Racial Profiling auf St. Pauli: Vom Tellerwäscher zum Arbeitslosen
In einem offenen Brief kritisiert ein Gastronom die Strategie der Drogenbekämpfung der Polizei. Für einen seiner Mitarbeiter hat die Folgen.
Vor wenigen Tagen hat er öffentlich gemacht, was Issi, der als Spüler in dem Restaurant gearbeitet hat, passiert ist. Er wurde von Polizisten der Task Force Drogen für einen Dealer gehalten. Weil bei seiner Kontrolle herauskam, dass er zwar kein Dealer ist, aber keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis hat, darf Issi jetzt nicht mehr in dem Restaurant arbeiten.
Der Bereich um die Hafenstraße gilt als gefährlicher Ort. Die Polizei darf dort verdachtsunabhängig Personen kontrollieren. Und weil die Kontrollen insbesondere Menschen mit schwarzer Hautfarbe treffen, wird der Polizei unter anderem von Anwohner*innen immer wieder vorgeworfen, rassistische Kontrollen durchzuführen. Hinzu kommt die Kritik, dass das Problem nur verdrängt und nicht gelöst werde.
Riffelmachers Argumentation in seinem „offenen Brief an die Beamten, die unseren Spüler mitgenommen haben“ ist ganz ähnlich. „An diesem Abend habt ihr nicht dafür gesorgt, dass St. Pauli sicherer wird. Ihr habt dafür gesorgt, dass es einen jungen Mann ohne Perspektive mehr gibt“, schreibt er.
Issi hielt sich panisch am Griff der Tür fest
Der Abend, von dem Riffelmacher erzählt, war der des 4. März. Riffelmacher saß, wie er der taz erzählt, in seinem Restaurant. Er habe Menschen vor der Tür bemerkt. „Dann habe ich Issi gesehen, wie er sich panisch am Griff der Tür festhielt und mich mit aufgerissenen Augen anguckte.“ Hinter Issi habe ein blonder Mann in Bomberjacke gestanden. „Ich habe mich zwischen Issi und den Blonden gestellt und zu Issi gesagt: Go inside“. Riffelmacher habe verstehen wollen, was da gerade los gewesen sei, sagt er.
Es waren Beamte in Zivil, die Issi bis vors Restaurant verfolgt hatten. Riffelmacher sprach nach eigener Aussage mit den Polizisten, erklärte, dass Issi dort arbeite und „mit der Antidrogenmission nichts zu tun hat“. Doch für die Polizisten sei Issi verdächtig gewesen, weil er weggelaufen sei.
„Dass ein junger Mann mit dunkler Hautfarbe in Deutschland vor ein paar Typen in Bomberjacke weggerannt ist, und nicht vor Beamten in Uniform, schien dabei aber nicht wichtig zu sein“, schreibt Riffelmacher an die Polizisten. „Das habt ihr mit dem Satz: ‚Wir führen hier keine Grundsatzdiskussionen!‘ klar gemacht.“
Johannes Riffelmacher, Gastronom
Die Polizisten hätten dann gegen seinen Willen das Restaurant betreten und Issi mitgenommen. Während die Betreiber und Angestellte im Restaurant vernommen wurden, wurden Issi auf dem Revier die Fingerabdrücke abgenommen. Dabei kam heraus: Issi heißt eigentlich Ibrahim. Er hatte bei der Zeitarbeitsfirma, bei der er angestellt war und die ihn zu Salt&Silver geschickt hatte, einen falschen Namen angegeben.
Ein Sprecher der Polizei sagt auf Anfrage der taz, die Zivilbeamten hätten an dem Tag eine andere Person wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz kontrolliert. Issi habe sich „auffällig verhalten“ und sollte dann von einem anderen Zivilbeamten kontrolliert werden, der sich sofort als Polizist zu erkennen gegeben habe. Schließlich habe sich der Verdacht eines Drogendelikts nicht begründet, aber der Verdacht wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz.
Riffelmacher will seinen Brief nicht als Pauschalkritik an der Polizei verstehen. „Ich verstehe, dass die Beamten im Recht waren“, sagt er. Er habe allerdings das Gefühl, dass der Situation in der Hafenstraße ohne sinnvolle Strategie begegnet werde. „Es geht gar nicht um die richtige Handlung, es ist nur ein pressewirksamer Kampf, in dem vermeindliche Erfolge verkündet werden“, sagt er.
„Die jungen Menschen, die an der Ecke dealen, haben keine Chance ihr Geld ehrlich zu verdienen, so lange man ihnen keine Möglichkeit gibt zu arbeiten“, sagt er. „Bis das irgendwann passiert, wäre es aber fair, wenn die Polizistinnen und Polizisten vor unserer Tür ihre Rechte nicht wie Naturgesetze behandeln.“
Riffelmacher sagt, dass seine Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit regelmäßig kontrolliert und durchsucht würden, weil sie nicht aussehen, als kämen sie aus Deutschland. Andere gerieten ins Visier, weil sie mit „Verdächtigen“ gesprochen haben. Auch Gäste würden kontrolliert. „Ich suche dann immer das Gespräch und die einzige Antwort ist oft: ‚Wir dürfen das‘“, sagt Riffelmacher.
Sein Brief hat in der Polizei offenbar Wellen geschlagen. Am Freitag kam Sönke Harms, der stellvertretende Leiter der Davidwache in das Restaurant, um mit ihm zu sprechen, wie Riffelmacher sagt. Dass sich sehr bald etwas ändert, glaubt er aber nicht. „Lösungen für die Situation müssen auf politischer Ebene gefunden werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr