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Putin vor ausländischen JournalistenInszenierung als Friedensengel

Russlands Präsident Wladimir Putin droht dem Westen mit „asymmetrischer“ Kriegführung. In Deutschland vertrete einzig die AfD vernünftige Positionen.

Der russische Präsident Putin Foto: Sputnik/ap

Berlin taz | Die Nato angreifen? „Sind denn alle völlig verrückt geworden? Sind alle nur noch dumm wie der Tisch hier? Das ist so ein hündischer Blödsinn!“ Russlands Präsident Wladimir Putin lehnt sich zurück und gefällt sich in der Rolle des flapsigen Welterklärers. 16 Jour­na­lis­t*in­nen von ausländischen Nachrichtenagenturen haben Platz genommen am langen Tisch im Lachta-Zentrum in Sankt Petersburg, dem Hauptquartier des russischen Gasriesen Gazprom. Aus „freundlichen“ und „unfreundlichen“ Ländern kämen die Medienvertreter*innen, die zum ersten Mal seit 2019 in einer solch großen Runde Russlands Präsident live treffen, sagen die Nach­rich­ten­spre­che­r*in­nen im russischen Staatsfernsehen. Die Begriffe, die Russland eingeführt hat, um klarzumachen, welche Länder sich an den Sanktionen gegen Russland nach dessen Invasion der Ukraine beteiligen, sind mittlerweile in die russische Alltagssprache eingetaucht.

Die Jour­na­lis­t*in­nen – alle sind aus ihren Ländern angereist, niemand ist als Kor­re­spon­den­t*in in Russland stationiert – wollen Putins Sicht der Dinge auf den Krieg in der Ukraine, auf die Wahlen in Europa, die Wahlen in den USA erfahren. Putin degradiert sie zu Sta­tis­t*in­nen seiner Inszenierung als Friedenssicherer der Welt.

Nach mehr als drei Stunden wissen sie das, was sie auch vor dem Gespräch bereits wussten. Denn der Kremlherrscher nutzt jeden seiner Auftritte, seine Sicht auf die Welt zu verbreiten, so verdreht und verzerrt diese sein möge. Russland sei ein friedliebendes Land, sei es immer gewesen.

Den Krieg in der Ukraine – „eine Tragödie“, wie er sagt – habe nicht Russland begonnen, sondern der Westen, weil dieser die Ukraine nicht davon abgehalten habe, 2014 einen Staatsstreich zu veranstalten (das ist die russische Version der Proteste auf dem Maidan in Kyjiw 2013 und 2014) Russland sei in Gefahr, aber es wisse sich zu wehren, wenn es angegriffen werde. Wer das Land denn angreife? Na, der Westen natürlich.

Was „Asymmetrie“ genau bedeutet, sagt Putin nicht

Der Westen – allen voran „die Angelsachsen“ – ist in Moskaus Augen schuld an allem Übel in der Welt. Nun wolle der Westen – mithilfe der Ukraine – mit seinen Waffen auch noch russisches Territorium beschießen. Doch: „Falls es jemand für möglich hält, Waffen in die Kampfzone zu liefern, um unser Gebiet anzugreifen, warum sollten wir kein Recht haben, solche Waffen in Weltregionen aufzustellen, um Angriffe auf sensible Objekte derjenigen Länder auszuführen, die das in Bezug auf Russland tun. Das heißt, die Antwort kann asymmetrisch sein“, sagt er.

Was eine solche „Asymme­trie“ bedeutet, sagt Putin nicht. Und eine Drohung? Nicht doch. Russland drohe nie jemandem. Und schon gar nicht schwinge Russland die „atomare Keule“. Wenn aber „irgendwelche Taurus-Raketen“ auftauchten, zerstöre das „natürlich die deutsch-russischen Beziehungen“, meint er. Auch das sei keine Warnung. Immerhin pflege noch eine Partei in Deutschland „normale Beziehungen“ zu Russland, meint Putin. „Wir sehen keinen Neonazismus in den Handlungen der AfD“, sagt der Kremlchef.

Dieses „große Lob“ Putins sei „schon peinlich“, sagt derweil der Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am Donnerstag. Darin rechtfertigt er nochmals den Einsatz deutscher Waffen auf russischem Territorium. „Frieden sichern heißt heute, die Ukraine zu unterstützen.“ Auch deshalb reise er in der kommenden Woche zum Friedensgipfel in die Schweiz. Deutschland mache sich durch die Erlaubnis, deutsche Waffen gegen russisches Territorium einzusetzen, zu keiner Kriegspartei.

In den Augen Russlands ist Deutschland das allerdings längst.

