piwik no script img

Prozess gegen PolizistenDie Todesschüsse von Schönfließ

Ende 2008 erschießt ein Polizist den Autoknacker Dennis J. Er feuerte acht Schüsse auf ihn und sagt heute er habe aus Notwehr gehandelt. Vermutlich war schon die erste Kugel tödlich.

Familie, Freunde und Bekannte des getöteten Dennis J., etwa 250 Personen, zogen Mitte Januar 2009 in einem Trauermarsch von Berlin-Neukölln zum Polizeipräsidium. Bild: dpa

BERLIN taz | Nördlich von Berlin, kurz hinter der Stadtgrenze, liegt Schönfließ: eine blank geputzte Reihenhaussiedlung, in der Kinder auf der Straße spielen, Väter und Mütter im Sportdress zum Joggen losziehen und sich vor den Gartenzäunen Mittelklassewagen an Mittelklassewagen reiht. Die Schilder tragen Namen wie Spitzahornweg, Weidenweg und Feldahornstraße.

Nur das Graffito an der Rückwand der Einkaufspassage passt nicht ins Bild. "R.I.P. Jockel" ist in großen schwarzen Buchstaben an die ansonsten blütenweiße Hauswand geschrieben. R.I.P.: Rest In Peace - gewidmet dem 26-jährigen Dennis J. aus Berlin-Neukölln von seinen Neuköllner Freunden, die sich auf der Hauswand mit Namen wie Adis, Volle, Stev, David und James verewigt haben. Hätte man diese jungen Männer vor ein paar Jahren gefragt, was Schönfließ ist, sie hätten die Achseln gezuckt.

Am Silvesterabend 2008 hat sich das geändert. Seither ist Schönfließ für sie als der Ort gebrandmarkt, an dem sie einen ihrer besten Kumpel verloren haben: Dennis J., Jockel genannt. An dem Abend wurde der mit Haftbefehl gesuchte Autoknacker in der Siedlung von einem Berliner Polizeikommissar, der als Zivilfahnder eingesetzt war, erschossen. Dennis J. hatte in einem gestohlenen Jaguar in einer Parkbucht auf seine Freundin gewartet, die in Schönfließ wohnte.

Tod durch Polizistenkugeln

Sieben Menschen starben 2009 in Deutschland durch Polizeikugeln, 2008 waren es zehn, 2007 zwölf.

Es wird in jedem Fall ermittelt, ob die Schussabgabe aufgrund von Notwehr oder -hilfe berechtigt war oder Anhaltspunkte für eine fahrlässige oder gar vorsätzlicheTötung vorliegen. Über den Ausgang der Verfahren gibt es keine Statistiken. Es ist kein Geheimnis, dass Verfahren gegen Polizisten oft wegen Notwehr oder -hilfe eingestellt werden. So auch geschehen im Fall des von 12 Polizeikugeln durchsiebten 24-jährigen Studenten aus Regensburg, Tennessee Eisenberg. Die Familie des Getöteten hat ein Klageerzwingungsverfahren eingereicht.

Am Dienstag beginnt vor dem Landgericht Neuruppin der Prozess gegen den 36-jährigen Todesschützen Reinhard R. und zwei seiner Kollegen. Es verspricht ein aufsehenerregender Prozess zu werden. Denn anders als die Staatsanwaltschaft, die dem R. Totschlag vorwirft, geht dessen Verteidiger davon aus, sein Mandant müsse freigesprochen werden, weil er in Notwehr oder Nothilfe gehandelt habe.

Zusammen mit zwei Kollegen, die auch in Zivil waren, war R. an jenem Abend nach Schönfließ gefahren, weil er den Hinweis bekommen hatte, dass Dennis J. dort auf seine Freundin warte. Insgesamt acht Schüsse - das ganze Magazin also - soll R. auf den jungen Mann abgefeuert haben. Aber schon der erste Schuss, so die Auffassung der Anklagebehörde, war der todbringende.

