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Proteste gegen RentenreformenGeneralstreik in Griechenland

Bauern und Ärzte, Seeleute und Anwälte – sie alle sind vereint im Protest gegen die Rentenreform, die Teil des dritten Hilfsprogramms für Griechenland ist.

Streik mit Symbolkraft: Diese Beinprothesen wurden vor dem griechischen Arbeitsministerium aufgestellt. Foto: reuters

Athen ap | Ein massiver Generalstreik hat am Donnerstag Dienstleistungen in Griechenland landesweit zum Stillstand gebracht. Wegen des Ausstands wurden Inlandsflüge und Fähren gestrichen, der öffentliche Verkehr ist eingeschränkt. Schulen, Gerichte und Apotheken sind geschlossen, staatlich betriebene Krankenhäuser arbeiteten nur mit Notbesetzung. Gewerkschaften hatten zu dem Streik aufgerufen, um gegen Rentenreformen zu protestieren, die Teil des dritten internationalen Hilfsprogramms für das EU-Land sind.

Die linksgeführte Regierung will das notleidende Rentensystem Griechenlands überarbeiten. Dazu sollen Sozialversicherungsbeiträge angehoben werden, um Rentenkürzungen zu vermeiden. Kritiker halten dagegen, die Reformen würden dazu führen, dass viele Griechen zwei Drittel ihres Einkommens für Beiträge und Steuern hergeben müssten.

Der Protest gegen die Reformen hat diverse Berufsgruppen vereint, darunter Bauern, Künstler, Taxifahrer, Anwälte, Ärzte, Ingenieure und Seeleute. Vor geplanten Demonstrationen wurde in der Hauptstadt Athen ein starkes Polizeiaufgebot stationiert.

Der Generalstreik am Donnerstag ist der bedeutendste, mit dem die Koalitionsregierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras seit dessen Amtsantritt vor rund einem Jahr bislang konfrontiert wurde. Noch als Oppositionspartei hatte die linksradikale Syriza-Partei von Tsipras Widerstand gegen Rentenreformen angeführt. Doch wurde der Regierungschef im vergangenen Jahr zu einem dramatischen Kurswechsel gezwungen, als er vor der Wahl zwischen einem dritten Rettungsprogramm oder dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone stand.

Die Schuldeninspektoren Griechenlands kehrten diese Woche nach Athen zurück, um Fortschritte bei der Umsetzung der Verpflichtungen des Landes im Gegenzug für die Rettungshilfen zu überprüfen. Das Hotel der Inspektoren in der griechischen Hauptstadt wurde von der Polizei streng bewacht.

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2 Kommentare

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  • Herr Tsipras und seine Syriza-Partei werden von ihren vollmundigen Versprechungen eingeholt, mit denen sie vor 1 Jahr die Wahl gewannen. Man kann verstehen, dass das Volk nun endlich Fortschritte sehen will!

     

    Leider bestand die einzige Strategie der Tsipras-Regierung darin, in Brüssel kräftig auf den Tisch zu hauen, in der Hoffnung, dass die vermeintlich dekadenten und zerstrittenen EU-Staaten dann vor Schreck erstarren und ganz schnell einknicken würden. Taten sie aber nicht, trotz aller Mühe, die sich Finanzminister Varoufakis monatelang gab.

     

    Inzwischen erfüllt Herr Tsipras „ohne innere Überzeugung“ die Forderungen der Gläubiger und erhält im Gegenzug die nötigen Überbrückungskredite, ohne die Gr. schnell pleite wäre. Aber dafür wurde er eigentlich nicht gewählt!

     

    In Südeuropa gibt es etliche Parteien, Gruppen und Grüppchen, die nach dem Wahlsieg der Syriza voll Begeisterung das „griechische Modell“ übernehmen wollten. Hoffentlich überlegen sie es sich noch mal, ob sie sich auch die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen antun wollen!

    • @Pfanni:

      Nun ja. Sich anzulegen mit Leuten, die keine Moral kennen, ist schon immer gefährlich gewesen – und schon immer mindestens genau so notwendig.

       

      Tsipras und seine Parteikollegen haben weiter nichts getan, als die Demokratie beim Wort zu nehmen. Dass "die vermeintlich dekadenten und zerstrittenen EU-Staaten" von Leuten angeführt werden, die sich einen Dreck um demokratische Werte scheren und sich, wenn auch nicht sonst, so doch in Ihrer Ignoranz vollkommen einig sind, ist vorher so nicht klar gewesen. In sofern sind wir Europäer Herrn Tsipras etwas schuldig, finde ich.

       

      Im Übrigen ist auch das griechische Volk erwachsen, sofern es wählen darf. Es sollte also wissen, dass es manchmal nicht reicht, etwas zu wollen. Man muss auch was riskieren dafür, dass man's kriegt. Die Isländer haben zwischen 2008 und 2011 etwas riskiert - und gewonnen. Die Griechen waren nicht so konsequent. Womöglich haben sie ja einmal zu oft darüber nachgedacht, welche "Risiken und Nebenwirkungen" es haben kann, wenn man sich auf die Hinterbeine stellt. Sehr schade, eigentlich. Auch wegen der von Ihnen angesprochenen Vorbildrolle. Obwohl – das mit den Vorbildern scheint ja so toll gar nicht zu sein. Von Island wollte offenbar bis heute niemand siegen lernen. es ist wohl schlicht nicht groß genug. Die Griechen haben sich gewiss gesagt: "So familiär geht es bei uns nicht zu. Das können wir einfach nicht machen". Womöglich stimmt das ja sogar. Demokratie ist in Stadtstaaten groß geworden, hab ich gehört.