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Putschversuch des türkischen MilitärsMindestens 60 Tote

Die türkische Regierung erklärt, die Lage unter Kontrolle zu haben. Hunderte Militärs werden verhaftet. Bei Zusammenstößen sterben viele Menschen.

Istanbul am frühen Samstagmorgen: Zivilisten übergeben Soldaten an die Polizei Foto: ap

Ankara afp/rtr | Bei dem Putschversuch in der Türkei sind bei Zusammenstößen und Gefechten offiziellen Angaben zufolge fast 60 Menschen getötet worden. Bei den meisten Toten handele es sich um Zivilisten, sagte der Regierungsverteter am Samstag. Die Staatsanwaltschaft in Ankara hatte zuvor von mindestens 42 Toten allein in der türkischen Hauptstadt gesprochen.

Das Hauptquartier des Militärs ist seit Samstagmorgen nach Angaben eines hochrangigen Regierungsvertreters unter der Kontrolle von Regierungstruppen. Eine kleine Gruppe leiste aber noch Widerstand. Die Putschisten hätten noch einige Hubschrauber unter ihrer Kontrolle, aber keine Kampfjets. Fünf Generäle seien ihre Posten entzogen worden. Die Angriffe auf das türkische Parlament und den Präsidentenpalast hätten weitgehend aufgehört.

Wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, wurden landesweit 754 Armeeangehörige festgenommen. Teile der türkischen Armee hatten am Freitagabend die Übernahme der Macht verkündet, das Kriegsrecht ausgerufen und eine Ausgangssperre verhängt.

Soldaten bezogen an strategisch wichtigen Punkten in Istanbul und Ankara Stellung, in beiden Städten waren Kampfflugzeuge und Hubschrauber am Himmel zu sehen. Präsident Recep Tayyip Erdogan rief seine Anhänger auf, zu Gegendemonstrationen auf die Straße zu gehen. Es gab Zusammenstöße und Gefechte.

Am Samstagmorgen ernannte die türkische Regierung einen neuen Armeechef. Der bisherige Kommandeur der Ersten Armee, General Ümit Dündar, sei nun kommissarischer Generalstabschef, teilte Ministerpräsident Binali Yildirim mit. Medienberichten zufolge wurde der bisherige Generalstabschef Hulusi Akar von den Putschisten als Geisel genommen, später jedoch befreit.

Zwar hat Präsident Recep Tayyip Erdogan verkündet, dass der Putsch niedergeschlagen worden und die Festnahmen erfolgt seien. Doch war am Samstagmorgen noch immer nicht klar, wer die Kontrolle über das Militärhauptquartier in Ankara hat. Erdogan hielt sich noch am Istanbuler Flughafen auf.

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6 Kommentare

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  • Der Erdogan hat vorher schon gewusst was Sache ist.

    Wer was im Kopf hat sollte die Türkei verlassen ,den jetzt kommt es richtig dicke.

  • Die Putschisten dürften eher dem kemalistischen Lager angehören. Da ist es ganz geschickt von Erdogan, die Gülen-Leute verantwortlich zu machen, muss er sich so doch nicht zu offen mit dem Militär anlegen.

     

    Auf der anderen Seite haben die Putschisten wohl unterschätzt, wie stark der konservative Islam inzwischen im Land ist. Bezeichnend, dass Demonstranten ausgerechnet auf dem Taksim-Platz vor dem Denkmal Atatürks "Allahu akbar" rufen.

  • Wenn mal fragt, "wem nutzt das alles", kommt man sehr schnell auf Erdogan.

    Der wußte schon während der Nacht spontan und genau, daß der in den USA lebende Gülen dahinter steckt. Erdogan ist nun das Opfer, welches sich weiterhin "wehren" muß gegen Terroristen aus unterschiedlichen Ecken. Wir werden in Kürze erfahren wie und wie krass.

    Führende Politiker aus der ganzen Welt haben den Putsch verurteilt und dem Despoten bescheinigt, daß er demokratisch legitimiert regiert. Das Volk ist seinem Aufruf gefolgt und hat sich dem Putsch entgegengestellt. Erdogan selber bedankte sich öffentlich während der Morgenstunden für die tolle Gelegenheit jetzt mal im Militär aufzuräumen, will heißen Leute zu beseitigen, die ihm im Wege stehen.

    • @rugero:

      Es mag ein "glücklicher" Zufall für Erdogan sein, dass die letzte säkulare Kraft der Armee nicht mehr ausreichte. Die islam-treuen Anhänger von Erdogan werden danach vor Kraft kaum laufen können ....

    • 8G
      87233 (Profil gelöscht)
      @rugero:

      Rugero, ich sehe es (leider) genauso.

       

      Leittragenden werden - wie immer - die Bevölkerung, und jeder der eine andere Meinung vertritt wie Erdogan.

       

      Seine Diktatur geht verstärkt hervor.

       

      Ein sehr tragische, trauriger Tag. Und das kurz nach der Desaster in Nizza.

  • Erdoğan hat Sturm gesät…