Der Schuss sei aus kürzester Distanz durch das Fenster der Fahrertür des Jaguar abgegeben worden, in dem J. saß. Die anderen Schüsse seien gefallen, als der laut Obduktionsgutachten mit Kokain zugedröhnte Dennis J. - obwohl tödlich verletzt - den Jaguar startete, losfuhr und dabei einen der auf der Straße stehenden Zivilfahnder streifte. J. kam mit dem Jaguar nur 200 Meter weit. Bei der Einkaufspassage, wo heute das Graffito zu sehen ist, prallte der Wagen auf geparkte Autos. Da war der 26-Jährige hinter dem Steuer vermutlich schon tot.

Für die Polizisten habe keine Notwehrsituation bestanden, meint die Staatsanwaltschaft. Den zwei mitangeklagten 33- und 59-jährigen Kollegen von R. wirft sie vor, falsche Angaben gemacht zu haben, um eine Bestrafung des Schützen zu verhindern. Nicht mal die Schüsse wollen die beiden wegen des Lärms von Silvesterknallern gehört haben.

Kein Gewalttäter

Dennis J. ist im Schillerkiez in Berlin-Neukölln groß geworden. In dem Viertel leben viele arme Leute, der Migrantenanteil ist hoch. Auch J. kam aus einfachen Verhältnissen. Seine Eltern trennten sich früh. Er und seine Schwester wuchsen bei der Mutter auf. Dennis halber Freundeskreis habe aus im Kiez geborenen arabischen und türkischen Migranten bestanden, erzählt der gebürtige Araber Walid O. Er betreibt eine Shisha Bar.

Dennis J.s Schwester ist mit einem gebürtigen Türken verheiratet, dem 29-jährigen Gebäudereiniger Kemal K. "Dass Jockel ein Deutscher war, hat man überhaupt nicht gemerkt", sagt er.

Dennis J. war, was man gemeinhin einen Serienstraftäter nennt: Einbrüche, Diebstahl, Nötigung, Sachbeschädigung und immer wieder Fahren ohne Führerschein. Damit fing alles an, erzählt sein Schwager. "Die typische Neuköllner Geschichte halt. Was tut ein 13-, 14-Jähriger, der gelangweilt auf der Straße rumhängt? Er schnappt sich 'ne Karre und fährt damit herum." Immer wieder wurde Dennis J. erwischt. Es folgte die klassische Karriere: Jugendarrestanstalt, Jugendknast, Männerknast. "Er ging immer rein und raus. Wer 160 Straftaten auf dem Kerbholz hat, ist kein Engel. Aber er war kein Gewalttäter", betont sein Schwager.

Es gab auch Ruhephasen. Im Jugendknast machte J. eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker. "Mopeds waren sein ein und alles", erzählt der Schwager. Danach habe Dennis sogar eine Weile in einem Angestelltenverhältnis als Mechaniker gearbeitet. Ein fanatischer Bastler sei er gewesen, immer habe er seinen Freunden geholfen. Jeden zweiten Roller in Neukölln habe er frisiert. "Er hatte Benzin im Blut."

Die schlimmste Strafe für Dennis J. war, dass er aufgrund seiner zahlreichen Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis keinen Führerschein machen durfte, sagt sein Schwager. Was aber noch fataler war: dass Dennis J., anders als seine Jugendfreunde, nicht den Absprung aus der Kriminalität geschafft habe. Im Gegenteil. Er habe sich mehr und mehr mit den falschen Leuten umgeben.

Zu guter Letzt lagen drei Haftbefehle gegen Dennis J. vor. Einer rührte daher, dass er im Sommer 2008 nach einem Einbruchsversuch gegen einen Polizisten Pfefferspray eingesetzt hatte, um der Festnahme zu entgehen. Ein anderes Mal hängte er einen Funkwagen filmreif ab, in dem er bei Rot über Kreuzungen und Bürgersteige raste. Dass er schließlich doch festgenommen wurde, lag daran, dass sein Auto nach mehreren Unfällen liegen blieb.

