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Queerfeindlichkeit in ganz EuropaSehnsucht nach dem Regenbogen-Monster

Queerfeindlichkeit überall: In Russland werden Ehen von Personen mit geändertem Geschlechtseintrag annuliert, in Italien lesbische Eltern unterdrückt.

Die völkischen Kräfte sind schon lange davon besessen, queer mit „westlich“ zu assoziieren Foto: Christoph Hardt

A lle Ehen in Russland, in denen ein Partner den Geschlechtseintrag geändert hat, sollen annulliert werden. Das besagt ein neues Gesetz. Zudem dürfen Rus­s*in­nen keine Geschlechtsangleichungen mehr vornehmen. Die Regierung Putin begründet das Gesetz mit einem Kampf gegen „westliche Ideologien“. Interessanter Humor.

„Haben Sie das mit den Nachbarn gehört? Ihre Ehe wurde für ungültig erklärt.“

„Unerhört, wieso das?“

„Ums dem Westen so richtig zu zeigen.“

„Ach?“

„Sie kennen doch das Sprichwort: Jedes Mal, wenn du eine LGBT-Ehe annullierst, sprengt sich bei der Nato jemand aus Versehen selber in die Luft.“

Die rechten, die traditionalistischen und die völkischen Kräfte sind schon so lange davon besessen, queer mit „westlich“ zu assoziieren, dass man meinen könnte, da wäre was dran. Aber „westlich“ ist hier natürlich erstens kein Ort, sondern mehr so eine Emo-Chiffre für „außer Kontrolle, gefährlich, igitt“ (also ziemlich genau wie „Osten“). Zweitens glaube ich manchmal: Niemand redet so viel über LGBT wie Rechte, Militante und Autoritäre. Die kriegen gar nicht genug von uns als Fetisch.

Die EU ist auch nicht besser

Es ist eine romantische Sehnsucht nach dem Regenbogen-Monster. Viktor Orbán hat diese Woche bei einem Besuch in Rumänien schon wieder die Schlechtenachtgeschichte vom „großen Austausch“ erzählt. Die EU organisiere „den Bevölkerungsaustausch durch Migration“, sagte Orbán und sprach dann von einer „LGBT-Offensive der EU gegen die familienfreundlichen Nationen Europas“.

LOL: „Offensive“. LOL: die EU irgendwas „organisieren“? Ich wünschte, der „Westen“ wäre nur halb so motiviert an unserer Seite, wie Putin und Orbán glauben. Stattdessen wählen die Leute hierzulande und in Spanien begeistert völkische Parteien. Ebensowenig wie Queerness „aus dem Westen“ ist, ist Queerfeindlichkeit „aus dem Osten“.

Italien hat vergangene Woche begonnen, bei lesbischen Elternpaaren je eine Mutter aus den Registern zu streichen. Und zwar diejenige Mutter, die das Kind nicht geboren hat. Sie verschwindet aus allen Unterlagen, als hätte es sie nie gegeben. Falls das Kind ihren Namen trägt, muss auch der weg. Hintergrund ist ein Gesetz zur „Stärkung der traditionellen Familie“, von der Regierung Giorgia Meloni, über dessen Rechtmäßigkeit noch der Oberste Gerichtshof Italiens entscheiden muss.

„Haben Sie gehört? Meloni hat den Kids aus dem zweiten Stock die Mutti gestrichen.“

„Unerhört, wieso das?“

„Meloni legt Wert auf die ‚Stärkung der traditionellen Familie‘.“

„Ach?“

„Sie kennen doch das Sprichwort: Jedes Mal, wenn ein Kind ein queeres Elternteil verliert, wachsen einer ‚traditionellen Familie‘ festere Knochen und stärkere Zähne.“

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Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
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10 Kommentare

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  • Ich bin eine Transfrau und dem Anliegen „unserer Sache“ natürlich recht nahe.



