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„Queer Cinema“- Doku bei 3satUnterschiede feiern

Wie schwul, wie lesbisch, wie trans ist eigentlich das deutsche Kino? Eine 3sat-Dokumentation blickt zurück auf 100 Jahre queere Filmgeschichte.

Manuela Kay, Verlegerin der queeren Magazine SIEGESSÄULE und L-MAG Foto: dpa

Am Anfang war das Anderssein. Der weltweit erste schwule Film trägt es sogar im Titel: „Anders als die Andern“ erzählt von der Liebe eines Geigers (­Conrad Veidt) zu seinem Studenten (Fritz Schulz). Dass der deutsche Stummfilm 1919 erscheinen konnte, verdankte er der Novemberrevolution, in deren Zuge die Filmzensur abgeschafft wurde. Ein überaus aktivistischer Beitrag, wie Manuela Kay einordnet. Früh prangerte er den Paragrafen 175 an, der homosexuelle Handlungen unter Männern unter Gefängnisstrafe stellte und mit dem bis 1994 geschätzt 120.000 Menschen verurteilt wurden.

Kay ist unter anderem Verlegerin des L-MAG, des queeren Berliner Stadtmagazins Siegessäule, und schrieb mit „Out im Kino“ selbst über schwul-lesbische Filmgeschichte. Sie ist eine der Expert*innen, die im Rahmen der 3sat-Dokumentation „Queer Cinema“ von Daniel Konhäuser zu Wort kommen.

Vom frühen 20. Jahrhundert aus untersucht die Doku die deutsche Filmgeschichte auf ihre queeren Perspektiven hin. Die verebbten zunächst umgehend wieder: Dass Richard Oswald und Magnus Hirschfeld, der zum Mitbegründer der ersten Homosexuellenbewegung avancierte, Schwulsein in ihrem Drehbuch als etwas Natürliches darstellten, gilt als ein Grund, weswegen die Zensur prompt wieder eingeführt wurde.

Wie mit „Mädchen in Uniform“ im Jahr 1931 trotzdem der Grundstein für den deutschen lesbischen Film gelegt werden konnte, wundert die Kom­men­ta­to­r*in­nen wiederum nicht. Die 14-jährige Manuela (Hertha Thiele) ist zwar ernsthaft in ihre Lehrerin (Dorothea Wieck) verliebt – im Gegensatz zum Remake mit Romy Schneider aus dem Jahr 1958 kommt es sogar zum Kuss –, doch lesbische respektive weibliche Sexualität wurde eben noch nie in gleichem Maß ernst genommen wie schwule. Christa Winsloes Drama, auf dem der Film beruht, wurde denn auch im Nationalsozialismus nicht deswegen verboten, weil die Autorin gleichgeschlechtliches Begehren darstellte, sondern wegen seiner Kritik an preußischen Tugenden.

„Nicht der Homosexuelle …“

Jahrzehnt für Jahrzehnt blickt die rund 40-minütige Dokumentation prägnant auf den jeweiligen Zeitgeist, in dem queeres deutsches Kino stattfand. Während bis in die 1960er Jahre ausschließlich das tragische Element einer Sexualität jenseits der Heteronorm im Fokus stand, markierte Rosa von Praunheims ikonischer „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) einen radikalen Wendepunkt. Ausdrücklich adressierte er ein schwules Publikum, forderte es zu mehr Wehrhaftigkeit und politischem Engagement auf, das – obwohl der Film überaus kontrovers diskutiert wurde – kurz darauf tatsächlich vermehrt in aller Öffentlichkeit stattfand.

Von da an äußern sich die Fil­me­ma­che­r*in­nen vermehrt selbst zu ihren Werken, zur Bedeutung für die LGBTQ-Community und ihre gesamtgesellschaftliche Akzeptanz.

Wieland Speck etwa, der zusammen mit Manfred Salzgeber den queeren Teddy Award der Berlinale ins Leben rief, berichtet von seinem Film „Westler“ (1985), der das Schwulsein seiner Protagonisten erstmals als Nebensache deklarierte und stattdessen das Getrenntsein des Paares durch die Berliner Mauer in den Fokus rückte. Angelina Maccarone („Kommt Mausi raus?!“) wiederum kommentiert die Leerstelle lesbisches Kino, die bis in die 1990er Jahre klaffte.

Schließlich blickt „Queer Cinema“ auch in die jüngste Vergangenheit und die sich abzeichnende Zukunft: Die Initiative Act Out, in deren Rahmen sich kürzlich 185 Schau­spie­le­r*in­nen outeten, sowie queeres, postmigrantisches Kino wie „Futur Drei“ werden als Meilensteine auf dem Weg zu einer neuen Selbstverständlichkeit beschrieben. Denn das Anderssein des Anfangs schwingt in Geschichten über Lesben, Schwule, trans und alle anderen Menschen, die sich dem queeren Spektrum zugehörig fühlen, nach wie vor mit.

Was Queerness bedeutet

Fraglich bleibt, ob das tatsächlich so problematisch ist, wie es der Ton der Dokumentation nahelegt. Während sich Regisseur Faraz Shariat langfristig eine Auflösung der Kategorie „Queer Cinema“ wünscht, kann sich Manuela Kay eine Welt ohne gar nicht vorstellen. Denn Queerness bedeutet letztlich, sich an bestehenden Konventionen und Normen abzuarbeiten. Vielleicht liegt der Schlüssel also viel eher im Zelebrieren der feinen Unterschiede als im anhaltenden Versuch, sie wegzudiskutieren.

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