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Proteste gegen peruanische PräsidentinDas Stürmchen auf Lima

Monate nach der Absetzung des Präsidenten Pedro Castillo lehnen die meisten Peruaner seine Nachfolgerin ab. Aber nur wenige protestieren gegen sie.

Für den dritten „Sturm auf Lima“ war groß mobilisiert worden – aber es kamen weniger als erwartet Foto: Angela Ponce/reuters

Lima taz | Der dritte „Sturm auf Lima“ beginnt am Nachmittag des 19. Juli auf dem Platz Dos de Mayo in der Altstadt von Lima. Gruppen aus den Vororten malen Transparente; Parteien und Abordnungen aus allen Landesteilen schwingen ihre Fahnen. „Schließt den Kongress“, „Gerechtigkeit für unsere Toten“ und „Verfassunggebende Versammlung“ steht auf Plakaten und Holztafeln. Tröten und Trommeln befeuern die Stimmung.

Lourdes Contreras, 32 Jahre alt, Soziologin und Bäuerin, ist aus dem nordperuanischen Cutervo angereist. Die kleine Frau mit der Brille trägt den Strohhut der „Ronderas“, der ländlichen Bürgerwehren. Sie war bereits bei den Protesten im Dezember 2022 und Januar 2023 in Lima dabei und ist nun zur dritten Demo nach Lima gereist. Um gegen die Diktatur zu kämpfen, wie sie die Regierung von Dina Boluarte nennt.

Schon seit Tagen ist die Stimmung angespannt in der Hauptstadt. Präsidentin Boluarte warnte im Voraus die Organisatoren der Proteste: „Wollt ihr wirklich noch mehr Tote?“. Und sie stellte damit klar, dass, falls die Polizei gezwungen sei zu schießen, dies einzig die Schuld der Demonstranten sei.

Weder Ruhe noch Ordnung

Denn seit dem 6. Dezember 2022 ist in Peru nichts mehr, wie es war, ganz egal wie sehr Dina Boluarte Ruhe und Ordnung beschwört. An jenem Tag kündigte der linke Präsident Pedro Castillo die Schließung des oppositionellen Kongresses an. Dieser drehte das Heft um, setzte Castillo kurzerhand ab, ließ ihn festnehmen und rief seine Vize Dina Boluarte zur Präsidentin aus.

Daraufhin legten die indigen geprägten Landesteile im Süden halb Peru monatelang lahm, um den Rücktritt Boluartes und die Schließung des Kongresses zu erreichen. Die neue Präsidentin schickte Polizei und Militär, die 49 Demonstranten vom Volk der Quechua und Aymara erschossen. Einige waren zufällige Passanten oder noch minderjährig. Obwohl mehrere internationale Untersuchungskommissionen der peruanischen Polizei Gewaltexzesse und der Regierung Menschenrechtsvergehen nachwiesen, wurde bis heute niemand für diese Toten zur Verantwortung gezogen.

Viele sind des ewigen Spiels müde

Lourdes Contreras, Soziologin und Bäuerin, über den Mangel an Hoffnung

Im Januar dieses Jahres reisten Bäuerinnen und Händlerinnen aus Südperu unter großen finanziellen Opfern in die 1.000 Kilometer entfernte Hauptstadt Lima, um die Präsidentin und den Kongress zum Rücktritt zu zwingen und Gerechtigkeit für ihre Toten zu fordern. Sie mussten mit leeren Händen wieder nach Hause fahren und versprachen: Wir kommen im Juli wieder.

Die Voraussetzungen für massive Proteste sind gut: bei jüngsten Umfragen haben 80 Prozent der Befragten Boluarte abgelehnt, 90 Prozent den Kongress. 80 Prozent wollen vorgezogene Wahlen. Dies trotz einer massiven öffentlichen Kampagne, die die Demonstranten als Terroristen darstellt.

Doch am 19. Juli sind dann doch weniger Demonstranten nach Lima gekommen, als erwartet. „Viele sind des ewigen Spiels müde: wenn Boluarte und die Abgeordneten gehen, dann gibt es wieder Wahlen und es kommt wieder der gleiche Typ Politiker an die Macht“, kommentiert Lourdes Contreras. In Peru gibt es keine gewachsenen politischen Parteien mehr. Es bilden sich ad hoc Wahlbündnisse um aussichtsreiche Kandidaten, die ihre zukünftige Macht zu klingender Münze machen wollen. Nur eine verfassunggebende Versammlung könnte diesen Teufelskreis aufbrechen, hofft Lourdes Contreras.

Eland Vera ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität in Puno, einer Hochburg der Proteste Anfang des Jahres im Süden Perus. Zwölf junge Menschen wurden dort am 9. Januar dieses Jahres von der Polizei erschossen. Die Menschen seien immer noch empört. Die Proteste haben den alltäglichen Rassismus in Peru aufgezeigt. Noch hat sich aus der Protestbewegung keine Partei der Quechua- und Aymara-Indigenen gebildet. „Aber die Bedingungen dafür sind da“, meint Vera.

Auch die Mittelschicht protestiert mit

Positiv sieht Vera, dass am 19. Juli auch Vertreterinnen der liberalen linken Mittelschicht aus Lima auf die Straße gegangen sind. Hier könnte sich eine neue Allianz bilden, zwischen indigenen Bauern vom Land und linken Städtern, hofft Vera. Doch noch fehlen Führungsfiguren, die das kollektive Unbehagen kanalisieren.

Gründe fürs Unbehagen gibt es genug. Boluarte und der Kongress stützen sich gegenseitig in ihrer Absicht, bis 2025 im Amt zu bleiben, und schwächen dafür gezielt funktionierende Institutionen zugunsten von Partikularinteressen.

Dies hat auch der grüne Abgeordnete und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Max Lucks, bei seinem jüngsten Arbeitsbesuch in Peru festgestellt. Nicht nur die Menschenrechtslage Perus sei bedenklich, sondern auch wie demokratische Institutionen zunehmend von der Regierung kooptiert und die Gewaltenteilung untergraben werden.

Am 28. Juli, dem Nationalfeiertag Perus, haben die Organisatoren erneut zur großen Demo aufgerufen. Wenn Dina Boluarte ihre Festansprache hält, wird sie nicht mehr überhören können, wie viele Menschen ihren Rücktritt fordern.

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