Proteste in Hongkong: Fünf Monate Ausnahmezustand

Die Stimmung in Hongkong ist aufgeheizt, Demonstranten greifen zu Brandbomben. Eine Straßenschlacht mit Polizeikräften eskaliert heftig.

Demonstranten mit Helmen und Gesichtsschutz auf der Straße im Nebel aus Tränengas.

Seit 22 Wochen regelmäßig auf der Straße: Demonstranten weichen in Hongkong Tränengas aus Foto: reuters

SHENZHEN taz | In Hongkong haben sich am Samstag, am nunmehr 22. Pro­testwochenende, Demonstranten und Polizeikräfte eine der bislang massivsten Straßenschlachten geliefert. Dabei eskalierte der Konflikt bereits früher als gewöhnlich: Noch bei Tageslicht setzte die Bereitschafts­polizei Wasserwerfer und Tränengas ein. Sie nahm im Laufe des frühen Abends mehrere dutzend Aktivisten fest.

Doch auch einige Demonstranten haben die Gewaltspirale weiter befeuert: In Schwarz gekleidet, die Gesichter vermummt, warfen sie Brandbomben auf das Bankgebäude der britischen HSBC. Ebenfalls haben Maskierte das Redaktionsbüro von Xinhua, der staatlichen Nachrichtenagentur Chinas, verwüstet.

Der Frust der Demonstranten wurzelt unter anderem in der Entscheidung der Hongkonger Lokalregierung vom Dienstag, Joshua Wong – das bekannteste Gesicht der Regenschirmbewegung von 2014 – von den Kommunalwahlen am 24. November auszuschließen.

Zudem hatte am Donnerstag das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Peking nach der wichtigsten politischen Sitzung des Landes eine härtere Gangart in Hongkong gefordert: Man wolle das Rechtssystem in der Sonderverwaltungszone „zum Schutz der nationalen Sicherheit“ ausbauen, hieß es in der Abschlusserklärung der Delegierten.

Peking soll sein Versprechen halten

Auch wenn keine konkreten Maßnahmen genannt wurden, deuten einige Experten die Formulierung als Hinweis darauf, dass Festland-China nach einem 2003 gescheiterten Versuch erneut bestrebt ist, eine Gesetzgebung zur natio­nalen Sicherheit in Hongkong einzuführen.

Die meisten Demonstranten in Hongkong fordern keine Unabhängigkeit der Sonderverwaltungszone, sondern die Einhaltung des Versprechens „ein Land, zwei Systeme“. Ihnen geht es darum, dass Peking die nach der Übergabe Hongkongs von Großbritannien versprochenen Freiheitsrechte einhält.

Zudem fordern sie direkte Wahlen ihres Regierungschefs, Amnestie für verhaftete Demonstranten und eine rechtliche Aufarbeitung der Polizeigewalt. Einen ersten Sieg hatte die Protestbewegung bereits letzten Monat erreicht, als die Hongkonger Lokalregierung ihre Pläne für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz endgültig ad acta gelegt hatte.

Hongkong rutscht in Rezession

Wie massiv die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste das Stadtleben beeinflussen, haben die Wirtschaftszahlen für das dritte Jahresquartal vom Donnerstag unterstrichen: Demnach ist das Bruttoinlandsprodukt von Hongkong um satte 2,9 Prozent geschrumpft. Die Sonderverwaltungszone ist deutlich in eine Rezession eingetreten.

Dabei gibt es bislang keinerlei Anhaltspunkte für eine Lösung des Konflikts: Auch am Sonntag haben sich Demonstranten innerhalb des Einkaufszentrums Cityplaza im Stadtzentrum eine blutige Schlacht mit der Polizei geliefert.

Dabei wurde unter anderem der Politiker und Demokratie-Aktivist Andrew Chiu brutal zusammengeschlagen. Auf Twitter kursieren Fotos, die Chiu blutüberströmt am Straßenrand zeigen, neben ihm auf dem Bürgersteig Teile seines abgebissenen linken Ohres. Die Demonstranten machten Pro-Peking-Unterstützer für die Attacke verantwortlich.

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