Prozesse nach Waldbesetzung in Flensburg: Hausfriedensbruch im Wäldchen?
Wegen der Besetzung des Flensburger Bahnhofswaldes steht eine Aktivistin vor Gericht. Ein anderes Verfahren wurde eingestellt.
Poddig droht nun eine hohe Strafe, weil die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass sie sich wochenlang auf dem Gelände aufgehalten und dort in selbst gebauten Baumhäusern gelebt habe. Gleichzeitig bietet die Staatsanwaltschaft einem Mitstreiter von Poddig an, dessen Verfahren einzustellen – wegen Geringfügigkeit und fehlenden öffentlichen Interesses.
Passt nicht zusammen, finden beide. Poddig kritisiert, dass die Verfahren gegen die Personen, die ohne Genehmigung Bäume ansägten und damit Menschen gefährdeten, nie eröffnet wurden.
In dem Wäldchen an der Straße, die zum Bahnhof führt, wollten Flensburger Investoren in Kooperation mit einer chinesischen Investmentfirma ein Intercity-Hotel mit rund 150 Zimmern, Veranstaltungsräumen und einem angrenzenden Parkhaus bauen. Um das Projekt hatte es jahrelang politischen Streit im Stadtrat gegeben.
Parkhaus für Pendler
Am Ende erhielten die Investoren die Genehmigung. Die Stadtverwaltung, damals unter Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD), sah Vorteile und versprach sich vom bahnhofsnahen Parkhaus mehr Zug-Pendler*innen.
Doch es gab Proteste von Anwohner*innen, die die grüne Oase erhalten wollten. Im Herbst 2020 errichtete eine Gruppe von Aktivist*innen mehrere Baumhäuser in den Wipfeln. Schwierig war das nicht: Zwar waren am Rand des Geländes Reste eines Maschendrahtzauns zu erkennen, aber jede*r konnte vom Gehweg oder von einem benachbarten Parkplatz in den Wald gelangen. Die Frage, ob das Betreten eines öffentlichen Waldes Hausfriedensbruch sei, spielte bei mehreren Prozessen eine Rolle.
„Die Gesamtschau ist spannend“, sagt Hanna Poddig. „Was wird angeklagt, was nicht?“ Ihr drohen nach dem Willen der Staatsanwaltschaft 60 Tagessätze – in anderen Fällen ging es um 15 Tagessätze.
So auch im Fall von Philipp A., der in der ersten Instanz freigesprochen wurde: Die Flensburger Richterin hatte anerkannt, dass die Aktivist*innen sich gegen den Notstand der Klimakatastrophe einsetzten, und dieses Anliegen höher zu bewerten sei als das Betreten des Wäldchens. Doch das Oberlandesgericht in Schleswig hob den Freispruch auf. Nun soll der Fall eingestellt werden.
Hanna Poddig, Aktivistin
Noch haben A. und sein Verteidiger Alexander Hoffmann nicht angenommen. Aber A. glaubt, dass sich die mögliche Einstellung seines Verfahrens auswirken könnte: „Wenn es hier nur eine geringe Schuld und kein öffentliches Interesse gibt, warum sollte das nicht für die anderen Fälle gelten?“ Hoffmann sieht auch höhere Hürden durch den Prozess in Schleswig: „Das Oberlandesgericht hat klargelegt, welche Beweise für eine Verurteilung erbracht werden müssten.“
Hanna Poddig verweist außerdem darauf, dass die Staatsanwaltschaft zwar gegen die Aktivist*innen vorgeht, aber die Ermittlungen gegen die Arbeiter*innen eingestellt hat, die im Februar 2021 ohne Genehmigung Bäume ansägten, darunter auch einen, auf dem eine Person saß. „Der Baum war hoch. Wenn die Person gefallen wäre, wäre sie sehr wahrscheinlich tot“, sagt Poddig. „Die Ermittlungen einzustellen bedeutet im Grunde, dass die Staatsanwaltschaft sagt, für den Hotelbau sei es erlaubt, über Leichen zu gehen.“
Nachdem Firmen im Auftrag der Investoren mehrere Bäume angesägt hatten, drohte Sturzgefahr, daher wurde ein Teil des Waldes abgeholzt. Doch eine Klage des BUND verhinderte den Baubeginn. Inzwischen ist unklar, ob das Hotel jemals entsteht.
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