Prozess gegen „Querdenken“-Chef Ballweg: Verrannte Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft machte „Querdenker“ Michael Ballweg unnötigerweise zu einem Opfer von Staats-Repression. Zum Glück ist er jetzt freigesprochen.

A m Ende hat die Staatsanwaltschaft den Oberquerdenker Michael Ballweg zu dem gemacht, was die ganze Bewegung schon immer von sich behauptet hat: zu einem unschuldigen Opfer staatlicher Maßnahmen. Von den ursprünglichen Vorwürfen des tausendfachen Betrugs, der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung bleiben am Ende eine Hundematte und ein Parfümflakon, die er falsch verbucht hatte. Der bis dahin unbescholtene Ballweg saß dafür neun Monate in Untersuchungshaft und wurde bei einer Vernehmung sogar mit Handschellen an einem Tisch fixiert.
Aber es war kein politisches Verfahren, wie Ballweg und seine Anhänger stets behaupteten. Es ist geboten, dass die Staatsanwaltschaft hinguckt, wenn einer vor Tausenden politischen Demonstranten zu „Schenkungen“ aufruft. Man kann verstehen, dass es der Staat nicht auf sich beruhen lässt, wenn einer wie Ballweg auf Youtube demonstrativ mit dem Gedanken spielt, keine Steuern mehr zu zahlen, weil er mit den Coronamaßnahmen nicht einverstanden ist.
Aber wenn schon die Anklage vom Gericht nicht in vollem Umfang zugelassen wird und sich dann im Verfahren abzeichnet, dass die zuständige Kammer die Grundannahme der Anklage nicht teilt und das wiederholt zu verstehen gibt, dann wäre es mit Sicherheit klüger gewesen, einer Verständigung mit dem Angeklagten zuzustimmen.
Die Staatsanwaltschaft hat sich ganz offenbar verrannt; vielleicht gab es auch Weisungen aus dem Justizministerium von Baden-Württemberg, das hätte dann ein G’schmäckle. Die Staatsanwaltschaft scheint jetzt gut beraten, nicht noch das Abenteuer eines Revisionsantrags vor dem Bundesgerichtshof zu unternehmen und damit Ballweg, der während des Verfahrens mit seinen windelweichen Slogans und Friedenstaubens-Signets vollends zu einer schlechten Parodie des zivilen Widerstands wurde, nicht noch einmal eine Bühne für seine peinliche Travestie zu geben. Ein weiteres Verfahren würde ihn und seine Anhänger nur in dem Glauben bestärken „einmal Rebell, immer Rebell“ zu sein, wie es gestern auf seinem Shirt stand.
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