Quotengesetz verabschiedet: Ohne Top-Frauen geht es nicht mehr
Die Regierung billigt ein Gesetz für einen höheren Chefinnenanteil in Großunternehmen. Auch das Gleichstellungsgesetz wird angepasst.
BERLIN taz | Beim Gesundheitskonzern Fresenius gibt man sich zugeknöpft. „Zu den möglichen Konsequenzen dieses Gesetzes äußern wir uns nicht“, heißt es lediglich. „Dieses Gesetz“, das ist die Geschlechterquote, die Familienministerin Manuela Schwesig am Donnerstag gemeinsam mit Justizminister Heiko Maas (beide SPD) durchs Kabinett brachte – einstimmig, wie sie bei der anschließenden Pressekonferenz betont.
Das Gesetz verpflichtet Unternehmen wie Fresenius, ab 2016 eine Geschlechterquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten anzuzielen. Bereits bestehende Mandate dürfen aber zu Ende geführt werden. Fresenius hat im Moment keine einzige Frau im Aufsichtsrat. Wenn der Konzern in Zukunft auf einen freiwerdenden Platz keine Frau beruft, muss der Stuhl leer bleiben.
Maas und Schwesig wiesen darauf hin, dass 12 Jahre Selbstverpflichtung der Wirtschaft nichts gebracht hätten, mehr noch, die Zahlen seien sogar rückläufig. „Wir haben in den Aufsichtsräten eine Männerquote von 86 Prozent“, erklärte Schwesig. Der Gesetzentwurf sei ein „Meilenstein in Richtung Gleichberechtigung“. Er sei auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit, da gemischte Teams in Führungsgremien bessere Ergebnisse erzielten.
Neben den Aufsichtsräten der 108 voll mitbestimmungspflichtigen börsennotierten Unternehmen sollen auch die Führungsetagen von 3.500 weiteren Großunternehmen quotiert werden. Ihre Zielquoten sollen die Unternehmen selbst setzen – müssen aber über die Fortschritte berichten. Zudem wurde beschlossen, dass Gremien und Behörden des Bundes zu 30 Prozent quotiert werden sollen, ab 2018 sind 50 Prozent angepeilt.
Auch das Bundesgleichstellungsgesetz wird etwas angepasst – gegen Widerstand von Gleichstellungsbeauftragten und JuristInnen. So hatte der Expräsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, kritisiert, dass die jetzige Quotenregelung die grundgesetzlich geforderte Gleichberechtigung nicht umsetze, und eine weichere Formulierung von „Qualifikation“ gefordert. Dies lehnte Schwesig am Donnerstag ab. „Ich teile Herrn Papiers Meinung nicht“, sagte sie. Das Kriterium Qualifikation dürfe auf keinen Fall aufgeweicht werden.
Die Opposition ist enttäuscht. Katja Dörner, Fraktionsvize der Grünen, meinte: „Mit ihrem Quotengesetz reiten Schwesig und Maas eine Schnecke, dabei hätten die Frauen in Deutschland ein Rennpferd verdient.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen