Proteste verunsichern Verwaltung: Hamburger Behörde kriegt gerade noch die Kurve
Alice Weidel wird am Donnerstag im Hamburger Rathaus sprechen. Die Versammlungsbehörde wollte angekündigten Protest in Sicht- und Hörweite untersagen.
D ie Kanzlerkandidatin kommt ins Hamburger Rathaus. Am Donnerstag wird Alice Weidel bei dem Event „Fraktion im Dialog“ erwartet, das die AfD-Fraktion dort regelmäßig ausrichtet. In Hör- und Sichtweite oft begleitet von Demonstrationen. Die AfD-Chefin wiederum hätte unbehelligt von Protest über Leistungsbeziehende und Geflüchtete hetzen dürfen: Die Versammlungsbehörde hatte dem Hamburger Bündnis gegen Rechts untersagt, eine Zwischenkundgebung an der Mönckebergstraße/Ecke Bergstraße abzuhalten – also in Sicht- und Hörweite zum Rathaus.
Stattdessen hätten sich die Demonstrierenden am Gerhart-Hauptmann-Platz versammeln sollen. Das ist zwar nur ein Unterschied von rund 300 Metern Luftlinie, aber der hätte eben bedeutet, dass jene, gegen die sich der Protest richtet, nichts davon mitbekommen hätten. Der Verwaltungsakt hätte also die Intention des Protests torpediert, der Normalisierung der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD etwas entgegenzusetzen.
Der Partei, die Demokratie und Parlamentarismus verachtet, wird vorauseilend entgegengekommen. Nun ist 2025 und nicht 1931. Klar. Aber man könnte sich heute daran erinnern, wie richtig Kurt Tucholsky mit seinem ironisch verdichteten Hinweis damals lag, dass es nicht gegen Rechtsextreme helfe, ihnen „Rosen auf den Weg“ zu streuen und „sie lieb und nett“ zu behandeln.
Versammlungsbehörde hat ein Einsehen
Die Hamburger Versammlungsbehörde hat sich am Dienstag schließlich doch noch eines Besseren besonnen und die Auflagen zurückgenommen. Zum Glück. Dennoch zeigt sich in dem Hin und Her eine Unsicherheit von Verwaltung und Behörden im Umgang mit der AfD, die spätestens seit dem Bundesparteitag im sächsischen Riesa ausgeräumt sein müsste.
Alice Weidel hat ihre Rhetorik zwar schon längst an die von Björn Höcke & Konsorten angeglichen. Auf dem Parteitag aber wurde es nun wirklich für alle deutlich. Zum Beispiel, als sie in ihrer Schmährede auf Windräder forderte: „Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“ Bereits 2017 hatte Höcke das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnet. Zufall? Wohl kaum. Und die vorgefertigten Schilder mit der Botschaft „Alice für Deutschland“, die Delegierte beim Parteitag hochhielten, erinnern bloß zufällig an den von Björn Hocke reaktivierten SA-Slogan „Alles für Deutschland“? Wohl kaum.
Spätestens der Parteitag in Riesa hat deutlich gemacht, wie radikal die AfD ist. Das sollte Behörden und Verwaltungen endlich dazu bewegen, ihre Gangart gegen die Gegner*innen einer parlamentarischen Demokratie zu überdenken. Der Weg ist aber noch weit, wenn man sich aktuelle Entscheidungen in Verwaltungen anschaut. Das Bezirksamt Nord zum Beispiel verweigert dem Hamburger Bündnis gegen Rechts derzeit die Auskunft darüber, wo die AfD im Wahlkampf ihre Infostände aufbaut. Das Bündnis lässt die Rechtslage prüfen.
Die Zivilgesellschaft ist unterdessen längst auf den Straßen – und zwar nicht, um den Rechtsextremen Rosen auf den Weg zu streuen.
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