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Proteste in IranWenn der Basar streikt

Kommentar von

Jean Dumler

Inflation und Währungsverfall setzen der iranischen Wirtschaft massiv zu. Mit den Streiks in den Basaren gerät das Regime erneut unter Druck.

Geschlossene Läden im Grand Bazaar in Teheran am 30. Dezember Foto: Majid Asgaripour/Wana News Agency via reuters

D ie Forderungen nach dem Sturz der Islamischen Republik, sowie Videos und Bilder von Protesten aus Iran gibt es spätestens seit 2022 in Mengen. Jedes Mal wuchs die Hoffnung, dass das Regime tatsächlich fällt. Doch das Mullahregime konnte bisher dank politischer Uneinigkeit der Zivilbevölkerung, mangelnder Solidarität im Ausland und lascher Sanktionen Europas überleben und die Funken der Hoffnung ersticken.

Dieses Mal ist die Ausgangslage eine andere: Erstmals sind es Händler und Ladenbesitzer in Basaren und Einkaufszentren, die die Proteste beginnen. Seit Sonntag streiken sie und thematisieren die wirtschaftliche Lage des Landes. Auslöser ist der massive Wertverlust der iranischen Währung. Die Hyperinflation frisst Einkommen und Ersparnisse auf, verteuert den Alltag und treibt die Betriebe in den Ruin. Nach Jahren der Perspektivlosigkeit haben nun auch die Händler nichts mehr zu verlieren. Das Regime befindet sich im wohl instabilsten Moment seit der Machtübernahme vor 46 Jahren. Es ist sowohl ideologisch als auch finanziell bankrott.

Dass das wirtschaftliche Nervenzentrum des Landes streikt, macht dem Regime Angst. Denn historisch ist das ein Warnsignal: Von der Tabakbewegung 1891 bis zur Revolution von 1979 war der Basar stets ein Katalysator politischer Umbrüche. Um sich davor abzusichern, versuchte das Regime, die Basare mit Lizenzen und Posten an sich zu binden. Der Basar galt seither, bis auf Ausnahmen, als konservative Stütze des Systems. Und schwieg, während andere protestierten.

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Wenn dieser nun streikt, steht die Legitimität des Systems infrage. Seit Montag schließen sich auch mehrere Studierendenvertretungen den Protesten an. In einem Statement erklärten die Aktivist:innen: „Die Zeit des Zögerns ist vorbei. Die Stimmen der Menschen hallen von den Basaren auf die Straßen. Das Ende der Diktatur liegt in der Luft.“ Vielleicht kommt von ihnen der entscheidende ideologische Impuls, und die Hoffnung auf ein Ende des Regimes wird wahr.

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