Rabbiner für die Bundeswehr: Liebe mit unlauteren Motiven
Dass sich staatliche Institutionen heute gerne mit Juden schmücken, ist nachvollziehbar. Nur: Man darf einem Philosemitismus nicht ins Netz gehen.
J uden in Deutschland werden geschmäht und beleidigt. Sie sind das Ziel von physischen Attacken bis zum versuchten Mord. Ihre Gemeindezentren müssen bewacht werden (werden es aber nicht immer), ihre Friedhöfe sind Verwüstungen ausgesetzt. Etwa jeder fünfte Deutsche hegt antisemitische Ressentiments. Juden in Deutschland sind aber zugleich äußerst beliebt. 75 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes lassen so manche politische Entscheider ihre „jüdischen Mitbürger“ hochleben, loben die gesellschaftliche Bereicherung dank der Anwesenheit von Juden und begeistern sich für jeden Kippa-Träger. Sie lieben ihre Juden, wie es nur Philosemiten können.
Dass sich staatliche Institutionen wie die Bundeswehr gerne mit Juden schmücken möchten, ist nicht ganz unverständlich. Sie sollen den lebenden Beweis dafür darstellen, dass die Bundesrepublik aus der Geschichte gelernt hat und sie nichts mehr mit den Nazis verbindet. Dieses Bestreben bedeutet aber zugleich, dass die Minderheit benutzt wird – als günstiges Werbemittel und Imageträger im In- und Ausland.
Zehn Militärrabbiner machen sich entschieden besser als Probleme mit defekten Panzern sowie neonazistische Umtriebe bei der Truppe. Wenn für diese geballte religiöse Kompetenz mangels gläubiger jüdischer Soldaten kein Bedarf besteht, müssen die Zahlen eben kreativ ein wenig nach oben interpretiert werden. Wo vor achtzig Jahren angeblich zu viele Juden waren, müssen sie heute erfunden werden.
So aber wird Jude-Sein zum Objekt von Philosemiten. Auf deren vermeintliche Liebe, die doch nur Mittel zum Zweck ist, aber können und sollten Juden wie Nichtjuden gerne verzichten. Wenn tatsächlich viele Juden bei der Bundeswehr dienen, dann ist das erstens gut so und sie benötigen zweitens entsprechende Rabbiner. Wenn es nur ganz wenige bei der Truppe gibt, dann ist das auch gut so. Aber die zehn Rabbiner sind dann überflüssig. Das so eingesparte Geld ließe sich gut in den Schutz jüdischer Gemeindehäuser investieren – denn die haben es bitter nötig, wie der Mordversuch von Halle zuletzt bewiesen hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken