Proteste in Ägypten: Der Tahrirplatz ist wieder voll

Vor einem Jahr trat Mursi sein Amt als Präsident an. Unzählige demonstrieren zum Jubiläum gegen - und für ihn und die Muslimbrüder.

Sie sind wieder da: die Protestierenden vom Tahrirplatz. Bild: reuters

KAIRO taz | Für zwei Pfund, umgerechnet 30 Cent ist sie zu haben, die rote Karte auf der „Verschwinde“ steht. Auf dem Tahrirplatz ist sie an manchen Ständen der Straßenhändler bereits am frühen Nachmittag ausverkauft. Populär sind auch die Plakate, auf dem das Gesicht von Präsidenten Mohammed Mursi durchgestrichen ist. Zwei Botschaften, die am Sonntag die Forderungen der Demonstranten wiedergeben.

„Ich habe Mursi sogar gewählt, weil er sich religiös gegeben hat, aber jetzt sehen wir steigende Preise, Arbeitslosigkeit und Armut. Die Muslimbrüder sagen, gebt uns eine Chance. Wie lange? Bis wir untergegangen sind?“, fragt die Krankenschwester Mona Helmy. „Wir haben 18 Tage gebraucht, um Mubarak loszuwerden, wenn Mursi nicht gehen will, dann werden wir auch 180 Tage hierbleiben“, erklärt Mohammed Aziz, einer der Demonstranten.

Tatsächlich hat die 30.-Juni-Front, die die Proteste gegen den Präsidenten koordiniert, die Menschen aufgefordert solange auf dem Tahrir, vor dem Präsidentenpalast und auf allen großen Plätzen des Landes zu bleiben, bis Mursi zurücktritt.

„Der längste Tag“, hatte eine der staatlichen Tageszeitungen getitelt. Demonstriert wird überall im Land, nicht nur in der zweitgrößten Stadt Alexandria, auch anderswo im Nildelta, aber auch im Süden. Im Nildelta wurde in mehreren Städten die Provinzverwaltungen von Demonstranten blockiert. Sie brachten Schilder an den Toren an mit der Aufschrift: „Geschlossen auf Befehl des Volkes“.

Auch die Anhänger sind da

Bereits am Mittag wurde klar, dass dies kein normaler Tag oder eine von vielen Demonstrationen sein wird. In Kairo schlossen ganze Fabriken und die Arbeiter machten sich auf dem Weg zum Tahrir. Aus dem staatlichen Fernsehgebäude war ein stetiger Strom von Mitarbeitern in Richtung Tahrir zu sehen. Sie hatten sich zur Arbeit eingestempelt, um dann demonstrieren zu gehen. „Wenn wir die Muslimbrüder heute nicht loswerden, werden sie sich endgültig festsetzen“, erklärte ein Mann im Straßencafé um die Ecke unter der Zustimmung der Zuhörer. „Wir sind noch nie demonstrieren gegangen, aber wenn wir nicht heute gehen, wann dann?“, antwortet einer von ihnen.

Aber auch die Anhänger des Präsidenten gingen am Sonntag wieder im Osten Kairos auf die Straße „Wir sind hier, um Mursi zu schützen, unseren legitim gewählten Präsidenten“, erklärt Ibrahim Moustafa, einer der dortigen Demonstranten. „Wenn nur einer über die Mauer des Präsidentenpalastes springt, werden wir einschreiten“, warnt der Beamte.

„Die Opposition hat mit ihren Protesten das Land zerstört. Wir sind friedlich. Der Ausweg ist, zusammenzuarbeiten und die Legitimität des gewählten Präsidenten zu akzeptiere“, meint der Mechaniker Adel Muhammad. Sein Nachbar fügt hinzu: „Die Amtszeit eines Präsidenten sollte nur an den Urnen beendet werden. Wenn ein gewählter Präsident auf so eine Art gestürzt wird, dann wird auch der nächste dieses Land nicht mehr als sechs Monate regieren“.

Beide Seiten zeigen keine Anzeichen, nachgeben zu wollen. „Wir haben dem Präsidenten einen Führerschein gegeben, aber er kann nicht Auto fahren“, sagt Oppositionspolitiker und Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei. Mursi selbst hat vor den Protesten noch einmal deutlich gemacht, dass er nicht daran denke, zurückzutreten. „Wenn jemand aus dem Amt gejagt wird, der durch die Verfassung legitimiert gewählt wurde, dann wird das Schule machen“, sagte Mursi. „Es wird immer Oppositionelle geben, die nach einer Woche oder einem Monat fordern, dass der Präsident zurücktritt“, fügte er hinzu.

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