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Proteste in IrakDer Drang nach Aufmerksamkeit

In Stockholm will ein Iraker erneut einen Koran verbrennen. Eine Menschenmenge stürmt in Bagdad die schwedische Botschaft.

Protestierende in Bagdad nach dem Ende des Sturms auf die schwedische Botschaft am Donnerstag Foto: Ahmed Saad/reuters

Kairo taz | Hunderte Demonstranten haben am Donnerstagmorgen die schwedische Botschaft in Bagdad gestürmt. Auf Handyvideos war ein Feuer zu sehen, das innerhalb des Botschaftsgebäudes loderte. Irakische Bereitschaftspolizei versuchte, die Menge mit Wasserwerfern auseinanderzutreiben. Bei Sonnenaufgang war das Feuer gelöscht, die Demonstranten waren wieder abgezogen. Anlass der Proteste war die erneute Genehmigung einer öffentlichen Koranverbrennung in Stockholm, der zweiten innerhalb weniger Wochen.

Alle Mitarbeiter der Botschaft seien in Sicherheit, hieß es in einer anschließenden Erklärung des schwedischen Außenministeriums. Außenminister Tobias Billström bezeichnete den Angriff als „vollkommen inakzeptabel“ und warf den irakischen Behörden vor, die Botschaft nicht ausreichend geschützt zu haben.

Der Irak verwies aus Protest gegen die geplante Koranverbrennung die schwedische Botschafterin des Landes. Gleichzeitig verurteilte das irakische Außenministerium aber auch den Angriff in Bagdad und versprach eine Untersuchung des Vorfalls sowie eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen. Außerdem kündigte es an, die Täter ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Täter zu finden dürfte nicht allzu schwer werden, denn es handelte sich nicht um eine spontane Protestveranstaltung. Es war der schiitische Politiker und Prediger Muqtada Sadr, der seine Anhänger dazu aufgerufen hatte. „Wenn die Meinungsfreiheit vom Irak und der Welt garantiert und anerkannt wird, müssen die Gläubigen ihre Meinung zur Verbrennung himmlischer Bücher äußern können“, twitterte Sadr, der damit offensichtlich versucht, als „Verteidiger des Islam“ politisches Kleingeld im Irak zu verdienen.

Sadr hat sich in einem innerschiitischen Machtkampf mit seinen Anhängern aus der Regierung und dem Parlament zurückgezogen. Der Sadr-Block hatte zwar bei den letzten irakischen Wahlen die meisten Stimmen erhalten, es aber nicht geschafft, eine Koalition zu formen. Stattdessen mobilisiert er seine Anhänger regelmäßig auf der Straße, um dort seine Macht zu demonstrieren.

Koranverbrenner Momika: Paradoxe Vergangenheit

Doch nicht nur Sadr versucht hier Aufmerksamkeit zu schinden. Das gilt auch für den irakischen Flüchtling in Schweden, der die letzte Koranverbrennung organisiert hat. Der 37-jährige christliche Iraker Salwan Momika hat einen mehr als verwirrenden Lebenslauf. Er gehörte einst einer christlichen Miliz in der irakischen Provinz Nineveh an, die den sogenannten Haschd al-Schaabi zugerechnet werden. Das ist ein Netzwerk meist schiitischer Milizen, die vom Iran unterstützt werden, um über sie Einfluss auf den Irak zu nehmen.

In einem alten auf Twitter veröffentlichten Video stellt sich Momika auch als Mitglied der sogenannten „Im-Geiste-Jesus-Brigaden“ vor, einer von den iranischen Revolutionsgarden gegründeten Miliz.

Der Koranverbrenner hat also eine paradoxe Vergangenheit. Laut der arabischen, vom Emirat Katar finanzierten Zeitung Al-Araby Al-Jadeed sei Momika ein „Opportunist, der berühmt werden möchte, aber es nie geschafft habe, nicht einmal innerhalb der christlichen Gemeinden im Irak“.

Sabah Karam, ein ehemaliges Mitglied des Stadtrates des Orts Hamdaniya, aus dem Momika stammt, beschreibt ihn gegenüber Al-Araby Al-Jadeed als „stadtbekannt und berüchtigt“. Er würde auch in mehren Fällen wegen Betrugs gesucht.

Irak droht mit Abbruch der Beziehungen zu Schweden

Nun setzt sich Momika offenbar erneut in Schweden in Szene. Die schwedische Nachrichtenagentur TT berichtete am Dienstag, dass die Polizei eine Veranstaltung vor der irakischen Botschaft genehmigt habe, bei der ein Exemplar des Korans und eine irakische Flagge angezündet werden sollen. Momika wird aber nicht namentlich genannt.

Aus dem Büro des irakischen Premierministers Mohammed Shia’ Al-Sudani heißt es dazu, dass in diesem Falle die Beziehungen zu Schweden abgebrochen würden. Die irakische Regierung befindet sich dabei auch unter starkem innen­politischem Druck seitens ­Sadrs.

Der tweetete am Donnerstag, dass eine Verurteilung der Koranverbrennung nicht genug sei, sondern dass der Irak eine deutliche Position einnehmen müsse. „Ich warte auf die offizielle Antwort“, schreibt Sadr, „bevor ich mir überlege, was zu tun ist.“

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