Proteste im Kongo: Aggression auf der Straße

Straßenkämpfe zwischen Ethnien, Morde, Plünderungen: Der Protest gegen die Unsicherheit im Osten der DR Kongo schlägt in Gewalt um.

Steine und Säcke blockieren Geschäftsstraße

Der Rest vom Protest: Straßeszene im kongolesischen Goma am Montagmittag Foto: Auster Malivika/Kennedy Muhindo

BUTEMBO taz | Die bislang weitgehend friedlichen Proteste in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu gegen Unsicherheit und Gewalt sind am Montag selbst in Gewalt ausgeartet. In der Provinzhauptstadt Goma gab es Tote und Verletzte, als Jugendliche der Volksgruppen der Nande und Kumu aufeinander losgingen. Mehrere Dutzend Häuser wurden in den nördlichen Stadtteilen Majengo und Buhene verwüstet, teils angezündet, zahlreiche Geschäfte geplündert. Noch am Nachmittag waren auf Straßen im Norden der Stadt schwelende Feuer, Steine und verlorene Kleidungsstücke zu sehen.

Seit Montag vergangener Woche demonstrieren Jugendgruppen in mehreren Städten Nord-Kivus gegen die endemische Unsicherheit im Osten der Demokratischen Republik Kongo, rufen zu Generalstreiks auf und verlangen ein stärkeres Eingreifen der Armee und der UN-Mission im Kongo (Monusco) gegen bewaffnete Gruppen. Das gewaltsame Vorgehen von Polizei und Militär gegen die Proteste hat mehrere Tote gefordert. Am Sonntag starb ein junger Kumu in Goma durch eine Polizeikugel bei einem Einsatz gegen Demonstranten – Kumu-Vertreter warfen daraufhin den Nande als Wortführer der Protestaktionen vor, daran schuld zu sein.

„Wir leben hier in Frieden und wir wissen nicht, was für ein Teufel diese Jungs geritten hat“, ärgert sich Célestin Bahemuke, Gemeindechef des Stadtviertels Bujovu. „Die einen werfen den anderen vor, mit ihren Streikaufrufen den Tod eines der Ihren herbeigeführt zu haben.“ Eric Mumbere, Nande-Jugendführer in Buhene, sagt: „Das ist eine Provokation. Der junge Mann wurde von der Polizei getötet und man macht uns dafür verantwortlich. Uns werden Türen eingetreten und Sachen geklaut.“

Bekleidungsvorschriften an Straßensperren

Nach offiziellen Angaben von Montagabend gab es insgesamt 7 Tote und 22 Verletzte. Zwei Motorradtaxifahrer wurden am Morgen tot aufgefunden, mit Stichwaffen ermordet. Beim Polizeieinsatz, um die kämpfenden Jugendlichen zu trennen, traf ein Querschläger eine junge Frau tödlich. Nord-Kivus Provinzgouverneur Carly Nzanzu Kasivita besuchte im Laufe des Tages Buhene und traf lokale Gemeindeführer, um die Spannungen zu beruhigen.

Währenddessen hat sich auch in den Städten Beni und Butembo, wo die Proteste ihren Ursprung nahmen, die Lage weiter angespannt. In Beni blockierten junge Demonstranten Straßen und verlangten von jedem, der ins Stadtzentrum wollte, die Schuhe auszuziehen und barfuß weiterzugehen, als Zeichen des Protests; Frauen in Hosen oder kurzen Röcken durften nicht weitergehen, sondern mussten sich traditionelle Wickeltücher suchen. „Einem jungen Mann schnitten die Banditen im Viertel Ngongolio einen Teil des Ohres ab, weil er sich dem Befehl widersetzte“, berichtet Gervais Mwera, Chef der Taxifahrer des Viertels Kalinda.

In Butembo zündeten Jugendliche das Gemeindezentrum des Stadtteils Mukalangirwa ein, nachdem am Samstagabend ein Demonstrant erschossen worden war. „Die Polizei hat uns provoziert“, sagt Jugendprotestführer Léon Tsongo. Butembos Bürgermeister Silvain Kanyamanda nennt den Tod des Demonstranten „sehr bedauerlich“ und führt aus: „Wir haben einen Soldaten – keinen Polizisten – verhaftet, der aus Versehen auf den Demonstranten geschossen hatte. Aber die Demonstranten haben jetzt staatliche Einrichtungen angegriffen. Das muss aufhören.“

In der Stadt Oicha weiter nördlich hinderte die Polizei Demonstranten daran, das Gesundheitszentrum Kyuna anzuzünden.

Nutznießer im Hintergrund?

Manche Beobachter glauben, dass bei den Gewaltakten Provokateure die Hand im Spiel haben. „Ich glaube, dass im Hintergrund Leute die Strippen ziehen, um aus dieser Lage Nutzen zu ziehen“, sagt Jimmy Nziali, Präsident der Partei „Génération Positive“. „In Buhene (Goma) hat man Jugendliche mit Messern auf der Seite der Polizei gesehen. Der Staat muss sehr schnell tätig werden.“

Die gewählte Wahlkreisabgeordnete Adèle Bazizane rief die Jugendlichen beider Seiten auf, „nicht auf das Spiel derer hereinzufallen, die die Gemeinschaften gegeneinander aufhetzen wollen, um in Goma Unsicherheit zu schüren“. Und der Dachverband der Zivilgesellschaft der Stadt rief in einer Erklärung „alle Ethnien“ Nord-Kivus dazu auf, „den sozialen Zusammenhalt und die friedliche Lösung inhärenter und potenzieller Konflikte zu fordern, um sich nicht instrumentalisieren zu lassen“.

Fikiri Muhima, Leiter der lokalen Organisation „Justice pour tous“, verlangt Maßnahmen der Staatsmacht, „aber auch die Gruppen, die zu den Protesten gegen die Monusco aufgerufen haben, könnten schnell eine Pause anordnen, da ihre Sache jetzt von Unbekannten fehlgeleitet wird.“

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