.

So wie hier ist es wichtig, dass sich größere Bündnisse mit Nachbarschaftsinitiativen vernetzen. Etwa an diesem Samstagnachmittag, wenn das Bündnis Betongold und andere unter dem Motto „Der Kiez hat Eigenbedarf“ durch Kreuzberg paradieren. Denn am Ende wollen alle Mie­te­r*in­nen nur das eine: dass ihnen Investoren gefälligst vom Leib – und von der Wohnung – bleiben.

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Anastasia Zejneli
Autorin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
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1 Kommentar

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  • Total lost in unseren Städten und unserem Staat. Beschämend, dass sich in diesem Fall wohl kein Kiezpolitiker für den Wähler einsetzt und die Stadtteilverwaltung oder der Abgeordnete wenigstens selbst für die Hinterlegung aufkommt. Vermutlich gilt für die Stadtteilabgeordneten "verkauft ist verkauft und jetzt endlich raus", damit der Käufer endlich zu seinem Profit kommt. Kein Wunder warum sich immer mehr Wähler von der lebensfremden Politik abwenden und immer mehr von ehrenamtlich aktiven Wählern abhängig sind, um mit der "kalten" Verwaltung klar zu kommen. Die Ehrenamtlichen erhalten dann für ihr Engagement einen "warmen" Händedruck und ein Dankeschön der lebensfremden Abgeordneten, damit das Gewissen wieder beruhigt ist.



    Möglicherweise floss auch noch Parteispende, wegen des guten Deals. Da will die Partei doch niemand vergraulen. Von dem Rentner erwartet die Partei keine Spende mehr - eine Wählerstimme, na ja wohl eher nicht.