Prozess gegen „Pro Köln“: Auf der Flucht
Der Prozessbeginn gegen „Pro Köln“-Funktionäre muss verschoben werden, weil der Hauptangeklagte fehlt. Jetzt sucht ihn die Polizei.
KÖLN taz | Die Auftaktverhandlung im Prozess gegen führende Funktionäre der „Bürgerbewegung Pro Köln“ ist geplatzt. Der Hauptangeklagte Jörg Uckermann erschien am Freitag nicht vor der 12. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts. Angeblich habe er sich ganz plötzlich zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus begeben müssen. Sein Verteidiger konnte allerdings nicht angeben, in welches. Der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern äußerte Zweifel an der Darstellung und erließ Haftbefehl wegen unentschuldigten Fehlens. Gleichwohl blieb dem Gericht nichts anders als die Vertagung übrig.
Die Staatsanwaltschaft wirft vier der fünf Ratsmitglieder von „Pro Köln“ bandenmäßigen Betrug vor. Uckermann und seine Mitstreiter Bernd Schöppe, Markus Wiener und Fraktionschefin Judith Wolter sollen von 2008 bis 2012 in mehreren hundert Fällen falsche Teilnehmerlisten zu Fraktions- und Arbeitskreissitzungen abgezeichnet haben. Mit den mutmaßlich gefälschten Listen sollen von der Stadt Köln mehrere 10.000 Euro an Sitzungsgeldern, Fahrtkosten und Leistungen wegen Verdienstausfall ergaunert worden sein.
Allein Uckermann, der 2008 von der CDU zu der rechtsextremen Wählervereinigung gewechselt ist, werden mehr als 200 Betrugsfälle angelastet. So soll der bereits mehrfach verurteilte 45-jährige Vizefraktionsvorsitzende nicht nur Sitzungen abgerechnet haben, an denen er nicht teilgenommen hatte. Ihm wird auch vorgeworfen, zu Unrecht Verdienstausfallzahlungen in Höhe von insgesamt 8.000 Euro geltend gemacht und sich Sozialleistungen von über 7.000 Euro erschlichen zu haben.
Wie aus einem von Richter Bern verlesenen Brief hervorging, hatte Uckermann bereits Mitte Februar eine Verlegung des Prozesstermins verlangt. Seine Begründung: Bei der Plakatierung für die Kommunalwahl im Mai, die an diesem Freitag startete, sei er als Leiter eines „Pro-Köln“-Plakatiertrupps unabkömmlich. Das Gericht hielt das für kein überzeugendes Argument. Jetzt sucht die Polizei nach Uckermann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr