Racial Profiling bei der Polizei: Some Cops are Bastards
Der seit einem Jahr tätige unabhängige Polizeibeauftragte legt seine erste Bilanz vor. Viele Beschwerden gibt es zu Racial Profiling.

Es waren vor allem Eingaben von Bürger*innen, mit denen sich der Polizeibeauftragte in seinem ersten Arbeitsjahr beschäftigte: Seit März 2024 hat Deutschland einen unabhängigen, vom Parlament eingesetzten Polizeibeauftragten. Den ersten umfassenden Bericht über seine Arbeit stellte Uli Grötsch am Mittwoch vor. Demnach beschäftigte sich seine Stelle zwischen Juni 2024 und Juni 2025 mit insgesamt 357 Fällen. Auf einen Großteil davon, 279 Fälle, machten Bürger*innen aufmerksam.
Als Polizeibeauftragter des Bundes ist Grötsch für Beschwerden über oder aus den Reihen der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts sowie der Bundestagspolizei zuständig. Neben Anliegen der Polizeibeamt*innen legt der Bericht einen Schwerpunkt auf die Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen.
Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt: Racial Profiling. Migrantisch gelesene Menschen klagen in Deutschland häufig über Kontrollen, die nur aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds stattfinden würden. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ermittelte in einer repräsentativen Studie 2022, dass Menschen, die sich selbst als ausländisch erkennbar einschätzen, doppelt so häufig in vermeintlich anlasslose Kontrollen geraten wie solche, für die das nicht zutrifft.
Grötsch sagte, konkret sei in 19 Fällen ein Untersuchungsverfahren wegen rassistischer Diskriminierung und Racial Profiling eingeleitet worden. In einigen weiteren Fällen konnte Grötsch nicht tätig werden, da Betroffene explizit wünschten, keine Untersuchung einzuleiten. Sie fürchteten „negative Konsequenzen“ und „Offenlegung gegenüber der Bundespolizei“, so der Bericht. Zudem sei es „aufgrund von Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen“ oft schwierig, „Kontrollsituationen im Nachhinein eindeutig als Racial Profiling nachzuweisen“.
Grötsch sieht daher „erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Kommunikation“. Den Bürger*innen sollten „polizeiliche Maßnahmen von der Bundespolizei besser erklärt werden“. Zudem fordert er eine Sensibilisierung der Beamt*innen für das Thema.
Allerdings scheint er damit nicht immer auf offene Ohren zu stoßen, wie sein Bericht nahe legt: Dort ist eine nicht näher genannte Bundespolizeidirektion angeführt, die eine Nachschulung in Sachen Racial Profiling als „nicht erforderlich“ zurückweist.
In Bezug auf die Grenzkontrollen beschäftigte sich Grötsch’ Behörde fast ausschließlich mit Beschwerden vonseiten der Beamt*innen. So beklagt er die Dixiklo-Situation in Bayern an der Grenze zu Tschechien sowie fehlende Zelte als Unterstand im Saarland. Dass die Beamt*innen an den Grenzen Zurückweisungen durchführen, die vom Berliner Verwaltungsgericht in einem Fall unlängst als rechtswidrig eingestuft wurden, möchte Grötsch nicht kommentieren. Er wünsche sich jedoch „Rechtssicherheit“ für die Polizist*innen.
„Kein Randphänomen“
Clara Bünger von der Bundestagsfraktion der Linken kritisiert gegenüber der taz, dass die von Grötsch genannten Zahlen zu Racial Profiling die Realität nicht annähernd widerspiegelten: „Das ist kein Randphänomen, sondern Alltag für viele Menschen. Die 19 näher untersuchten Fälle sind daher viel zu wenig. Viele Betroffene melden sich gar nicht erst: Wer illegal zurückgewiesen wird oder rassistische Polizeikontrollen erlebt, hat oft weder das Wissen noch die Möglichkeit, sich zu beschweren.“
Doch Grötsch’ Stelle steht auch politisch unter Druck. In einem Entwurf des Koalitionsvertrags war Ende März noch die Unionsforderung zu lesen: „Den Polizeibeauftragten des Deutschen Bundestages schaffen wir ab.“ Auch wenn sich die Union damit letztlich nicht durchsetzte, so hängt die Gefahr einer plötzlichen Abschaffungsforderung doch wie ein Damoklesschwert über der Arbeit des Polizeibeauftragten.
Irene Mihalic von der Bundestagsfraktion der Grünen sieht in der Unionsforderung „vor allem Wahlkampfgetöse“. Vielmehr habe sich der Polizeibeauftragte etabliert und sei zur „allseits geschätzten Institution“ geworden, so die Parlamentarische Geschäftsführerin. Sie sehe daher „keine ernsthaften politischen Bestrebungen mehr“, die Stelle abzuschaffen.
Bünger dagegen sieht Grötsch’ Arbeit kompromittiert. Es herrsche „ein Klima der Vorsicht statt der erhofften Unabhängigkeit“. „Grötsch agiert entsprechend zurückhaltend, denn wer jederzeit fürchten muss, dass sein Amt politisch wegverhandelt wird, wird kaum offensiv Missstände benennen“, so Bünger.
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