Proteste gegen Steuererhöhungen in Kenia: Kenia legt Ostafrika lahm
Nach Protesten zieht Kenias Präsident das Haushaltsgesetz zurück und stellt das Internet ab. Als Kollateralschaden geht Ostafrika vom Netz.
Grund war der Versuch von Kenias staatlicher Kommunikationsbehörde CA, das Internet kurzzeitig auszuschalten. Massenproteste gegen Steuererhöhungen, die dieser Tage in Kenias Parlament debattiert wurden, waren am Dienstag zu Straßenschlachten im Zentrum der Hauptstadt Nairobi eskaliert.
Am Nachmittag, als das Parlament dem umstrittenen Haushaltsentwurf zugestimmt hatte, stürmten aufgebrachte Demonstranten das Parlamentsgebäude. Es wurden Brände gelegt, es kam zu Plünderungen. Darauf reagierte die Polizei, unterstützt vom Militär, mit scharfer Munition. Fotos zeigten Leichen und Blutlachen auf den Straßen. Den Sicherheitskräften gelang es bis zum Abend, die Kontrolle wiederherzustellen – aber um einen hohen Preis.
Kenias Menschenrechtskommission KNHRC zählte am Mittwoch landesweit 22 Tote, 19 davon in Nairobi. Über 300 Menschen seien verletzt worden. Zuvor hatte der kenianische Ärzteverband von 13 Toten gesprochen und betont, das sei „noch nicht die endgültige Zahl“.
Soldaten zum Parlament
Kenias Präsident William Ruto bezeichnete in einer Fernsehansprache am Dienstagabend die Demonstranten als „organisierte Kriminelle“, die „eine ansonsten legitime Ausübung der Grundrechte durch gesetzestreue Bürger infiltriert“ hätten.
Es sei „weder in Ordnung noch denkbar, dass Kriminelle, die sich als friedliche Protestierende ausgeben, Terror gegen das Volk, seine gewählten Vertreter und die durch unsere Verfassung geschaffenen Institutionen ausüben und erwarten, ungeschoren davonzukommen“.
Kenias Verteidigungsminster hatte bereits am Nachmittag Soldaten zum Parlament entsandt, um der Polizei unter die Arme zu greifen. Nur wenige Minuten nach der Stürmung des Gebäudes fiel dann das Internet in ganz Ostafrika aus.
Noch am Montag hatte Kenias Kommunikationsbehörde versichert, es gebe „zweifellos absolut keine Absicht, das Internet abzuschalten“. Doch dann geschah es trotzdem. „Auf dem Höhepunkt des Protests ordnete die kenianische Regierung an, dass die Mobilfunkbetreiber ihre Netze abschalten sollten“, erklärte Kyle Spencer gegenüber der taz. Der Vorsitzende und Geschäftsführer der African IXP Association, die Afrikas Internetinfrastruktur verbessern will, hat den Vorfall untersucht.
Kommunikationsbehörde lässt Stromkreise abschalten
Demnach ordnete die Kommunikationsbehörde auch an, die Stromkreise der Netzbetreiber an der Landestation abzuschalten, wo das Glasfaserkabel an der Küste des Indischen Ozean ins Meer führt. „Das hatte einen Schmetterlingseffekt zur Folge und große Auswirkungen im Landesinneren Ostafrikas“, so Spencer.
Denn an dieser Landestation in Kenias Hafenstadt Mombasa werden auch die Verbindungen nach Uganda, Ruanda, Burundi, Südsudan und dem Osten der Demokratischen Republik Kongo eingespeist. Von dieser Station aus ist Ostafrika mit dem weltweiten Internet vernetzt.
Wird also dort der Strom ausgeschaltet, ist ganz Ostafrika offline. Ein zweites Kabel verläuft zwar parallel via Tansania, erklärt Spencer: „Doch dieses zu nutzen ist teuer, weil Tansanias Regierung darauf ein Monopol hat und hohe Gebühren verlangt.“
Für Ostafrikas Wirtschaft hat dies kostspielige Folgen. Die Onlineplattform NetBlocks, die den Onlinezugang weltweit überwacht, kalkuliert, dass eine einzige Offline-Stunde Kenias Wirtschaft umgerechnet fast 13 Millionen Euro kostet. Immerhin, so Spencer: „Wir sehen mittlerweile, dass das Internet jetzt wieder normal funktioniert – doch wer weiß, wie lange.“
Wie es weitergeht, ist offen. Am Mittwoch kündigte Präsident Ruto an, das vom Parlament verabschiedete umstrittene Haushaltsgesetz nun doch nicht zu unterzeichnen: „Das Volk hat gesprochen“, erklärte er zur Begründung. Zuvor hatten die Demonstranten unter dem Hashtag #tutanethursday („Wir sehen uns am Donnerstag)“ weitere Proteste angekündigt.
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