Dienstlicher Übereifer

Den Tipp, dass der Gesuchte am Silvesterabend 2008 nach Schönfließ kommen würde, um seine Freundin abzuholen, hatten die Polizisten von deren Familie bekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte R. schon ein paar Wochen persönlich nach J. gefahndet. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Beamte Dennis J. um jeden Preis habe festnehmen wollen und bei der Schussabgabe auch den Tod des Mannes in Kauf genommen habe. Dieser Eifer sei nicht nachzuvollziehen. Schließlich sei Dennis J. kein Mörder, den die Beamten zum Schutz der Allgemeinheit nicht hätten entkommen lassen dürfen. Irgendwann später, so die Überzeugung der Staatsanwaltschaft, hätte ihn die Polizei schon geschnappt.

"Es war eine Hinrichtung", sagt der Freund des Getöteten, Walid O. "Warum schießt der Polizist sein ganzes Magazin leer? Hätte er 16 Schuss drin gehabt, hätte er die auch abgefeuert."

Der Hauptangeklagte R. wird in dem Prozess von Rechtsanwalt Walter Venedey vertreten. Venedey residiert in einer Anwaltskanzlei am Berliner Ku'damm. Gregor Gysi, Chef der Linksfraktion im Bundestag, hat sein Büro in derselben Kanzlei. In grauer Vorzeit hat Venedey einen Angehörigen der Bewegung 2. Juni verteidigt. Heute gehört die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker zu seinen Mandanten. Man könne ihn durchaus als politisch links und polizeikritisch eingestellt bezeichnen, sagt der Anwalt. Warum vertritt er dann den Todesschützen von Schönfließ? "Das ist keine Frage von Moral, sondern von Recht", sagt Venedey. Sein Mandant habe in Notwehr oder Nothilfe gehandelt.

Das ganze Geschehen der Schussabgabe habe sich in 30 Sekunden abgespielt. In dieser Zeit habe der Geschädigte, Dennis J., mit dem Jaguar "unzweifelhaft" drei Fahrmanöver gemacht: vorwärts gegen ein Mäuerchen, rückwärts in einen Erker, wieder vorwärts. Die Zivilfahnder habe J. dabei "in eine lebensgefährdende Situation" gebracht. Dass der erste Schuss der tödliche war, wie die Anklage meint, sei nicht erwiesen, so Venedey. "Eine Reihe von objektiven Spuren" spreche dagegen. Auch die Gutachter seien sich in der Frage uneins.

Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch gab nach dem Vorfall zu Protokoll, es sei Sache der Staatsanwaltschaft und Gerichte, den Vorfall zu bewerten. "Aber auch die am besten trainierten Mitarbeiter können in Situationen geraten, in denen sie falsch reagieren." In Glietschs Behörde gibt es Mitarbeiter, die deutlicher werden. Immerhin gilt R. als Spezialist für Festnahmen. "Man wird das Gefühl nicht los, dass da ein Kollege vor lauter Jagdeifer übers Ziel hinausgeschossen ist", sagt ein Beamter. "Nicht auszudenken wäre, wenn er eine offene Rechnung beglichen hätte."

Nicht nur bei der Polizei, auch in Schönfließ gehen die Meinungen über den Tod des jungen Autoknackers auseinander. "Hier ist es so wie überall in der Welt", erzählt eine Anwohnerin, die vor ihrem Haus im Liegestuhl in der Sonne liegt. "Es gibt Leute, die sagen: Richtig so. Den Kriminellen muss man es zeigen." Andere, zu denen sich die Anwohnerin zählt, seien überzeugt: "Das war absolut unverhältnismäßig." Auch als Mutter eines Sohnes, der unwesentlich jünger als der Getötete ist, wünsche sie sich, dass der Polizist eine gerechte Strafe bekomme. "Aber die Erfahrung ist ja wohl die, dass bei solchen Prozessen am Ende nichts herauskommt."

