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Proteste in BelarusEinen nach der anderen

Mit der Festnahme des Anwalts Maxim Snak verliert die Opposition einen ihrer letzten führenden Köpfe. Die Proteste dürften indes weitergehen.

Festgenommen: der Anwalt Maxim Snak Foto: Sergei Grits/ap

Berlin taz | Die belarussische Opposition hat einen weiteren führenden Kopf verloren: Am Mittwoch wurde der Anwalt Maxim Snak, der ebenfalls Mitglied des oppositionellen Koordinationsrates ist, in Minsk festgenommen.

Laut Angaben seiner Un­ter­stüt­zer*innen gegenüber der unabhängigen russischsprachigen Nachrichtenseite Tut.By hatte Snak am Morgen für ein Interview aus dem Stab des inhaftierten Oppositionspolitikers Viktar Babaryka zugeschaltet werden sollen. Als sie ihn telefonisch erreicht hätten, habe er nur gesagt, dass jemand gekommen sei und sofort aufgelegt.

Danach habe sie nur noch eine kurze Textnachricht mit dem Wort „Masken“ erreicht. Später zitierte Babarykas Pressedienst einen Augenzeugen, der Snak auf der Straße in Begleitung zwei maskierter Männer in Zivil gesehen haben will.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Oppositionelle Maria Kolesnikowa in Mink in einem Untersuchungsgefängnis einsitzt. Das berichtete ihr Vater gegenüber Tut.By. Am Vorabend hatte es, nach Kolesnikowas Verschwinden in Minsk, unterschiedliche Informationen über ihren Verbleib gegeben. So hatten offizielle Stellen in Minsk behauptet, Kolesnikowa und zwei ihrer Mitstreiter hätten versucht, sich in die Ukraine abzusetzen.

Strafverfahren eingeleitet

Später hatten die beiden Männer bei einer Pressekonferenz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew berichtet, Kolesnikowa habe am Grenzübergang auf belarussischer Seite ihren Pass zerrissen und sei abgeführt worden. Gegen sie und andere Oppositionelle wurde ein Strafverfahren wegen unrechtmäßiger Ergreifung der Macht und Gefährdung der nationalen Sicherheit der Republik Belarus eingeleitet.

Nach der Festnahme von Snak ist von den sieben Mitgliedern des Koordinationsrats nur noch die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Aleksijewitsch auf freiem Fuß beziehungsweise in Belarus.

Fragt sich, wie lange noch. Am Mittwoch wurde die Wohnungstür der 72-Jährigen, die mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, zeitweilig von Unbekannten belagert. Dennoch meldete sie sich gemeinsam mit dem belarussischen PEN-Zentrum zu Wort. Anders als von offizieller Seite dargestellt strebe die Opposition keinen Staatsstreich an, sondern wolle eine Spaltung des Landes verhindern sowie einen Dialog in der Gesellschaft beginnen, heißt es in der Erklärung.

Im Hinblick auf die massiven Repressionen gegen Journalist*innen ist von einem „Informationsvakuum“ die Rede. Sowohl die UNO als auch die OSZE sollten sich einschalten, um die Pressefreiheit in Belarus zu verteidigen und bei der Suche nach einer friedlichen Lösung der Krise zu vermitteln. Zudem sollten andere Staaten belarussische Journalist*innen aufnehmen, die nicht in ihrem Heimatland arbeiten könnten.

Ansporn für die Gesellschaft

Derweil spekulieren Experten, wie es mit der Oppositionsbewegung in Belarus weitergehen könnte. Offensichtlich setze Lukaschenko darauf, die Proteste stoppen zu können, indem er bestimmte Spieler aus dem Feld schlage. Doch das werde die Gesellschaft nur weiter anspornen, um noch aktiver gegen die Repressionen aufzustehen, zitiert die russische Onlinezeitung gazeta.ru den belarussischen Politologen Dmitri Bolkunets.

Unterdessen gibt Lukaschenko seinen Landsleuten wieder einmal Rätsel auf. In einem Interview mit dem russischen Staatssender RT räumte er ein, vielleicht zu lange an der Macht zu sein, um gleich danach eine Verfassungsänderung mit vorgezogener Präsidentenwahl ins Spiel zu bringen. Auf die Frage, mit wem er in einen Dialog treten wollte, lautete die Antwort: Mit dem Koordinationsrat auf keinen Fall.

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