    Aber die gewaltige Omnipräsenz der vergangenen Jahre, die opulenten CSD-Parties, stadtbelegende Canaal-Paraden, Armbinden (nebst lautem hochnotpeinlichem Gezänk) und in den Medien überall schrecklich Betroffene in zudem bisweilen grauslich lächerlicher Aufmachung (unbedingt kritiklos zu akzeptieren bitte) macht uns alle nicht nur zunehmend zum Gespött, sondern erschafft uns auch neue Kritiker und Feinde, die es zuvor kaum oder kaum wahrnehmbar gab.



    Aber die mediale und kommerziell werbende Regenbogenflut, die seit einiger Zeit auf die Mehrheitsgesellschaft niedergeht, macht satt und zunehmend verdrießlich.



    Beispiel:



    Als Social Media-Managerin eines bekannten rheinländischen Mittestandsunternehmen mache ich auch Artikel zum Kölner CSD, nebst Bild.



    In den vergangenen Jahren gab es auch viele Likes und positive Kommentare. Seit 2 Jahren ungefähr nehmen aber die Dislikes und gehässigen Kommentare zu.



    Wir haben es ziemlich überzogen, denke ich.



    Etwas weniger Regenbogen-Dauerbeschallung und den Mittelpunkt des modernen gesellschaftlichen Lebens nicht stets auf unserem Bauch verorten, würde unserer Akzeptanz weit mehr dienen, glaube ich.

    • @Chris Teuber:

       

      (...) Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation.

      Ja, leider. Ich störe mich auf Mallorca an dem klaffenden Hemd des Heterospießers im Straßenrestaurant, auf dessen Bauch sich feine Schweißrinnen durch die Behaarung ergießen, während alte Spanier bei größter Hitze sauberes Hemd und lange Hosen tragen... ich weill einfach nicht überall jedes Menschen Haut sehen und ich will auch nicht wissen, was Menschen, auch nicht Frau Hetero Lieschen Müller mit ihrem Hetero Karl Müller im Bett treiben. Wieso wird mir das bei CSD aufgedrängt? Nein, das ist wie Klimakleben, es schadet dem Anliegen. Ich verstehe die Frustration aber nicht die Mittel.

      • @Maria Burger:

        Ach, wie wird Ihnen das vom CSD aufgedrängt? Würd mich mal interessieren. Kriegen Sie CSD-Postwurfsendungen mit bauchfreiem Seite-1-Bild nachhausegeschickt?



        CSD ist Emanzipation. Emanzipation fragt nicht um Erlaubnis. Zudem ist es ein nazisstischer Kurzschluss, dass alles, was in der Öffentlichkeit sichtbar wird, sich an mich richtete. Es geht beim CSD cor allem auch darum, dass queere Menschen *füreinander* sichtbar werden ... z.B. um wieder mal zu erleben, "So viele sind wir!"



        Und interessant ist immer auch, dass Außenstehende oft nur an schrillen Queens und aufreizenden Fetish-Anhängern hängenbleiben. Die anderen 95% unauffällige Teilnehmer einschl. "Schüler für LGBT", die Regenbogenmamas und -papas mit ihren Kindern, die christlichen Gruppen... die sind einfach nicht so ergiebig für die Bestätigung eigener Vorurteile.

        • @mats:

          Ja, das verstehe ich gut. Dennoch halte ich es für das falsche Mittel für die Sache. So viele sind wir... und unsere Angehörigen, ich war da oft genug dabei. Ja, auch die Bilder in den Medien sind meist auf die die aufreizenden Teilnehmer gerichtet. DAs weiß man aber schon lange und dann ist es die Frage, ob es der Sache dient. Die darf man stellen und so habe ich auch Chris Teubner verstanden.

    • @Chris Teuber:

      Mhmm, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie meinen, dass Kindern in Land A ihre zweite Mutter rechtlich aberkennen zu lassen ein angemessene Reaktion auf einen überzogenen medialen Hype von LGBT in Land B ist.