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

23 Kommentare

 / 
  • I
    Ich

    es ist schon lustig wie hier ueber gewalt diskutiert wird.

    zunaechst einmal geht es hier um ein menschenleben das verloren gegangen ist, das scheint dann aber wieder schnell relativiert zu werden, wenn man bedenkt, dass das opfer ja ein krimineller war, und ein gewalttaetiger obendrein. mir geht es nicht um die straftaten die dennis begangen hat, doch sei mal festgestellt, dass die meisten kommentatoren hier, sich hauptsaechlich auf den einsatz von pfefferspray gegen die polizeibeamten stuetzen. selbiger einsatz von polizisten gegen demonstranten waere fuer viele bestimmt eher verhaeltnismaessig in ordnung. worum es also geht ist die frage der "gerechten gewalt", die nur vom staate ausgehen darf.

    pfefferspray gegen einen polizisten-nicht ok

    pfefferspray gegen demonstranten-ok

    todesschuesse gegen einen kriminellen-sogar selbstschutz!

    das hier dann auch noch versucht wird die umstaende dennis' ausser acht zu lassen, passt nur allzu gut nach der stets laut geforderten autoritaet, die mit strafen alles regeln soll. wegsperren als loesung, einfach und effektiv?

    genauso beliebt der vergleich mit anderen laendern und sitten, neben denen dann das deutsche strafsystem als zu lasch dargestellt wird, nur allzu gern gesehn. dazu sei nur gesagt, dass ich gerade in thailand bin, hier stehen hohe gefaengnis strafen auf den konsum von canabis, sogat die todesstrafe auf den handel, wollen wir in zukunft die hanfdealer auch hinrichten? wie viele von euch hatten nicht auch schon mal nen joint in der hand? und selbst wenn nicht, ich hoffe es ist klar geworden was ich sagen will?!

    autoritaet als antwort auf alle probleme kann nicht sein und wird nicht weiterfuehren. es fuehrt evtl zu noch mehr ueberfuellten gefaengnissen, mehr problemfaellen (geringe akzeptanz gegenueber "vorbestraften") und einem abstossen der betroffenen aus der gesellschaft. aber das klingt wahrscheinlich schon wieder zu kompliziert fuer den nach haerteren strafen vorderen vorgarten futzi...sorry wollte eigentlich nicht persoenlich werden

  • JO
    Janosch O.

    Er hat einem Kollegen vermutlich das Leben gerettet, weil mein Vater als Polzist im Dienst umgekommen ist trifft mich das irgendwie auf emotionaler Ebene.

    Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

  • K
    Karl

    Dieser Vorgang muss wirklich sehr gründlich untersucht werden! Zwar muss sich niemand selbst belasten und die PolG der Länder sehen sogar unter bestimmten Umständen den SWG gegenüber Flüchtenden Personen vor, aber wirklich erhellend sind die bisher bekannten Fakten nicht.

     

    Übrigens, so seltsam es auch klingt: Der SWG soll eine rechtswidrige Handlung unmittelbar stoppen. Dabei zählt nicht, wie vermutet:"Vermutlich war schon die erste Kugel

    tödlich" sondern die unmittelbar erforderlichen Treffer für eine sofortige, erkennbare, Handlungsunfähigkeit! Hinsichtlich der Schusszahl heißt das oft ein Magazin komplett leergeschossen werden muss um einen unmittelbaren Effekt zu erzielen. U.a. auch munitionsbedingt.

     

    Karl

  • H
    Holzer

    Ist das in Neukölnn ne besondere Qualifikation das man nicht als Deutscher auffällt?Naja,lässt tief blicken!Wenn Jockel da gewesen wäre wo er als Schwerkrimineller (160 Delikte) hingehört wäre es nicht zu dem tödlichen Zusammentreffen mit der bösen Polizei gekommen!In Kalifornien hätte sich J. 53 mal lebenslänglich "verdient"!Andere Länder andere Sitten!Und sind wir mal ehrlich .Es ist für alle Be- und Unbeteiligten Glück gewesen das der nicht gewalttätige Dennis niemanden schwer verletzt oder gar getötet hat!Aber was nicht war hätte ja noch werden können!

  • OD
    Onkel Denny

    Das Bild zeigt doch deutlich, worum es hier geht. Es geht nicht um einen Serienstraftäter, der zugekokst sich mal die eine oder andere kleine Amokfahrt gönnt.

