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Proteste im WestjordanlandDer Aussitzer

Kommentar von Susanne Knaul

Mit brutaler Gewalt der Sicherheitsleute hält sich Palästinenserpräsident Abbas an der Macht. Die Hamas sitzt schon in den Startlöchern für die Übernahme.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas: tut nichts, und das schon sehr lange Foto: Alex Brandon/ap/dpa

D er Tod eines Kritikers von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist Anlass für Proteste in Ramallah und Hebron. Acht Minuten lang soll Nisar Banat von palästinensischen Sicherheitskräften zum Teil mit Eisenstangen malträtiert worden sein. Der 43-jährige Aktivist, der mit sarkastischen Videos in den sozialen Netzwerken gegen den alternden Präsidenten Stimmung machte, starb im Juni kurz nach seiner Festnahme.

Seit Jahren schon stand er unter Beobachtung der palästinensischen Sicherheitsdienste, die ihn wiederholt unter dem Vorwurf der Cyberkriminalität verhafteten. Wie Banat sind zahlreiche KritikerInnen des Palästinenserpräsidenten Opfer absurder Gesetze und des harten Vorgehens der Sicherheitsdienste. Der Unmut wächst. „Verschwinde“, so rufen DemonstrantInnen.

Jüngsten Umfragen zufolge glauben mehr als die Hälfte der PalästinenserInnen, dass die islamistische Hamas nicht nur im Gaza­streifen, sondern in den gesamten Palästinensergebieten, inklusive dem Westjordanland, regieren sollte. Ganze 14 Prozent der Befragten hielten unverändert zur Fatah und Abbas für den geeigneten Präsidenten.

Diese gefährliche Wende hin zu der radikalen und militanten Bewegung ist auf die Kampfbereitschaft der Hamas zurückzuführen, die sie jüngst mit Raketen gegen Israel erneut unter Beweis stellte, während Abbas die Probleme aussitzt. Der Palästinenserpräsident treibt weder den Widerstand voran, noch sucht er aktiv nach friedlichen Lösungen, um der israelischen Besatzung ein Ende zu machen. Er tut nichts. Und das schon sehr lange.

Demonstranten mit Fotos des Abbas-Kritikers Nisar Banat fordern: „Abbas, verschwinde!“ Foto: Nasser Nasser/ap

Der Zorn gegen ihn ist aber auch auf die abgesagten Wahlen zurückzuführen, die für Anfang des Jahres geplant waren, und bei denen die Fatah mit großer Wahrscheinlichkeit von den Islamisten geschlagen worden wäre. Vorerst hält sich Abbas mit strikten Anweisungen und mit dem brutalen Vorgehen seiner Sicherheitskräfte gegen die Demonstrationen im Amt.

Der 85-Jährige lässt die Chancen seiner Fatah-Bewegung schwinden, während die Hamas nur abzuwarten braucht. Irgendwann muss es Wahlen geben, und bis dahin punkten die Islamisten.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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1 Kommentar

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  • Der Tag neigt sich dem Ende zu und noch keiner ist auf den Dreh gekommen, wie man die Vorfälle Israel in die Schuhe schieben könnte.

    Ich bin enttäuscht.

    Und das:

    "Jüngsten Umfragen zufolge glauben mehr als die Hälfte der PalästinenserInnen, dass die islamistische Hamas nicht nur im Gaza­streifen, sondern in den gesamten Palästinensergebieten, inklusive dem Westjordanland, regieren sollte."

    kann ja heiter werden.

    Also zwei Abschussrampen für die Hamas.

    Im Vergleich dazu sind die Siedlungen, die bekanntlich das absolut einzige Hindernis für eine friedliche Lösung sind, nach geradezu Frieden stiftend.