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Quote für VorständeNicht nur für privilegierte Frauen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Frauenquote für Vorstände nützt nur wenigen? Stimmt nicht. Dort, wo Frauen mitbestimmen, achten sie verstärkt auf „Fraueninteressen“.

Franziska Giffey (r.) und Christine Lambrecht (l.) geben nach der Sitzung eine Pressekonferenz Foto: Kay Nietfeld/dpa

M an könnte reflexhaft kritisieren, dass die gesetzliche Frauenquote für Vorstände, die das Kabinett jetzt als Teil des sogenannten Führungspositionengesetzes beschlossen hat, etwas für privilegierte Frauen sei, für jene also, die fest im Job und im Leben stehen und bereits in gehobener Position und mit gesichertem und gutem Einkommen arbeiten. Denn es geht bei Vorständen um Leitungsgremien, in die nur schwer vorzudringen ist und die mit großer Macht ausgestattet sind.

Daher ist es kaum verwunderlich, dass Vorstände mehrheitlich männlich sind. Aktuell beträgt der Frauenanteil in diesen Führungspositionen – je nachdem, welche Unternehmen man betrachtet – zwischen nicht einmal 9 und 12 Prozent. Nahezu die Hälfte der börsennotierten Unternehmen hat sogar keine einzige Frau in dem Gremium.

Die Vorstandsquote ist trotzdem wichtig für die weitere Gleichstellung der Geschlechter. Denn von ihr geht ein Signal aus: Da geht was. Das zeigt allein die 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte, die seit 2016 gilt. Innerhalb weniger Jahre haben die meisten betroffenen Unternehmen die gesetzliche Pflicht zur Beteiligung von Frauen an diesen Topjobs erfüllt.

Vor allem aber bewirkt ein größerer Frauenanteil in Entscheidungspositionen, dass der weibliche Blick und weibliche Forderungen ernster genommen, vielfach überhaupt erst einmal wahrgenommen werden. Oder um es anders zu formulieren: Da, wo Frauen mitbestimmen, achten sie verstärkt auf „Fraueninteressen“. Auf diese Weise profitieren weniger privilegierte Frauen von der Quote. Frauen sorgen beispielsweise verstärkt dafür, dass Führungspositionen in untergeordneteren Bereichen mit Frauen besetzt werden; dass zu Bewerbungsgesprächen genügend Frauen eingeladen und Mütter bei der Auswahl nicht benachteiligt werden.

Warum geht das alles nicht auch ohne eine starre Vorgabe? Weil die jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass sich auf der Basis von Freiwilligkeit nichts bewegt. Manchmal muss dem gesellschaftlichen Wandel, der bei Gleichstellung jeglicher Art sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel ist, ein wenig auf die Beine geholfen werden.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • "Frauen sorgen beispielsweise verstärkt dafür, dass Führungspositionen in untergeordneteren Bereichen mit Frauen besetzt werden."

    Klassischer Verstoß gegen § 7 AGG, führt über Abmahnung ggf. zur Kündigung der Entscheiderinnen.

    Überhaupt habe ich das Gefühl, dass es Karlsruhe wieder richten muss. Ich bin mal auf die Gesetzesbegründung für den Eingriff in die Privatautonomie gespannt. Kleiner Spoiler: Art. 3 II 2 GG wird in Karlsruhe nicht helfen.

  • Von trickle down Theorien halte ich nichts. Dass Vorstandfrauen offener in Bezug auf 'Fraueninteressen' sind, ist erst einmal nur eine Behauptung. Wäre es nicht besser, wenn die SPD die ausgebeuteten Niedriglöhner:innen und Zeitarbeiter:Innen im Blick hätte, und zwar unabhängig vom 'zugeschriebenen' Geschlecht? Oder haben die das seit Schröder vollkommen verlernt, so dass sie sich v.a. um ihre eigene privilegierte Kaste scheren?

  • Ein Unternehmensvorstand, egal ob Frau oder Mann hat ganz sicher die oberste Aufgabe den Unternehmenserfolg in Form von Gewinn zu maximieren.



    Alle anderen Kriterien sind nachrangig.

    Vorstände sind den Anteilseignern verpflichtet, die ihnen diesen Auftrag geben. Wenn Sie nicht die Erwartungen erfüllen werden sie ausgetauscht.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Für mich ist das Rosinenpickerei!

  • Wo liegt denn bitte der Unterschied zwischen männer und fraueninteressen bei der arbeit? Wollen wir nicht alle mehr geld und weniger Arbeit? Bzw faire Bezahlung und keine Ausbeuter arbeit.

  • "Frauen sorgen beispielsweise verstärkt dafür, dass Führungspositionen in untergeordneteren Bereichen mit Frauen besetzt werden; dass zu Bewerbungsgesprächen genügend Frauen eingeladen und Mütter bei der Auswahl nicht benachteiligt werden."



    Gibt es dafür irgendeinen Beleg? Und wenn ja, tunsie das, weil sie Frauen sind - oder weil es sich für die Unternehmen rechnet?

    • @Kanuka:

      Sie stellen die richtige Frage. Aus meiner Sicht ist die von Ihnen zitierte These eine bloße Behauptung, die durch nichts bestätigt wird und auch wenig plausibel ist. Vorstände in Aktiengesellschaften werden nämlich dafür bezahlt, die Interessen der Shareholder wahrzunehmen und nicht die der Frauen in der Belegschaft.

      Und dass Frauen bei der Besetzung nachgeordneter Führungspositionen nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden, liegt durchaus im objektiven Interesse der Betriebsleitungen (auch wenn diese es zuweilen nicht einsehen und zu ihrem Glück gezwungen werden müssen). Geeignete Kräfte für Führungspositionen zu finden, ist nämlich nicht immer einfach, und Unternehmen, die das diesbezügliche Potential der Frauen in der Belegschaft (im Kapitalistensprech: "Humankapital") nicht nutzen, haben letztlich Nachteile gegenüber Unternehmen, die ihre Schlüsselpositionen nach Eignung besetzen und nicht nach Geschlecht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das nach seinem § 1 das Ziel verfolgt, "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen", wäre kaum durchgesetzt worden, wenn die Politik erwartet hätte, dass es die Profitraten senkt.

  • www.heise.de/hinte...idung-4998494.html

    in staatlichen und privaten bürokratien spielen seilschaften eine grosse rolle.wenn man zunächst die qualifikation prüft und dann das losverfahren entscheiden lässt kann man die rolle die seilschaften zum schaden der chancengleichheit spielen reduzieren