    Es geht auch nicht um die Angemessenheit der Handlung eines Polizisten. Nein - die kleinen Kinder sind die wahren Opfer, weil sie jetzt ohne den liebenden Onkel Denny auskommen müssen.

    "Onkel Denny - wir lieben & vemissen dich"

     

    Das System einer typischen TAZ-Berichterstattung:

    Mit einem Bild wird die geneigte Leserschaft weich gekocht, dann wird im Text nach gelegt.

     

    Vorsicht, Genossen. Wahrscheinlich hat die BILD das Copyright auf dieses System. Lasst euch also nicht erwischen!

  • M
    Max

    Wie meistens muss ich mich über einige Kommentare doch arg wundern.

     

    Man kann die Story kritisieren, die TAZ um den Vorfall strickt. Klar hat das ein bisschen was von Neuköllner homestory, aber warum nicht? Die Leser_innen könnten ja aus Versehen Mitleid bekommen...

     

    Aber auch die kritischeren Leser_innen haben die Information über seinen Drogenkonsum; sein 160-Straftaten-Register gefunden, der Tote wird eindeutig als "Serienstraftäter" bezeichnet. Sogar das Pfefferspray steht drin... [wobei man beim Versprühen einer Chemikalie, die von der Polizei großzügig und großflächig gegen Demonstrant_innen und Unbeteiligte eingesetzt wird, kaum von ernster Gewaltanwendung sprechen kann.] Übrigens schreibt die doch eher konservative "Welt" auch von einem "Kleinkriminellen". Also kein Grund, gleich das Taz-Abo zu kündigen ;-)

     

    Was viele hier anscheinend nicht begreifen ist jedoch, dass es für die Beurteilung des geschilderten Vorfalls von äußerst geringer Bedeutung ist, wie lang das Strafregister von Dennis J. war. Nur weil jemand kriminell war, kann man sich doch nicht einfach damit abfinden, wenn er abgeknallt wird. Frei nach dem Motto >>

     

    "..unschuldig war er nun mal nicht"

    "Für die Gewalttäter aus dem untersten Bodensatz der Gesellschaft hat die TAZ immer großes

    Verständnis, aber wehe, einem von denen wird mal eine

    Grenze gezeigt" (o-ton grifter)

     

    Anders gesagt: Nur weil der Tote ein Straftäter ist, heißt das nicht, dass der Polizist keiner ist.

     

    Auch wenn der Polizist aufgrund der Vorstrafen mglw. von einer erhöhten Gefährdung ausgegangen ist, muss die Frage erlaubt sein, wie er 8 (!!) Schüsse auf eine unbewaffnete, durch die Tür/Fensterscheibe räumlich von ihm getrennte Person rechtfertigt. Und wenn die Bedrohungslage für den/die Beamten durch die Fahrmanöver so akut war, wie einige annehmen, dann stellt sich einfach die Frage, woher der Beamte die Zeit für besagte 8 (scheinbar gezielte) Schüsse nahm. Wenn man den Angaben hier glauben darf, dann stand der Wagen zum Zeitpunkt der Schussabgabe wahrscheinlich.

     

    Falls tatsächlich andere Umstände für "Notwehr" oder "Nothilfe" sprechen, so ist es Aufgabe der Polizei sowie der Medien, das der Öffentlichkeit verständlich zu machen. Zumindest aus den geschilderten Zusammenhängen heraus ist dies für mich jedoch überhaupt nicht nachvollziehbar.

     

    Zugegeben, auch diese Überlegungen sind spekulativ, aber einfach unter den Teppich gekehrt werden darf der Vorfall nicht. Ist ja nicht so, dass der Polizist schon so gut wie verurteilt wäre.

  • A
    aso

    „...Aber er war kein Gewalttäter", betont sein Schwager...“:

     

    Unter den 160 Straftaten befinden sich auch Delikte wegen Körperverletzung.

    Bei Manövern wie „filmreif“ über Bürgersteige und rote Ampeln zu brettern, ist dies

    hochgradig fahrlässige Inkaufnahme der schweren Verletzungen Unbeteiligter.

