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Queere SichtbarkeitBundestagsgruppe darf nicht zum CSD

Erstmals dürfen queere Mitarbeitende des Bundestags nicht als Gruppe beim Berliner CSD laufen. Am Verbot gibt es Kritik aller demokratischen Parteien.

Aus dem Bundestag, auf die Straße fällt dieses Jahr aus. Die Bundestagsverwaltung hat ihren Mitarbeitenden des Bundestag das mitlaufen verboten Foto: Christian Spicker/imago

Berlin taz | Die Bundestagsverwaltung verbietet ihren queeren Mitarbeitenden, die im sogenannten Regenbogennetzwerk organisiert sind, die Teilnahme als sichtbare Gruppe am Berliner Christopher Street Day. Der Direktor beim Deutschen Bundestag, Paul Göttke, habe die Entscheidung getroffen, „dass die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt“, so ein Sprecher der Verwaltung.

Außerhalb des Dienstes stehe den Mitarbeitenden eine Teilnahme frei. Göttke war im Mai von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner vorgeschlagen worden. Ob er auf ihre Weisung handelte, beantwortete die Pressestelle nicht.

Das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird dagegen mit eigenem Wagen beim CSD vertreten sein. Ministerin Karin Prien (CDU) sagte der taz: Der Wagen sei „ein wichtiges Zeichen für die Anerkennung und den Respekt vor der Vielfalt in unserer Gesellschaft – gerade angesichts zunehmender Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität weltweit und leider auch in Deutschland“. Klöckners Vorgängerin im Amt, Bärbel Bas (SPD), hatte in ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin 2023 am Berliner CSD teilgenommen.

Kritik an der Entscheidung

Auch bei Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung stieß die Entscheidung auf Unverständnis. Am Mittwoch fand im Bundestag eine Personalversammlung statt, an der mehrere Hundert Mitarbeitende teilnahmen. Wie die taz aus Teilnehmerkreisen erfuhr, wurde auch dort die CSD-Entscheidung kritisiert: Man erlebe einen „internationalen Rollback“, Homosexuelle müssten anderswo um ihr Leben fürchten. Da sei es kein gutes Zeichen, wenn man im Deutschen Bundestag nun Debatten über die Teilnahme am CSD führe.

Der Verein Berliner CSD kritisierte die Entscheidung der Bundestagsverwaltung scharf. Sie sei „eine aktive politische Absage an queere Sichtbarkeit“, so der Vorstand. Da die Absage in den Pride Month falle, käme sie „einer bewussten Entscheidung gegen die Community gleich“. Wer die Teilnahme von queeren Netzwerkgruppen staatlicher Institutionen untersage, kündige den Konsens auf, dass Grundrechte sichtbar verteidigt gehören. Der CSD erwartet am 26. Juli unter dem Motto „Nie wieder still“ wie in den Vorjahren Hunderttausende Teilnehmer*innen.

Kritik am Verbot kam auch aus CDU, SPD, Grünen und Linken. Die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), sagte, sie halte es für „ein falsches und unnötiges Signal“. Gerade in Zeiten, in denen CSD-Demonstrationen abgesagt und Vielfaltsfeste angegriffen würden, brauche es „große Solidarität und sichtbare Unterstützung“.

„Entsetzt und enttäuscht“

„Entsetzt und enttäuscht“ zeigte sich die LSU, die Interessenvertretung queerer Menschen in der Union. Die Entscheidung sei „ein Rückschritt“, so LSU-Bundeschef Sönke Siegmann. Man appelliere an die Verantwortlichen, „diese Haltung zu überdenken.“ Auch der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete, Jan-Marco Luczak, forderte eine Lösung jenseits der Neutralitätspflicht.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik bezeichnete das Verbot als „schwerwiegenden politischen Rückschritt, für den Julia Klöckner die Verantwortung trägt.“ Klöckner müsse erklären, „wie sie sicherstellen will, dass queere Mitarbeitende auch in Zukunft als Teil einer offenen, diversen Parlamentskultur sichtbar sein dürfen“. Wer diese Sichtbarkeit verweigere, gestalte politische Realität, so Slawik.

Die Absage an das Regenbogennetzwerk reiht sich ein in weitere Entscheidungen Klöckners um queere Sichtbarkeit im Bundestag. Mitte Mai hatte sie mitgeteilt, dass die Regenbogenflagge am Christopher Street Day nicht mehr neben der Bundestags- und Europaflagge über dem Reichstagsgebäude wehen wird. Die Bundesflagge repräsentiere „das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und gegen Diskriminierung“ ausreichend, hieß es dazu in einer Pressemitteilung.

Petition auf „All Out“

Auf „All Out“ wurde eine Petition gestartet, die bereits mehr als 10.000 Un­ter­stüt­ze­r*in­nen hat. Entscheidungen wie diese seien „enttäuschend und politisch kurzsichtig“, schreiben die Initiator*innen. Gerade in einer Zeit, in der queere Menschen weltweit und hierzulande zunehmend unter Druck geraten, brauche es „öffentliche Zeichen staatlicher Solidarität“.

