Prozess zum Mord an Walter Lübcke: Die Geständnisse des Stefan Ernst
Im Prozess um den Mord am Politiker Walter Lübcke betont der Angeklagte, er habe ihn getötet. Seine Verteidiger hätten ihm Falschaussagen empfohlen.
„Ich bin stolz darauf“, bekennt er sich zu den Werten einer offenen Gesellschaft. „Wer diese Werte nicht vertritt, der kann das Land verlassen.“ Diese Worte Lübckes gehen damals in Buhrufen aus dem Publikum unter. Einer der Empörten tut sich besonders hervor: „Ich glaub’s nicht“, brüllt er, und: „Verschwinde!“
„Waren Sie das?“, fragt der Vorsitzende Richter den Angeklagten Stephan Ernst am Montag. „Ja“, antwortet der Mann, der den Mord an Lübcke inzwischen mehrfach gestanden hat.
Vom Tag des Lübcke-Autritts an waren Ernst und sein Mitangeklagter Markus H. offenbar auf Rache aus. Im Juni 2019 dann wird Lübcke erschossen auf der Terrasse seines Gartens aufgefunden. Man habe erst überlegt, bei Lübcke eine Scheibe einzuwerfen oder sein Haus zu besprühen, sagt Ernst Dann hätten sie erwogen, sein Auto zu präparieren. Schließlich hätten sie einen „Besuch“ geplant, um ihn zu „schlagen“. Viermal sei Ernst in der Folgezeit nach Istha gefahren, um Lübckes Wohnort auszukundschaften. Auch H. sei zweimal dabei gewesen. Die Planungen der beiden radikalisierten sich. „Der endgültige Entschluss war im April 2019 gefallen“, antwortet Ernst auf die Frage nach der Entscheidung, Lübcke zu töten.
Ein Geständnis pro Verteidiger
Seit drei Verhandlungstagen bleibt Ernst konsequent bei dieser dritten Version seines Geständnisses, mit der er sich selbst und seinen Mitangeklagten schwer belastet. Gemeinsam hätten sie die Tat geplant und ausgeführt. Nicht H., sondern er selbst habe geschossen, gezielt, auf den Kopf, in Tötungsabsicht.
Drei Verhandlungstage lang hat Ernst viele detaillierte Fragen beantwortet. Die jetzige Darstellung widerspricht früheren Aussagen deutlich. Ernsts Erklärung dafür: Seine Verteidiger hätten ihm jeweils dazu geraten. Sein erster Verteidiger habe ihm gar finanzielle Unterstützung zugesichert, sollte er aussagen und dabei H. „außen vor“ lassen. Sein zweiter Anwalt Frank Hannig, von dem Ernst sich inzwischen getrennt hat, habe ihm dann geraten, H. zu belasten: Der habe die Waffe gehalten, als der Schuss sich versehentlich gelöst habe.
Es fällt tatsächlich nicht leicht, die diversen Wendungen nachzuvollziehen, in denen Ernst die entscheidenden Stunden dieses Falles geschildert hat. Auch die Geschichten über seine Verteidiger klingen ungeheuerlich; völlig ausgeschlossen scheint aber nicht, dass der mutmaßliche Mörder – psychisch instabil und von seiner Tat und der Verhaftung erschüttert – auf falsche Ratgeber gehört hat.
Die Verteidigung des wegen Beihilfe angeklagten H. hat vorsichtshalber beantragt, Ernsts Glaubwürdigkeit begutachten zu lassen. Schließlich könnte H. auch als Mörder verurteilt werden, sollte das Gericht Ernsts zweiter Einlassung folgen. In einem Antrag zitiert H.s Verteidigung aus den Gerichtsakten. Danach seien bei Ernst bereits 1994 schizoide Züge diagnostiziert worden, später habe es Hinweise auf ein Borderline-Syndrom gegeben.
Über H.s Motive erfährt das Gericht nur durch den Hauptangeklagten. „Das geht in die Richtung Reichsbürger“, sagt Ernst. Bei der Durchsuchung von H.s Wohnung fand die Polizei die Kappe einer Zyklon-B-Gasflasche, offenbar genutzt als Stifthalter. „NS-Devotionalien waren halt sein Ding“, sagt Ernst. In den Bücherregalen standen Heldengeschichten über die Waffen-SS. Vor den Büchern paradierten Zinnsoldaten in SS- oder Wehrmachtsuniform im Stechschritt und mit Hitlergruß.
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