     

    Ist wohl eine Frage der Perspektive, wie Gewalt definiert wird.

    Wenn das Opfer 3 Fahrmanöver machte, und dann flüchtend den Kollegen umzufahren droht,

    blieb dem Beamte möglicherweise nicht genug Zeit, um ins grübeln kommen.

  • UI
    Ulrich Imp

    Der Erschossene war also, wie Ihr seinen Schwager unkommentiert sagen lasst, kein Gewalttäter, attackierte aber einen Menschen (wenn auch natürlich nur die Staatsgewalt, die ihn an einem Einbruch hindern wollte) mit Pfefferspray und raste gelegentlich mit einem Auto über rote Ampeln und Gehwege, wobei er mehrere Unfälle verursachte. Da ist und wäre ja bestimmt nie jemand zu Schaden gekommen.>Filmreifdurchsiebt< wurde. Empfehlenswert wäre mal eine mindestens so nüchterne Darstellung wie man sie glücklicherweise unter Wikipedia finden kann. Ich weiß wieder, wieso ich mein TAZ-Abo gekündigt habe. Hinsichtlich Eurer Gründlichkeit und Ausgewogenheit seid Ihr mittlerweile auf einem Level mit der BILD.

  • E
    Exbetroffener

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Ich finde nicht, dass die Tathergänge so klar sind. Bevor ein Polizist auch nur das geringste Gesundheitsrisiko eingeht, muß er mit seinen Mitteln sein Leben schützen. Das der Täter vorher nur wenig gewalttätig war, tut dabei nichts zur Sache. Weiß man es vorher? Man weiß eben bei Koksern nie, wie sie reagieren. Wir hat so ein Drgie spontan und grundlos einen Asher auf den Kopf geschlagen. Danch hörte ich ..."aber der war doch auf Droge!" Wer so dumm ist und so lebt wie der Autoknacker, hat halt ein hohes Risiko. Immer nur den Bullen die Schuld geben, wird langsam langweilig

  • G
    grifter

    Ein langzeitkrimineller ist bei einem Fluchtversuch

    erschossen worden. Für die Angehörigen ist das furcht-

    bar, aber unschuldig war der Täter nun mal nicht. Der

    Versuch der TAZ, daraus eine rührselige Homestory über

    die "armen" Leute von Neukölln zu stricken ist faden-

    scheinig. Für die Gewalttäter aus dem untersten Bodensatz der Gesellschaft hat die TAZ immer großes

    Verständnis, aber wehe, einem von denen wird mal eine

    Grenze gezeigt

  • S
    Sandramo

    Ich empfinde dieses ewige Straftäterverstehen als lästigen Sozialkitsch. "Dennis hatte eine unglückliche Kindheit - deshalb war er gezwungen, hundertsechzig Straftaten zu begehen", haha.

     

    Er hatte Pfefferspray gegen Polizisten eingesetzt, ist einmal nach langer Verfolgungsjagd erst festgenommen wurden, nachdem die Karre wegen mehrere Unfälle endlich liegen blieb - aber "dewegen war er doch kein Gewalttäter..." Na was denn sonst?

     

    Und zum Schluß sitzt er im geklauten Auto und versucht mit diesem, den Polizisten, der ihn verhaften will, über den Haufen zu fahren. Ich denke, da hat er den schnellen Wagen einfach mal als Waffe benutzt oder so getan, als wolle er es.

     

    Hoffentlich wir der Polizist freigesprochen.

  • K
    Kommentator

    Vorgang

    Es müsste dem letzten klar werden, wie absurd das ganze ist:

    Ein krimineller junger Mann, der unbewaffnet ist - versucht mit einem geklauten Wagen und Drogeneinfluss zu flüchten.

    Ihn zu stoppen wäre wichtig - wichtiger jedoch die Unversehrtheit aller Beteiligten.

     

    Er wird dabei jedoch kaltblütig aus NÄCHSTER NÄHE mit einem ganzen Magazin hingerichtet. Der Mörder spaziert seelenruhig nach Hause und sieht sich noch im Recht.