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6 Kommentare

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  • Die NATO anzugreifen ist ja auch wirklich Blödsinn. Solche Bemerkungen aus dem Kreml werden ja nur getätigt, um den Menschen in Europa Angst zu machen - was ja auch funktioniert



    Letztendlich geht es aus russischer Sicht um knallharte Geopolitik "aufgepeppt" mit nationalistischer Folklore.



    Russland wird sein Hauptziel, nämlich eine Verhindertung einer Anbindung der Ukraine an den Westen, vermutlich erreichen - die Frage ist eigentlich nur noch wie viele zusätzliche Gebiet es als "Bonus" noch geben wird und wieviele Menschen noch sterben müssen.



    Auch mit einem Verbrecher wie Putin hätte man sich durchaus diplomatisch arrangieren können uns das wird am Ende auch tun.



    Leider ist bei der westlichen Seite "Gesichtsverlust" ein großes Problem, da man sich mit vielen Formulierungen sehr weit aus dem Fenster gelehnt.



    Ernsthafte Bemühungen wird es wohl erst nach den USA Wahlen geben - ein gutes Ergebnis für die Ukraine ist nach so vielen Toten und Zerstörung gar nicht mehr möglich. Die Frage wird dann wohl eher sein wie schlecht das Ergebnis sein wird. Im Worst Case wäre Trump Präsident und Europa noch stärker durch einen Rechtsrutsch geprägt.

  • Unfreiwillig unterhaltsam, der abdämmernde Präsident. Aber leider noch gefährlich.

    Einer Partei gab er ja jetzt den Todeskuss. Wer jetzt noch die Putinpartei wählt, wüsste, was er diesmal tut.

    • @Janix:

      Die besagte Partei vertritt - ob nun aus erkaufter oder diktatur-affiner Putin-Treue oder aus stumpfer nationaler Beschränktheit - primär die schlichte These, dass der russische Feldzug in der Ukraine das Problem der Ukraine und der Russen sei und nicht das der deutschen Wähler. Deren Problem liege vielmehr in hohen Gaspreisen und dem überflüssigen Ärger mit einem überschwer bewaffneten Fast-Nachbarn. Putin findet, dass er nunmal die Ukraine besiegen will (was ohnehin eigentlich eine innerrussische Angelegenheit sei), die beschriebene Einstellung zu dem Konflikt daher den Umständen optimal angepasst sei und man im Übrigen wohl mal sagen können müsse, dass [...] ohne gleich als Faschist zu gelten.

      So sehr ich es dieser Partei wünschen würde - ich glaube nicht, dass dieses Lob ein Todeskuss ist. Selbst wer unter den gegenwärtigen Anhängern der AfD Putin nicht offen oder klammheimlich bewundert, wird seine positive Meinung über diese Partei dadurch nicht groß ändern.

      • @Normalo:

        Der harte Kern wird sich nicht beeinflussen lassen. Die Protestwähler jedoch aus dem bürgerlichen bis sozialdemokratischen Lager, die vielleicht zu viele Menschen mit ungewohntem Teint auf der Straße empfinden oder was auch immer, haben jetzt nicht nur BSW als sozialere Variante,



        sondern ihnen dämmert, dass es den ADis nicht um Deutschland geht, sondern um ihre persönliche Karriere und Geld u.a. aus Moskau.



        Ich denke, das wird den Aufstieg der ADis jetzt bremsen, bin aber auch dabei, dass noch viel zu tun ist.

        • @Janix:

          BSW kann durchaus eine Lücke im Parteiensystem füllen und der AFD Wähler streitig machen. Trotzdem finde ich es absurd, dass öfter BSW mit AFD verglichen wird bzgl Migrationspolitik und Russlandpolitik, obwohl zwischen den Positionen Welten liegen.



          BSW ist für strengere Regulierung illegaler Einwanderung mit dem Verweis, dass Einwanderung aus humanitären Gründen einfacher zu gestalten sei.



          Die AFD hingegen ist generell gegen Einwanderung.



          Bzl Russland vertritt BSW die Position, dass man Putin einen Waffenstillstand vorschlagen soll und wenn beide Seiten sich dran halten, soll die Lieferung von Waffen an die Ukraine gestoppt werden.



          Die AFD hingegen möchte einfach nur die Lieferung von Waffen einstellen.



          Man muss die Positionen vom BSW ja nicht teilen, aber zu suggerieren, dass die Partei eine AFD light wäre ist unlauter. Gibt es übrigens eine andere Partei, die so viel Abgeordnete mit Migrationshintergrund wie BSW hat?

  • Klingt ein wenig nach einer Volksabstimmung.