Proteste in Frankreich: Tod eines Radfahrers löst Verkehrsdebatte aus
Der Tod eines Fahrradfahrers in Paris zieht in Frankreich Proteste nach sich. Ein SUV-Fahrer steht im Verdacht, ihn absichtlich überfahren zu haben.
Das aus dem Ausland oft als Vorbild bewunderte angebliche Pariser „Radfahrerparadies“ ist (noch) längst nicht von dieser Welt. Dass zwischen den Radfahrer*innen und den Pkw-Lenker*innen im Gegenteil um Raum und Freiheit gekämpft wird, belegt ein dramatischer Vorfall mit Todesfolge am 15. Oktober. Es war kurz vor 18 Uhr, auf dem Boulevard Malesherbes im 8. Stadtbezirk von Paris herrschte viel Verkehr, die Leute wollten nach der Arbeit heim. Ein Pkw vom Typ Stadtgeländewagen hatte es offenbar besonders eilig, denn sein Fahrer fuhr auf der für die Fahrräder reservierten Spur.
Was dann geschah, kann aufgrund von Augenzeugen und laufenden Ermittlungen rekonstruiert werden. Paul Varry, ein für den Radverkehr engagierter 27-jähriger Student, wollte sich diesen Übergriff aus der Welt der Motorfahrzeuge nicht gefallen lassen. Er protestierte lautstark und klopfte außerdem erbost mit der Hand auf die Motorhaube des SUV, was wiederum dessen 52-jährigen Lenker in Rage brachte. Dieser fühlte sich im Recht, und im Übrigen, so sagte er später aus, habe er seine jugendliche Tochter zum Augenarzt bringen wollen. Laut Behördenangaben war er der Polizei bereits als gewalttätig bekannt.
Der Streit soll laut gewesen sein, als er zuerst den Rückwärtsgang eingeschaltet habe, während der junge Mann weiter vor seinem Pkw schimpfte. Dann aber fuhr der 52-Jährige plötzlich vorwärts los und überrollte diesen. Mit Absicht, aus Wut oder Versehen? Das muss die Justiz abklären, diese ermittelt wegen Tötung. Denn trotz sofortiger Wiederbelebungsversuche und der raschen Intervention der Rettungsmannschaften konnte Paul Varry nicht gerettet werden. Als wahres „Blutbad“ beschrieb ein Mitglied der Feuerwehr der Zeitung Le Parisien den Unfallort.
Symbol für verhinderte Verkehrswende
Der Hergang und die Umstände schockieren weit über die französische Hauptstadt hinaus Radfahrer*innen. Sein Schicksal wird als „Ein toter Radfahrer zu viel“ zu einem Symbol im Kampf gegen die Motorfahrzeuge und deren uneinsichtigen Verteidiger*innen. In mehr als 200 Städten wurde demonstriert, denn der Schutz der Radfahrer*innen ist nicht nur ein Problem von Paris.
Der 27-jährige Paul Varry, dessen Bild auf unzähligen Kommentaren auf X (vormals Twitter) zirkuliert, war ein aktives Mitglied des Verein „Paris en selle“ (Paris im Sattel). Marion Soulet, die Vizepräsidentin dieses Vereins, der sich für mehr Radwege einsetzt, zeigte sich entsetzt angesichts des Verhaltens des SUV-Fahrers: „Wir haben es da mit jemandem zu tun, der sein Fahrzeug wie eine Waffe einsetzt, es ist nicht tolerierbar, dass so etwas geschieht.“
Gebrochene Versprechen
Als noch 2023 die damalige Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne einen ehrgeizig klingenden „Vélo-Plan“ ankündigte, schöpften die Fans der „Bicyclette“ und der Tour de France Hoffnung: Mit zwei Milliarden sollten in den kommenden vier Jahren die Kommunen finanziell unterstützt werden, um die Radfahrer im Verkehr auch außerhalb der Stadtzentren besser zu schützen. Noch haben diese einen schweren Stand: Weniger als 5 Prozent der Leute benutzen insgesamt ihr „Vélo“ für den täglichen Weg zur Arbeit, an die Uni oder Freizeitorte. Das Regierungsprogramm sollte ein umweltfreundlichere Trendwende bringen.
Heute sind diese offiziellen Versprechen so gut wie vergessen. Sparpolitik ist angesagt und die Prioritäten der Regierung im derzeit debattierten Staatshaushalt liegen nicht beim Radverkehr. Stattdessen nun also die neue „Mission“, die so gut wie nichts kosten dürfte. Daraus kann eine Art Ombudsstelle werden, die Empfehlungen für die Befriedung von Konflikten abgeben soll.
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