Radwegeausbau in Berlin: Spätfolgen eines Bremsmanövers
Die Bezirke arbeiten immer noch die Radinfrastruktur-Projekte ab, die die CDU-Verkehrsverwaltung im vergangenen Jahr vorübergehend auf Eis gelegt hat.
Demnach entfallen von den 75 Radverkehrsprojekten der Bezirke, deren Finanzierung im ersten Halbjahr 2024 vom Senat bewilligt wurde, ganze 68 auf sogenannte Erneuerungsbescheide – also auf Maßnahmen, die bereits im Vorjahr angeleiert worden waren.
Das heißt im Gegenzug: Es kommen kaum neue Projektanmeldungen nach. Manche Bezirke wie Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf oder Reinickendorf haben bis Ende Juni keinen einzigen Finanzierungsantrag für neue Radinfrastruktur gestellt.
„Es ist jetzt genau das eingetreten, wovor wir beim Radwegestopp 2023 immer gewarnt haben“, sagt Oda Hassepaß zur taz. Zahlreiche Projekte, die im vergangenen Jahr aufgrund des von der damaligen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) durchgedrückten Planungsstopps liegen geblieben seien, würden nun nachgezogen. Für das Anschieben neuer Projekte wiederum fehle in den Bezirken häufig das Personal. Das Fazit der grünen Radverkehrsexpertin Hassepaß: „Wer stoppt, kommt nicht voran.“
Ressourcenfressende Umplanungen
Tatsächlich bestätigt Lichtenbergs Verkehrsstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) auf taz-Nachfrage, dass die Kapazitäten in ihrer Verwaltung überwiegend „mit Projekten aus den Vorjahren gebunden“ seien. Schreiners Radwegestopp, die geforderten Einsparungen, die Infragestellung von Finanzierungszusagen: Das alles sorge dafür, dass ihre Mitarbeiter:innen nach wie vor damit beschäftigt seien, „die teilweise bereits fertig geplanten Projekte zu überarbeiten“.
Beispiel Siegfriedstraße, unweit des S-Bahnhofs Lichtenberg: Auch den hier geplanten Radweg stellte die Verkehrsverwaltung 2023 in Sorge um wegfallende Parkplätze auf den Prüfstand. Nach der Aufhebung des Radwegestopps folgten zusätzliche Auflagen, die Mitarbeiter:innen mussten umplanen, das fraß Zeit. „Diese personellen Ressourcen fehlen dann natürlich an anderen Stellen“, sagt Keküllüoğlu.
Immerhin: „Ab Mitte August wird der Bau der lang ersehnten Radverkehrsanlage in der Siegfriedstraße starten.“ Noch 2024 könnte sie eröffnet werden, der genaue Zeitpunkt hänge aber auch von den Witterungsbedingungen ab, weshalb verlässliche Voraussagen noch nicht möglich seien, so Keküllüoğlu. Ob mit oder ohne den Radweg an der Siegfriedstraße: Sonderlich viele Projekte dürften auch in diesem Jahr insgesamt nicht fertiggestellt werden.
Radverkehrsplan von 2021 ist Makulatur
Der noch vom rot-grün-roten Vorgängersenat 2021 aufgestellte Radverkehrsplan ist inzwischen jedenfalls Makulatur. Schon 2023 wurden von den in dem Plan angepeilten 60 Kilometer neuen Radwegen nur 22,3 Kilometer fertig. Längst kein Thema mehr ist das ursprüngliche Ausbauziel von 100 Kilometern für das laufende Jahr.
Im April verkündete die Verkehrsverwaltung, dass man derzeit mit 38,7 neuen Radwegkilometern plane. „Ob die sich realisieren lassen, hängt von vielen Faktoren ab“, dämpfte die neue Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) vor gut einem Monat im Tagesspiegel die ohnehin nicht hohen Erwartungen.
Tatsächlich sind im ersten Halbjahr 2024 erst bescheidene 10,6 Kilometer fertiggestellt worden, wie der aktuelle „Radnetz-Monitor“ des Verkehrswende-Vereins Changing Cities zeigt.
Die neuen Zahlen zu den Finanzierungszusagen für die Bezirke passen für Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen da ins trostlose Gesamtbild. „Wenn heute aber nichts geplant wird, können 2025 und 2026 keine neuen Radwege gebaut werden. Das kann sich Berlin nicht erlauben“, so Sørensen zur taz.
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