     

    Reaktion

    Politiker und ranghöchste Polizisten sprechen von Notwehr, während der normale Bürger mit gesunder Moral weiß, dass das ein kaltblütiger und vorsätzlicher Mord war.

     

    Ausblick

    Ergo: Wird der Täter (mordender Polizist) nicht lange verknackt, so müsste für Dennis Js. kriminelles Umfeld klar sein, was zu tun ist, um weiteren Faschisierungstendenzen in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Hart, aber wahr.

  • P
    Phaeno

    Seltsam erscheint mir, dass Sie versäumt haben, etwas von der persönlichen Beziehung zwischen Opfer und Täter zu schreiben. Wie war das mit der Freundin?

  • M
    manni

    "Aber die Erfahrung ist ja wohl die, dass bei solchen Prozessen am Ende nichts herauskommt."

     

    Und woran liegts? Bestimmt nicht daran, dass die Täter unschuldig sind!

     

    Außerdem bleibt mir noch eine Frage: Wann wird es endlich eine UNABHÄNGIGE Institution geben, die objektiv gegen Polizisten ermittelt?

    Staatsanwaltschaften können nicht richtig an solche Fälle rangehen, denn sie sind abhängig von der Polizei.

  • H
    Holkan

    "Dass Jockel ein Deutscher war, hat man überhaupt nicht gemerkt", sagt er. (..) Dennis J. war, was man gemeinhin einen Serienstraftäter nennt: Einbrüche, Diebstahl, Nötigung, Sachbeschädigung und immer wieder Fahren ohne Führerschein. (...) Es folgte die klassische Karriere: Jugendarrestanstalt, Jugendknast, Männerknast. "Er ging immer rein und raus. Wer 160 Straftaten auf dem Kerbholz hat, ist kein Engel."

     

    War die Ironie beabsichtigt, Frau Plarre?

  • N
    nicolaus

    Hätten die zahlreichen Familienmitglieder, Freunde und Sympathisanten des 160-fachen Straftäters doch ihre Energie und ihren Scharfsinn seinerzeit darauf verwendet, Denis J.- Friede sei seiner Seele - von weiteren Straftaten abzuhalten ! Und: Polizisten sind wahrlich nicht zu beneiden. Sie stehen exakt an den sozialen Bruchlinien der Gesellschaft, die verantwortungslose Politiker nur vom Hörensagen kennen. Es ist ein Unding, dass "Karrieren" wie die des Getöteten übehaupt möglich sind und nicht entschieden gestoppt werden.

  • L
    Lars

    Nu Justice - No Peace

     

    Kein Opfer ist vergessen

  • NF
    ned flanders

    Wahrscheinlich bekommt der Mann eh nur eine Bewährungsstrafe und mahnende Worte des Richters zu hören, dass das gaaanz schlecht war. Oder einen Segelurlaub auf dem Mittelmeer zur Resozialisierung. Das hilft doch nichts! Das hält doch keinen ab! Da muss endlich mal hart durchgegriffen werden! Lange Haftstrafen müssen folgen!

     

    Oh, bin ich hier gar nicht im Kommentar-Raum des Artikels "Mehmet 'Tilidin' Y. hat über 100 Vorstrafen"?

    Entschuldigen Sie bitte.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Gott sei Dank. Erschießungskommandos oder Henker haben keinen Platz in unserem Land. Grade im Mai sollten wir uns an den Berliner Blutmai erinnern, um zu wissen das deutsche Sozialdemokraten auch ganz anders konnten. Unser Geld wird heutzutage für kluge, weitsichtig handelnde Polizisten, die zu maßvollem Handeln ausgebildet sind, eingesetzt. In vielen Prüfungen haben sie geistige und körperliche Fähigkeiten für ihren außergewöhnlichen Job nachgewiesen. Ihre Fähigkeit, sich an Recht und Gesetz in einer Demokratie halten zu können, hat höchste Priorität, sie ist unverzichtbar. Egal ob Drogendealer oder Polizist, wer Menschen getötet hat, gehört in den Knast. Für ausgebildete Polizisten muss die Strafe sogar geringfügig höher sein. Denn sie wissen, worum es geht. Ein Staat, der das anders handhabt, ist vielleicht ein Staat der Rechts steht, aber eben leider kein Rechtsstaat.