      "In den vergangenen Jahren gab es auch viele Likes und positive Kommentare. Seit 2 Jahren ungefähr nehmen aber die Dislikes und gehässigen Kommentare zu."



      Und? Das werden kaum die gleichen Nutzer sein, die mittlerweile nur leider völlig genervt von CSD und Regenbogen sind. Das Problem ist eher, dass diejenigen, die immer schon feindselig waren, es neuerdings ungehemmt in den Äther raushauen. Diese Konfrontation mit einer neuen Qualität von Hass und Verrohung, das geht nicht nur Queeren so, sondern auch Frauen generell in der Öffentlichkeit (Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen), Politikern männlich wie weiblich etc.

  • Das Problem geht ja leider weit über Europa hinaus (klar, in so einigen anderen Regionen der Welt gab es niemals LGBTIQ*-Rechte): So hat ja bspw. Uganda gerade sein mörderisches Anti-Queer-Gesetz verabschiedet, dann kam direkt der Typ aus dem Iran dort vorbei, um zu gratulieren und zu verkünden, dass man eine Allianz gegen die LGBT-Propaganda des Westens geschlossen habe. Mir wird so langsam Angst und Bange in dieser Welt. Ich (Anfang 30) hatte in meinen 20ern angenommen, wir stünden am Beginn einer toleranter und demokratischer werdenden Welt und ich könne im Laufe meines Lebens miterleben, wie ich als queere Person nahezu überall auf der Welt offen so sein kann, wie ich bin. Das gleiche habe ich auch für die Rechte von Frauen angenommen, irgendwann überall frei, selbstbestimmt und gleichberechtigt lebend. Zehn Jahre später hat sich meine Hoffnung nicht nur in Luft aufgelöst, sondern ins Gegenteil verkehrt, so langsam habe ich Angst (auch mit Blick auf die Unfragewerte der AgD), dass ich es erleben werde, wie ich (wieder) nirgens auf der Welt frei leben kann. Woher kommt das eigentlich? Ich verstehe es tatsächlich nicht. Ich hab nicht einmal das Gefühl, damals einfach zu naiv gewesen zu sein, ich hatte wirklich den Eindruck, Dinge würden besser werden. Den habe ich nun nicht mehr. Im Gegenteil.

    • @Nickname 01:

      Keine Panik, ist leider nur der altbekannte Schweinezyklus. Auf jeden gesellschaftlichen Fortschritt folgt immer erst mal ne Phase der versuchten Restauration. Bisher immer gescheitert. Das lässt sich mit Demokratie gut betrachten, mit der Zeit, und Rückschlägen gings immer vorran. Insgesamt gehts vorran, aufgrund der Lernverzögerung Konservativer leider in quälender Geschwindigkeit. Falls der Klimawandel da die Regel aufgrund globalem Zivilisatorischem Niedergang nicht komplett über den Haufen wirft, wird das schon. Und immer schön basierend auf Gerechtigkeit und Gleichheit argumentieren, nicht mit Freiheit. Man kann leicht ein Arschloch sein und sich dafür ebenfalls Freiheit einfordern, das kann man mit Gerechtigkeit nicht.

  • "Niemand redet so viel über LGBT wie Rechte, Militante und Autoritäre."



    Sehr gut auf den Punkt gebracht. LGBT Menschen haben an sich kein Problem damit, wer sie sind. Es sind diejenigen, die besessen sind von der Eigenart anderer (vielleicht haben sie selbst ja zu wenig davon?), die die Probleme schaffen.



    Und der Großteil der LGBT Menschen wird in traditionelle Familie geboren wie alle Menschen, da können sich die Orbáns und Melonis heulend in die Faust beißen - das wird trotzdem so bleiben.



    In diesem Sinne: Mütter, Väter, Schwestern, Brüder, Großmütter und Großväter aller Länder, vereinigt euch und jagt diese Zunft geiler Voyeuristen und Empöristen zum Teufel!

  • Genau das ist die "Logik" dieser Leute.

  • Übler Anlass, gut geschrieben. Nice!