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Räumungen im Dannenröder ForstDie Schneise im Wald wächst rasant

Die Räumungen im Dannenröder Forst gehen schneller voran als von den Aktivisten angenommen, die meisten Baumhausdörfer sind schon weg.

Räumung von Baumhausdörfern Ende November im Dannenröder Forst Foto: Tobias Hirsch/dpa

Dannenrod taz | Die Räumungen im Dannenröder Wald nähern sich dem Ende. Von ehemals 13 Baumhausdörfern, die den Ausbau der A49 durch den alten Mischwald bei Dannenrod verhindern sollten, stehen am Dienstagmittag nur noch zwei und ein paar einzelne Baumhäuser. Die gerodete Schneise reicht von Norden und Süden direkt an die letzten beiden Baumhausdörfer „Unterwex“ und „Oben“ heran. Am Nachmittag sperrt die Polizei den Bereich weitläufig ab und beginnt mit der Räumung von „Unterwex“.

Während Meldungen über lebensgefährliche Situationen und von der Polizei verursachte Unfälle die Nachrichten aus dem mittelhessischen Wald in den vergangenen Tagen dominiert hatten, ging die Räumung nun schneller voran, als es zunächst ausgesehen hatte. Selbst das gut befestigte Barrio „Nirgendwo“ mit einer komplizierten, sargartigen Hängebarrikade im Inneren des Waldes räumte die Polizei innerhalb von zwei Tagen ab.

Einen 40 Meter hohen „Gigapod“, also eine Plattform auf einem Turm, der rund zehn Meter über die Baumwipfel hinausragte, räumte die Polizei gleich zweimal, nachdem er einmal wiederbesetzt worden war. Am Samstag hatten ihn die Besetzer*innen nach erfolglosen Räumversuchen der Polizei noch für „unräumbar“ erklärt.

Die Unterstützung für die wenigen in den Bäumen verbliebenen Besetzer*innen reißt unterdessen nicht ab. Eine Gruppe von über 60-Jährigen aus den umliegenden Dörfern und Kleinstädten stellte sich der Polizei am Montagfrüh in den Weg. „Wir können nicht mehr zu Hause sitzen und zugucken, während hier die Natur zerstört wird“, sagte Helmut Weick, Sprecher der Gruppe „A49 stoppen“. Zwei Polizist*innen hatten ihn aus dem Räumungsbereich getragen, weil er freiwillig nicht gegangen war. Danach schlossen sich die Ü60-Aktivist*innen den Parents for Future an, die zu einem Sternmarsch in den Wald mobilisiert hatten. „Es geht uns vor allem darum, die jüngere Generation zu unterstützen“, sagte Birgit Suelmann, eine aus Marburg angereiste Mutter. Dass sie konkret wenig ausrichten können, wissen sie – „es geht um das Symbolische“.

Viel zu verteidigen gibt es nicht mehr

Auch Ende Gelände mobilisiert für das kommende Wochenende noch Aktivist*innen in den Dannenröder Wald. Dass es dann nicht mehr viel zu verteidigen geben wird, wissen sie ebenfalls. Die Ende-Gelände-Sprecherin Ronja Weil erklärt: „Selbst wenn es keine Barrios mehr zu verteidigen gibt, gibt es immer noch viele weitere Ziele anzugreifen.“ Die Polizei gibt jeden Abend eine Bilanz des Einsatztages heraus, so zum Beispiel am Montag die Ingewahrsamnahme von 52 Personen, davon 45 wegen Ordnungswidrigkeiten.

Das ist ein normaler Schnitt im Vergleich zu anderen Tagen, aber doch mehr, als täglich aus dem Bäumen geräumt werden. Die Pressestelle der Polizei begründet die Ingewahrsamnahmen mit „Verstößen gegen die Allgemeinverfügung“ – die hessische Forstbehörde hatte im Oktober verfügt, dass alle Waldwege und das Unterholz im Bereich der Autobahntrasse für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und ihr Betreten eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Aktivist*innen berichten, dass sie auch mehrfach außerhalb der Trasse mit Platzverweisen belegt oder in Gewahrsam genommen wurden.

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5 Kommentare

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  • Es war uns klar das wir den Wald nicht verteidigen können bis in alle Tage!