  • RG
    richtig gehandelt

    Gut gemacht Herr Polizist! Im Ernst, der war zugeknallt mit Koka und evtl ja auch wieder mit Tilidin. Dann wollte er einen anderen Polizisten überfahren. Wir sollten doch mal die Kirche im Dorf lassen.Meiner Meinung hat der Polizist richtig gehandelt. Das war schließlich KEIN Kleinkrimineller, sondern ein Gewohnheitsverbrecher! Und er hat den Tot des Kollegen billigend in Kauf genommen. Wie weit soll das denn noch gehen mit dem Verständniss? Schwere Kindheit ist hier irgendwie der Ausgleich für alles.

  • V
    Volker
    Kommentar entfernt
  • J
    Jagermo

    Liebe taz,

    grundsätzlich bin ich ein großer Fan eurer Zeitung, was allein schon mein Abo ausdrücken dürfte. Allerdings sehe ich in letzter Zeit eine ziemlich einseitige Tendenz, die mir persönlich gar nicht zusagt: Währen die meisten Themen grundsätzlich sachlich und journalistisch angegangen werden, verliert ihr jede Distanz, sobald „die Polizei“ drin vorkommt. Aktuelles Beispiel: Der Beitrag zu Dennis „Jockel“ J. Ihr stellt ihn als armen, unverstandenen Bub dar, der doch nur ein Auto geklaut hat und erwecket den Eindruck, dass er von einem wildgewordenen Cop geradezu hingerichtet wurde. Das kann es ja wohl nicht sein!

    Zum ersten: Der arme kleine Jockel war kein Ersttäter, sondern ein Intensiv- und Straftäter. 160 Anzeigen in 26 Jahren Lebenszeit, sorry, das ist kein Zufall. Das ist auch kein "Kleinkrimineller" mehr. Wie wäre es denn gewesen, ein oder zwei Opfer des armen kleinen Versagers zu interviewen? Wie viel Leid hat der Dennis J. über die Jahre über die Leute gebracht?

    Zum zweiten: Scheinbar wollte er den Zivilpolizisten überfahren, um seine Straftat zu verdecken (diese Vermutung ist ebenso wie die im Text dargestellte Sicht komplett spekulativ). Sollte das wirklich so sein, ist es kein Kavaliersdelikt, sondern schrammt am versuchten Mord. Oder zumindest versuchtem Totschlag, alles andere als süß und unschuldig. Als ehemaliger Polizist, der übrigens in einer ähnlichen Situation war, kann dich die Reaktion und die Notwehr des Polizisten durchaus nachvollziehen - der Mann hatte Angst um sein Leben. Was wäre denn gewesen, wenn es sich bei dem Opfer nicht um einen Zivilfahnder gehandelt hat, sondern um einen couragierten Mitbürger, wie beispielsweise Dominik Brunner (der von Jugendlichen brutal verprügelt wurde, weil er dazwischen gegangen ist) gehandelt hätte?

    Mein Highlight im Text ist sowieso, dass „man ihm kaum angemerkt hat, dass er Deutscher ist“. Was genau wollt ihr mir damit sagen? Dass ich jetzt auch anfangen soll, reihenweise Straftaten zu begehen, damit mich auch der Letzte in meinem Wohnviertel anerkennt? Das ist doch völliger Quatsch, oder?

    Wie gesagt, ich würde euch bitten, auch bei Texten in denen „Polizei“ vorkommt, eure sonst sehr guten journalistischen Standards anlegen würdet - wenn eure Autoren das nicht können, mögen sie doch bitte für Indymedia schreiben, aber nicht für eine der meiner Meinung nach kritischsten Tageszeitungen Deutschlands.

  • PM
    Peter Mütz

    Der kann jetzt keinen mehr über den Haufen fahren.

    Vorbildlich.