piwik no script img

Puigdemont bleibt in BrüsselFür Donnerstag vorgeladen

Der abgesetzte katalanische Regierungschef will nicht nach Spanien zurückkehren. Dort droht ihm ein Prozess. Aber darf er sich dauerhaft in Belgien aufhalten?

Der abgesetzte katalanische Regierungschef gibt nach seiner Flucht in Brüssel eine Pressekonferenz Foto: ap

Brüssel ap | Der katalanische Ex-Regierungschef Carles Puigdemont wird nach Angaben seines belgischen Anwalts vorerst nicht nach Spanien zurückkehren. „Wie es derzeit aussieht, sehe ich nicht, dass er in den nächsten paar Wochen zurückgeht“, sagte Paul Bekaert in einem Interview, das der Fernsehsender VTM am Mittwoch ausstrahlte. Zum ersten Anhörungstermin vor einem spanischen Gericht am Donnerstag werde Puigdemont nicht erscheinen. „Er geht nicht nach Madrid“, antwortete der Anwalt, als er danach gefragt wurde.

Puigdemont und den anderen Mitgliedern seines Kabinetts droht in Spanien der Prozess. Sie könnten jahrzehntelang in Haft kommen, nachdem das Regionalparlament am Freitag für die Abspaltung Kataloniens von Spanien gestimmt hatte.

Falls Spanien eine Auslieferung Puigdemonts beantragt, liege die Entscheidung bei belgischen Richtern, sagte Bekaert.

Mehrere ehemalige Kabinettsmitglieder waren am Dienstag aus Brüssel nach Barcelona zurückgekehrt. Sie wurden am Flughafen von Demonstranten empfangen, die spanische Flaggen schwenkten und „Lang lebe Spanien“ riefen.

Allen 14 Mitgliedern des abgesetzten Kabinetts wird von der spanischen Generalstaatsanwaltschaft Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung vorgeworfen. Unter ihnen ist neben Puigdemont auch dessen Vize Oriol Junqueras. Sie sollten am Donnerstag zu einer ersten Anhörung vor dem Nationalgericht in Madrid erscheinen. Ein Haftbefehl gegen die Kabinettsmitglieder könnte frühestens am Freitag ausgestellt werden.

Beschlagnahme des Vermögens droht

Untersuchungsrichterin Carmen Lamela ordnete die 14 Politiker an, 6,2 Millionen Euro als Sicherheit zu hinterlegen. Mit dem Geld sollten mögliche Kosten im Zusammenhang mit dem Referendum vom 1. Oktober gedeckt werden. Sollte das Geld nicht gezahlt werden, riskierten Puigdemont und Junqueras die Beschlagnahmung ihres Vermögens.

Puigdemont verlangte am Dienstag Freiheit und Sicherheit. Er werde zurückkehren, wenn ihm ein fairer Prozess garantiert werde, sagte er. Am Freitag hatte ihn die Zentralregierung abgesetzt, das Regionalparlament wurde aufgelöst und für den 21. Dezember Neuwahlen angesetzt. Das spanische Verfassungsgericht setzte die Unabhängigkeitserklärung aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Freiheit gibt es nur fuer Voelker ausserhalb der EU ???

    In Belgien befindet sich Puigdemont a/d richtigen Stelle beim EU-Parlament.Jetzt koennen die EU-Politiker sich nicht mehr verstecken und muessen prinzipiellen Aussagen machen ueber Freiheit fuer Voelker/Bevoelkerungsgruppen mit vernichtenden Folgen fuer die Erweiterungspolitik der EU.

    EU-Erweiterungsabteilung sofort aufloesen.Wenn Katalonien im Balkan,in Russland,China gelegen waere,haetten EU-Politiker geschriehen fuer Freiheit f Voelker ungeachtet dortige Konstitution.Jetzt im Falle Kataloniens wo es der EU-Eliten besser passt nicht ueber Freiheit f Voelker zu sprechen ist Freiheit eine hohle Frase geworden+versteckt man sich hinter der Konstitution.Weshalb musste Kosovo ohne Referendum unabhaengig werden,was Katalonien verweigert wird? Kosovo ist nicht lebensfaehig+wird bis auf unabsehbare Zeit viele MIllionen v Euros kosten f EUsteuerzahler.Der Gipfel ist wirklich J.C.Juncker der sagte er kann nicht vermitteln,sonst koennten 100 EU-Staaten entstehen.Also es gibt Freiheit in Klassen.In Ukraine wird einen Putsch befoerdert zugunsten der EU mit 10.000 Toten,2.5 mio Fluechtlingen+Halbierung des dortigen Lebensstandards,Parlamentswahlen sind abgeschafft.Im Balkan werden unlebensfaehige Ministaaten unter 1 mio Einwohner zur EU+Unabhaengigkeit gedraengt

  • Freiheit und Sicherheit? Darüber werden unabhängige Gerichte entscheiden müssen, was ihm jedoch kein Staatschef zusichern kann. Selbstverständlich wird er einen fairen Prozess bekommen, Spanien ist ein demokratisches Land mit einer funktionierenden Gewaltenteilung. Mit seiner Forderung klingt ein wenig wie ein Bankräuber, der sich seinen Richter selbst aussuchen möchte.

