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R2G in Bremen wendet Koalitionskrise abMäurer hat bloß rumgepoltert

Grüne und Linke setzen sich gegen den SPD-Innensenator in Bremen durch: Der Algerier Seif Benmoussa wird vorerst nicht abgeschoben.

Vor einer Hochzeit macht man Scherben. Aber gleich eine Koalition zerschmeißen? Foto: Hans Braxmeier/CC

Bremen taz | Die Koalitionskrise ist abgesagt: Der Algerier Seif Benmoussa wird vorerst doch nicht abgeschoben (taz berichtete). Die „Überstellung nach Slowenien wurde ausgesetzt, damit die Härtefallkommission die Eingabe prüfen kann“, erklärte die Ausländerbehörde am Dienstag Gabriel Goritzka, dem Anwalt des Geflüchteten.

Das SPD-geführte Innenressort revidierte – auf Druck der Linken und der Grünen – am späten Montagabend seine Rechtsauffassung; in der Nacht hätte Benmoussa abgeschoben werden sollen. Wenige Stunden zuvor, kurz vor Redaktionsschluss, hatte das Innenressort die Härtefallkommission noch für unzuständig erklärt.

Benmoussa kam Ende 2018 über Slowenien nach Deutschland. Für sein Asylverfahren ist Deutschland nicht unmittelbar zuständig, er ist ein sogenannter Dublin-Fall. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verlangte nun seine Abschiebung und die Ausländerbehörde wollte sie „im Auftrag“ des Bamf durchsetzen.

Inzwischen lebt Benmoussa in Bremen und will heiraten – seine Eheschließung mit einer Bremerin ist beim Standesamt schon angemeldet, die „Ehevoraussetzungen“ werden derzeit aber noch gerichtlich geprüft. Nach der Hochzeit hätte er einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis.

Eine Hochzeit verhindert keine Abschiebung

Derzeit liegt das Verfahren bei der Härtefallkommission. Deren Arbeit hat rechtlich keine aufschiebende Wirkung, doch wenn sie am Ende im Einzelfall beim Innensenator um eine Aufenthaltserlaubnis ersucht, werde dem in der Regel stattgegeben, so Goritzka.

Und bis die Härtefallkommission entscheidet, ordnet die Behörde in aller Regel an, dass „aufenthaltsbeendende Maßnahmen zurückzustellen sind“, wie sie selbst verkündet. Bei Benmoussa sollten vorher Fakten geschaffen werden. Dabei steht im rot-grün-roten Koalitionsvertrag, dass die Härtefallkommission ausdrücklich auch für Dublin-Fälle zuständig sein soll.

Das Innenressort indes hatte sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts bezogen, in dem es heißt: Die Eingabe bei der Härtefallkommission habe keine rechtlichen Auswirkungen, einer Abschiebung stehe nichts im Wege, auch nicht die geplante Hochzeit.

Es lägen keine neuen Gründe vor, die im Asylverfahren noch nicht vorgetragen worden seien, so die Sprecherin des Innenressorts Rose Gerdts-Schiffler am Montag: „Darüber kann sich die Härtefallkommission nicht hinwegsetzen.“ Dies gelte auch für Dublin-Verfahren. Am späten Montagabend erklärte sie, es müssten noch „einige Rechtsfragen geklärt werden, die im Laufe des Abends noch aufkamen“.

Tags darauf hieß es dann, das Ressort wolle „gemeinsam mit der Härtefallkommission die Frage der Zuständigkeit bei Dublin-Verfahren abschließend klären“.

Politik der harten Hand

„Wir teilen die Rechtsaufassung der Behörde nicht“, erklärte Fraktionschef Björn Fecker für die Grünen – „und wir hatten die stichhaltigeren Argumente auf unserer Seite“. Und die werden vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gestützt. Der hatte 2017 in einem Gutachten landesrechtliche Komptenzen bei Härtefallverfahren in Dublin-Fällen jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Die Härtefallkommission habe eine Entscheidungskompetenz, darauf beharrt Fecker, der nach eigenen Worten am Montag bis in die späten Abendstunden mit der Ressortspitze konferierte.

Die Fraktionschefin der Linkspartei, Sofia Leonidakis, argumentiert ähnlich wie Fecker. Sie hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) für seine „Politik der harten Hand“ kritisiert, auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages gepocht und verlangt, „keine Fakten zu schaffen“, bis die Härtefallkommission entschieden habe. Es habe „einen Dissens“ gegeben, sagt sie, und der sei nun ausgeräumt, im Sinne des Betroffenen. „Wir wären da aber auch nicht von unserer Position abgerückt.“

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