    Das Verhalten der Pozelei tat ihr übriges, als Neuköllner ist mein vertrauen der Polizei gegenüber schon nie gut gewesen!



    Nach meinen erlebnissen im Herrenwald und Danni, besteht es nicht mehr! Es war oft als währen alle aggressiven und gewaltbereiten Polizisten dort gewesen, so nach dem Motto viel spass euch! Mehr als ein mal hätte ich am liebsten im gleichen zug geantworte!



    Aber das grund problem ist auch ein anderes wir stehen vor gewaltigen Problemen, aber in Berlin machen wir Lieber die Augen zu!



    Persöhnlich freu ich mich schon auf die Gesichter, wenn in Berlin der Wassernotstand ausgerufen wird, sind wir doch die letzten 3 jahre ganz knapp dran vorbeigeschlittert!



    Wer nur mal die Augen aufmacht, sich unsere Umwelt anschaut, der kann schon erahnen was da auf uns zukommt!



    Aber solange man nur darauf vertraut was uns durch Politik und Medien eingetrichtert wird, nach dem Motto, alles ist gut!



    Wird sich nichts ändern!

  • Ok. Sehen wir der Realität ins Auge: Hambi gewonnen, Dambi verloren, Jetzt können alle Aktivisten von den Bäumen runter, nach Haus, gründlich duschen, ausschlafen und dann auf nach Leverkusen. Dort gilt es zwar keine Bäume, sondern nur Menschen gegen das Schweinesystem zu verteidigen, aber der geplante Autobahnwahnsinn A1/A3 muss verhindert werden! Ein schönes Widerstandscamp wäre möglich am romantischen Silbersee im Eisholz (klingt kalt, aber verlockend) zwischen Müllverbrennung und Autobahnkreuz. Ich komm' dann auch ab und an vorbei und spendiere ein veganes Pittermännchen.

  • Die internationale Signalwirkung ist verheerend beschämend.



    Hiermit disqualifizieren wir uns, um glaubwürdig Kritik an Rodungen in Brasilien oder auch in den geschützten Urwäldern Polens zu übern.



    Und die Bilder der Polizeieinsätze unterscheiden sich nicht besonders von denen in Belarus, außer dass prügelnde Polizisten aus Belarus bei uns schneller ins Fernsehen kommen. Grob geschätzt sind seit vielen Wochen weit über 1000 Polizist:innen in furchterregender Kampfmontur im Einsatz mit schwerstem Gerät: Wasserwerfern, riesen Kränen, Räumpanzern, Stachel-/Natodraht, Elektroschockern... , die überwiegend jungen und ungeschützten Aktivist:innen gegenüberstehen und mit verletzender Gewalt die Interessen der Autoindustrie (Deutschlands heiliger Kuh) durchsetzen.



    Meine Fragen an die Polizist:innen: Waren solche Einsätze der Grund, dass Ihr Euch diesen Job gesucht habt? Ist dieser Einsatz mit Eurem Amtseid und mit Eurem Gewissen vereinbar?

    • @Jim Biehm:

      Es ist ziemlich beschämend, sich mit unterdrückten Menschen diktatorisch regierter Staaten zu vergleichen. Die einen (Ureinwohner) werden aus ihrem angestammten Lebensraum unberechtigt vertrieben (und ihrer Lebensgrundlage beraubt), indem man ihren Regenwald sinnlos niederbrennt, um Großgrundbesitzer von Rinderherden und Sojafeldern anzusiedeln. Die anderen gehen friedlich (unter Gefängnis- und Foltergefahr) gegen ihren despotischen Präsidenten protestieren.



      Hier nutzen AktivistInnen ihr staatlich zugesichertes Demonstrationsrecht dazu, ein (vielleicht nicht von allen Menschen gewolltes, durchaus kritikwürdiges) aber demokratisch beschlossenes Projekt in einer Art und Weise zu bekämpfen, dass (dem Staat verpflichtete) Ordnungshüter zu ungewünschtem Verhalten gezwungen und dann auch noch von den Wohlstandskindern beschimpft werden.



      Welch inakzeptabler Vergleich!

    • @Jim Biehm:

      Sorry Jim, aber das ist Jana aus Kassel in grün...