Prozessbeginn in Stuttgart: Ausrüstung nach Syrien gebracht
Deutsch-Libanesen sollen Ausrüstung an die Dschihadistengruppe Arhar al-Scham geliefert haben. Nun wird ihnen der Prozess gemacht.
Kassem El R. ist Anfang 30 und studierte an der Universität Bonn Elektrotechnik. Zusammen mit Frau und drei Kindern lebte er in einem Studentenwohnheim. Mehrfach soll El R. für die syrische Gruppe Gegenstände geliefert haben, die ihre Kampfkraft verbessern sollten. Im Frühjahr 2013 brachte er zwei militärisch nutzbare Funkscanner nach Syrien. Anschließend überführte er fünf Krankenwagen.
Die größte Lieferung folgte Ende 2013: rund 7.500 Stiefel, 6.000 Militärparkas und 100 Militärhemden im Wert von 130.000 Euro. Allerdings wurde diese Lieferung der Gruppe bei einem Überfall wieder abgenommen.
Arhar al-Scham ist eine der größten dschihadistischen Rebellenorganisationen Syriens. Zeitweise hatte sie bis zu 20.000 Kämpfer. Der volle Titel der Organisation lautet Harakat Ahrar al-Scham al-Islamia (Islamische Bewegung der Freien Männer Großsyriens). Sie gehört zum Oppositionsbündnis Islamische Front und strebt einen Gottesstaat an. Mitte 2014 starb aber fast die gesamte Führung von Ahrar al-Scham bei einem Bombenanschlag, für den niemand die Verantwortung übernahm.
Fünf terroristische Vereinigungen
Die Bundesanwaltschaft stuft Ahrar al-Scham als ausländische terroristische Vereinigung ein. Das Bundesjustizministerium hat die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegeben, was bei ausländischen Terrorgruppen erforderlich ist.
Derzeit wird in Deutschland gegen Mitglieder und Unterstützer von fünf syrischen terroristischen Vereinigungen ermittelt. Neben Ahrar al-Scham und dem „Islamischen Staat“ (IS) sind dies Dschabhat al-Nusra, Dschunud al-Scham und Dschaish al-Muhadschirin wal Ansar (Jamwa). Gegen die „Freie Syrische Armee“ hat Justizminister Maas keine Ermittlungen erlaubt, obwohl auch diese mit Waffengewalt gegen das Regime von Baschar al-Assad kämpft.
Der Bundesgerichtshof hat im Oktober im Fall der „Allgäuer Islamistin“ entschieden, dass das deutsche Antiterrorstrafrecht auf ausländische Bürgerkriege nur zurückhaltend angewandt werden soll. Dort ging es um die angebliche Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat durch eine Frau, die in Syrien das Schießen nur lernte, um sich und ihre Kinder gegen Angriffe der Regierungsarmee verteidigen zu können. Die Bundesanwaltschaft sieht keine Auswirkungen des BGH-Urteils auf den Arhar al-Scham-Prozess.
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