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11 Kommentare

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  • Eigentlich sollte es uns nicht wundern. Denn Julia Klöckner hat es selbst angekündigt: sie wird Af*-Politik machen und hat mit dieser Ansage um Wähler*innen gebuhlt. Julia Klöckner ist ihres Amtes nicht würdig. Und die Bundesregierung rollt der Af* den roten Teppich aus. Sie will sie gar nicht bekämpfen, sondern sich - komplett geschichtsvergessen - die Faschist*innen warm halten - falls es mit dem Koalitionspartner nicht klappen sollte.

  • Ich bin entsetzt über das, was diese Regierung macht: das ist also die "Politik sein, die eine gesichert rechtsextreme Partei stellen und entzaubern soll"? Julia Klöckner hat es angekündigt - warum die Af* wählen, wenn die CDU deren Politik selber machen kann. Die Entscheidung, die Regenbogenfahne nicht mehr zu hissen, die heutige Entscheidung - das sind Angriffe auf Menschen. Julia Klöckners politisches Handeln ist ihres Amtes unwürdig.

  • Zum kotzen halt mal wieder.

    "Göttke war im Mai von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner vorgeschlagen worden. Ob er auf ihre Weisung handelte, beantwortete die Pressestelle nicht."

    Wie ich es bei Gesprächen über die SPD Abstimmung damals sagte: Ob nun CDU oder ihre Abspaltung AfD, wer mir das Leben erschwert oder gleich zur Hölle macht,ist egal.



    Die CDU kann noch schlimmer sein,weil sie weniger laut ist, den der Mehrheitsgesellschaft gefälligeren Ton trifft und bei Weitem nicht so negativ wahrgenommen wird in der Bevölkerung. Merzes CDU war früher so, deswegen gibt es ja überhaupt die Abspaltung.

    "Die Bundesflagge repräsentiere „das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und gegen Diskriminierung“ ausreichend"

    Selten so gelacht!

    Letztlich alles wieder ein Versagen der vorherigen Regierung die augenscheinlich nicht einmal den Erlass der Bundesregierung über die Beflaggung öffentlicher Gebäude geändert, was den CSD als regelmäßig zu beflaggendes Event aufgenomme (zugegeben, passt auch irgendwie nicht in die dort gelisteten), möglicherweise eine extra Kategorie dafür geschaffen hätte wie sie für regionale Anlässe existiert.Die Flagge zählt ja nichtmal als zu hissende Flagge dort.

  • Das sind nicht nachvollziehbare Entscheidungen. Wir erleben rund um den Globus politischen Druck auf Firmen, sich von Gleichberechtigung in jeglicher Hinsicht zu distanzieren. Da wäre es angebracht, wenn die Bundesregierung Position dazu bezieht und klarstellt, dass es nicht in Ordnung ist, wenn beispielsweise SAP seine Diversitätsprogramme stoppt (www.tagesschau.de/...uenquote-100.html), um dem Druck Trumps nachzukommen . Dazu vernimmt man überhaupt nichts.

    Statt dessen fährt nun die Bundestagsverwaltung ihr eigenes Engagement zurück. Ja, geht es noch? Der CSD fordert doch lediglich die Einhaltung von Menschenrechten für queere Menschen ein. Wie kann es da unterschiedliche Bewertungen über deren Bedeutung geben?

  • In jeder sitzungswoche finden christliche morgenandachten im Bundestag statt. Darüber informiert die Verwaltung alle Mitarbeiter des gesamten Bundestages über deren offizielle Emailadressen. Neutral?

  • Frau Klöckner, die Maulwürfin der AfD in der CDU, hat mal wieder zugeschlagen. Gut, dass sie Merz wenigstens aus der Regierung heraushalten konnte.

  • Die Antwort auf die Frage, ob die Weinkönigin dahinter steckt, wäre schon interessant. Irgendwie gewinnt man ja inzwischen den Eindruck, daß hier jemand seinen ganz persönlichen Kulturkampf führt.

    • @Flix:

      Ich finde die andauernde erwähnung das die Frau aus der Nestle-Werbung mal weinkönig war etwas daneben.



      1. war sie damals 22, und in dem Alter ist das schon viel Engagement.



      2. ist der Titel als Weinkönigin Teil der pfälzischen Kultur und nichts verwerfliches.



      3. gibt es genügend richtige Kritik an Frau Klöckner.

      • @Jesus:

        Auf der einschlägigen Webseite des Deutschen Weininstituts ist sie ja weiterhin in der Ahnengalerie aufgeführt, insofern ist der Hinweis sicher nicht ehrenrührig; zumal es wahrscheinlich der letzte Job war, den sie halbwegs qualifiziert ausgefüllt hat.

        • @Flix:

          Die Bewertung ihrer arbeit überlasse ich denjenigen die sie bezahlen.

          • @Jesus:

            Da die Dame seit Jahren auch von meinen Steuergeldern lebt, steht mir dann Ihrer Ansicht nach eine Bewertung ihrer Arbeit zu.