Rätselraten um Nordkoreas Diktator: Kim Jong Un wird wieder gezeigt
Wochenlang war Nordkoreas Machthaber abgetaucht. Gerüchte über seinen Tod kursierten. Das Regime in Pjöngjang setzt den Mutmaßungen vorerst ein Ende.
![Kim Jong Un zerschneidet ein recht breites rotes Band, an der Seite stehen Menschen, dahinter ein großes Wandgemälde der Düngemittelfabrik Kim Jong Un zerschneidet ein recht breites rotes Band, an der Seite stehen Menschen, dahinter ein großes Wandgemälde der Düngemittelfabrik](https://taz.de/picture/4123488/14/Kim_Jong_Un_in_der_Duengemittelfabrik-1.jpeg)
Die staatlich kontrollierten Medien hatten 20 Tage lang nicht mehr von öffentliche Aktivitäten des Machthabers berichtet, der nach Angaben Südkoreas 36 Jahre alt ist. Jetzt folgte sein inszenierter Auftritt vor jubelndem Publikum. Hunderte von Menschen, die einen Mundschutz trugen, klatschten vor der Bühne auf dem Gelände der Sunchon-Phosphatdüngerfabrik. Alle Anwesenden hätten „Hurra“ gerufen, um Kims Einsatz für die Düngemittelindustrie zu würdigen, hieß es. Ein Grund dafür, warum Kim wochenlang von der Bildfläche verschwunden war, wurde auch jetzt nicht genannt.
US-Präsident Donald Trump, der in Washington auf die Berichte aus Pjöngjang angesprochen wurde, sagte: „Ich möchte das lieber noch nicht kommentieren.“ Man werde sich zu gegebener Zeit äußern. Trump setzt auch auf sein gutes Verhältnis zu Kim, den er schon dreimal getroffen hatte, um die derzeit stockenden Verhandlungen über Nordkoreas Atomwaffenprogramm wieder fortsetzen zu können.
Nordkorea ist eines der weltweit isoliertesten Länder. Die Gesundheit des Machthabers gilt als Tabuthema. Am 11. April hatte Kim noch ein wichtiges Parteitreffen in Pjöngjang geleitet, danach war er nicht mehr aufgetaucht. Insbesondere nach seiner Abwesenheit bei den Feierlichkeiten zum Geburtstag seines 1994 gestorbenen Großvaters und früheren Staatschefs Kim Il Sung am 15. April in Pjöngjang hielten sich hartnäckig Gerüchte, Kim sei ernsthaft erkrankt.
Der US-Nachrichtensender CNN hatte zuletzt unter Berufung auf einen Regierungsbeamten berichtet, Kim sei „nach einer Operation in ernsthafter Gefahr“. In Südkorea war der Bericht auf Skepsis gestoßen. Nach Angaben des Präsidialamts in Seoul gab es zunächst keine Hinweise auf größere Gesundheitsprobleme Kims. Auch war die Regierung in Südkorea davon ausgegangen, dass Kim weiter die Kontrolle über die Regierungsgeschäfte ausgeübt hat.
Das auf Nordkorea spezialisierte News-Onlineportal Daily NK in Südkorea hatte berichtet, Kim habe sich einer Operation am Herzen unterziehen müssen. Später gab es sogar Gerüchte, er sei wahrscheinlich tot. Kim Jong Un ist übergewichtig und gilt als starker Raucher. Sein Vater Kim Jong Il war Ende 2011 war an einem Herzinfarkt gestorben.
Verschlossenheit des Systems befeuerte Spekulationen
Von der Zeremonie in der Fabrik hieß es, Kim Jong Un habe sich mehrere Orte auf dem Fabrikgelände angeschaut und sich über den Produktionsprozess informieren lassen. Er habe sich über das Geschaffene zufrieden geäußert und über die Aufgabe gesprochen, „unsere chemische Industrie mit korrekter Orientierung zu entwickeln, wie es das neue Jahrhundert erfordert“.
Südkoreas Vereinigungsministerium bestätigte den Auftritt. „Grundlose Berichte über Nordkorea hätten zuletzt unnötige Verwirrung in den Bereichen der Wirtschaft, der Sicherheit und Gesellschaft gestiftet“, hieß es in einer Erklärung.
Die Verschlossenheit des nordkoreanischen Systems befeuerte die Spekulationen. „Nordkorea ist ein Ort, der schwer zu knacken ist“, schrieb die Expertin Jean H. Lee vom amerikanischen Wilson Center auf Twitter. „Dieser ganze Rummel hat unsere Schwächen bei der Aufklärung und der Berichterstattung offengelegt.“ Allerdings könnten die Berichte über eine Erkrankung auch stimmen. „Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren.“
Dass Kim längere Zeit nicht öffentlich in Erscheinung tritt, ist nicht ungewöhnlich. 2014 war er fast sechs Wochen von der Bildfläche verschwunden. Danach zeigte er sich mit einem Gehstock. Der Geheimdienst in Südkorea vermutete damals, dass Kim eine Zyste am Sprunggelenk entfernt worden war.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links