    • @DiMa:

      Sie meinen das demokratische Spanien, dass den Jungs der ETA und der Batasuna und jeden den man dafür hielt private Söldner hinterhergeschickt hat, um sie, auch in Frankreich, umzubringen? Das ist spanische Gerechtigkeit, Judikative und abschließende Exekutive in einem. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Grupos_Antiterroristas_de_Liberaci%C3%B3n

      • @Sven Günther:

        Die GAL - die nie eine staatliche Organisation war, die es seit 30 Jahren nicht mehr gibt - und deren Anführer und Mitglieder vor Gericht gestellt und verurteilt wurden - DAS ist Ihr Argument das man in der Gegenwart spanischen Gerichten nicht trauen kann ...

      • @Sven Günther:

        Jupp. Schließlich wurde der verantwortliche Innenminister nach Bekanntwerden des schmutzigen Krieges von eben jenem Justitzsystem verurteilt.

        • 8G
          82236 (Profil gelöscht)
          @DiMa:

          Der eigentliche Verantwortliche Felipe Gonzalez läuft aber noch frei rum und treibt sein Unwesen innerhalb der PSOE...und was die Unabhängigkeit der spanischen Justiz anbetrifft, haben Sie sicherlich schon mal von Joaquim Bosch gehört und seiner Bewegung Richterinnen und Richter für die Demokratie. Die blosse Existenz einer solchen Bewegung sollte doch einige Fragen aufwerfen oder kennen Sie eine ähnliche Bewegung unter den Richtern der Bundesrepublik?

          • @82236 (Profil gelöscht):

            Wir haben hier einen ziemlich starken Deutschen Richterbund und niemand kommt aufgrund dieser Tatsache auf die Idee, an der Rechtsstaatlichkeit zu zweifeln.

             

            Ob Gonzalez beteiligt war und ob Anklage hätte erhoben werden müssen hat mit einer möglichen Anglage gegen Puigdemont nun wirklich nichts zu tun. Unsere RAF Zeiten waren auch nicht die Besten.

             

            Eine Verurteilung wegen Rebellion hat er wegen Gewaltlosigkeit eh nicht zu befürchten. Ungehorsam, Rechtsbeugung, Amtsanmaßung und Unterschlagung öffentlicher Gelder werden es wohl werden. Zivilrechtlich wird möglicherweise teuer. Dafür geht man doch nicht ins Exil. Einen Prozess könnte er noch als Bühne benutzen; stattdessen gibt er den Feigling.

            • 8G
              82236 (Profil gelöscht)
              @DiMa:

              Gonzalez war in Bezug auf die GAl, hat aber etwas mit dem spanischen Rechtssystem zu tun, dass z.B. eine Studentin zu zwei Jahren Haft wegen Verherrlichung von Terrorakten verurteilt hat, weil sie auf twitter Witze über die Himmelfahrt von Francos ex Minister Carerro Blanco gemacht hat, der mit einer von der ETA gezündeten Bombe in die Luft gesprengt wurde. Deswegen würde ich an Ihrer Stelle nicht so sicher sein, was die Höhe des Strafmasses bei einer Veurteilung von Puidgedemont angeht...

  • Die Schwäche der Regierung in Madrid besteht darin, die berechtigten Anliegen der Bewohner Kataloniens nicht zur Kenntnis zu nehmen und statt dessen mit Repression zu reagieren. Das wird Europa noch eine Weile beschäftigen.

     

    Dass die großen Medien in Europa - etwa die Tagesschau - sehr kurzatmig und kurzsichtig berichten ist nicht hilfreich für die Rolle die Europa zur friedlichen Lösung dieses Konfliktes einnehmen müsste und könnte.

     

    Eine gute Zusammenfassung, die den Hintergrund des aktuellen Konfliktes verstehbar beschreibt, findet sich hier: https://www.peira.org/katalonienkrise-die-staats-nation-ist-das-problem/

     

    Der Autor ist Hans-Ingo Radatz, Professor für romanische Sprachwissenschaft an der Universität Bamberg. Er beobachtet die Situation in Spanien seit 35 Jahren.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Hanno Homie:

      Zunächst einmal musste der verfassungegemäße Zustand wiederhergestellt werden. Dann muss es eine Regierung für Katalonien geben, die alte ist schliesslich abgesetzt und ihr Möchtegernpräser feige desertiert.

      By the way, gut für ihn, dass Katalonien als Teil Spaniens Teil der EU ist, sonst hätte der ulkige Expräsidentendarsteller Belgien gar nicht betreten können, so ohne Visum...

      Und wenn eine neue Regierung gewählt wurde, kann man sich an einen Tisch setzen und ohne Erpressung, Schaffung vollendeter Tatsachen und absolut im demokratischen und rechtsstaatlichen Rahmen eine innerspanische Lösung finden. Mit allen Regionen übrigens.