Putins Krieg: Sollen deutsche Soldaten in die Ukraine?
Außenminister Wadephul schätzt, dass bald eine Beteiligung der Bundeswehr in der Ukraine gefordert wird. Schon jetzt wird dagegen Kritik laut.

Nach dem Gipfeltreffen in Washington geht die Diskussion über Sicherheitsgarantien für die Ukraine weiter. In Berlin werden verschiedene Szenarien sowie die Frage debattiert, welchen Beitrag Deutschland leisten könnte – auch was den Einsatz der Bundeswehr zur Friedenssicherung in der Ukraine angeht.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) geht davon aus, dass auf Deutschland Forderungen nach einer Beteiligung der Bundeswehr im Rahmen einer „Koalition der Willigen“ in der Ukraine zukommen werden, sagte er im Deutschlandfunk. Er regte eine breite politische Debatte darüber an, „was Deutschland dazu beitragen kann und soll“. Die Koalition wolle in dieser Frage auch die Opposition beteiligen – „an vorderster Stelle“ die Grünen. Die Entscheidung über eine Bundeswehrbeteiligung müsse der Bundestag treffen.
Fraglich ist, ob die Bundeswehr einen größeren Beitrag personell stemmen könnte. „Grundsätzlich hat Deutschland das gleiche Problem wie viele andere europäische Staaten: Wir haben keine Truppenkontingente, die wir von heute auf morgen in die Ukraine schicken könnten“, sagte die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff jüngst der taz. „Wir haben nirgends 20.000 Leute stehen, die innerhalb kürzester Zeit verlegungsfähig wären.“ Man sei gerade dabei, eine Brigade für Litauen aufzustellen, schon das sei eine „enorme Anstrengung“.
Gebrochene Versprechen
Die Ukraine allerdings hat guten Grund, auf robusten Sicherheitsgarantien zu beharren. 1994 hatte sie Atomwaffen aus sowjetischer Zeit abgegeben. Dafür hatten ihr die USA, Großbritannien und Russland in einem Memorandum Souveränität und territoriale Integrität zugesichert – viel wert war das nicht.
Zurückhaltend zu einer Beteiligung deutscher Soldaten äußerte sich CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Die Bedingungen für den Einsatz deutscher Soldaten als Teil einer Friedenstruppe sehe er bisher „überhaupt gar nicht“. Putin wolle keinen Frieden, sagte Röttgen im ZDF. „Er will nicht mal einen Waffenstillstand.“
Siemtje Möller, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, betonte, dass auch Deutschland der Ukraine Sicherheitsgarantien geben würde. „Es steht außer Frage, dass auch Deutschland seinen Beitrag leisten wird“, so Möller. Wie dieser aussehen könnte und ob Bundeswehrsoldaten dabei eine Rolle spielen könnten, sagte sie nicht.
Ralf Stegner, SPD
Klare Worte dagegen fand der SPD-Linke Ralf Stegner: Gerade in der Ukraine und Russland seien angesichts des Zweiten Weltkrieges und des deutschen Vernichtungskrieges „Fantasien über deutsche Bodentruppen“ nicht angezeigt – ebenso wenig wie Spekulationen über eine deutsche Führungsrolle bei einer möglichen Absicherung der ukrainisch-russischen Grenze, sagte Stegner der taz. Dass Putin Soldaten aus Nato-Ländern akzeptiere, sei zudem „kaum vorstellbar“. Daher sei es besser, über Einsätze im Rahmen von der UN oder der OSZE nachzudenken. Wenn China oder Indien mit Soldaten beteiligt wären, würden Friedenssicherungen wahrscheinlicher werden.
Sinnvoller wäre Blauhelm-Einsatz, sagt Linken-Chef
Einen Einsatz von UN-Blauhelmen fordert Linken-Chef Jan van Aken. Handfeste Sicherheitsgarantien seien notwendig, sollten aber „unbedingt im Rahmen der Vereinten Nationen beschlossen und durchgeführt werden“, so van Aken. Die Vorstellung, dass es Sicherheitsgarantien nur mit Nato-Soldaten an der russisch-ukrainischen Grenze geben könne, sei „falsch und gefährlich“.
Man wisse, dass es immer wieder zu kleineren Kämpfen, Missverständnissen und Provokationen an der Grenzlinie komme. Wenn sich dann dort Nato- und russische Soldaten direkt gegenüber stehen, besteht die Gefahr eines großen Krieges, so der Parteichef.
Die Grünen haben unterdessen Sondersitzungen des Auswärtigen und des Verteidigungsausschusses noch in der Sommerpause beantragt. Das Parlament müsse in der Lage sein, über die aktuellen Fragen informiert zu diskutieren und Entscheidungen herbeizuführen.
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